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Gut zu wissen

Ein Mönch probiert Wein: Die Reben in Zürich waren während des Mittelalters im Besitz der Kirche. Bild: PD

Alle betrunken, sogar die Geistlichen

Von: Clarissa Rohrbach

23. Februar 2016

Im Mittelalter tranken die Zürcher locker zwei Liter Wein am Tag.

Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass die Zürcher im Mittelalter dauerbetrunken waren. Wasser war etwas für ganz arme Leute: Wer konnte, stillte den Durst mit Alkohol. Ein bis zwei Liter Wein pro Tag waren die Regel, aber auch bei vier war niemand schockiert. Die Trinksitte  verlangte, dass man ein angebotenes Getränk nicht ablehnen durfte. Das wäre eine furchtbare Beleidigung gewesen. Männer trafen sich zum Kampftrinken – wer den Krug nicht leerte, galt als unmännlich. Ein Zeitgenosse schreibt gar, dass die Pflicht zu trinken «ein äusserst heiliger und religiöser Kontrakt» sei.


Bier hingegen galt als minderwertiges Volksgetränk. Der Weinbau aber hatte in Zürich Tradition. Bereits die Römer brachten die ersten Reben in die Stadt. Doch guter Wein war teuer, weshalb die einfachen Leute am Markt «Nachwein» aus der dritten Pressung kauften und ihn mit Essig und Wasser streckten. Für die Adligen gab es natürlich nur den «Muttertropfen». Damals hatte Wein den Alkoholgehalt von Bier und galt als besonders gesund. Er würde für Farbe im Gesicht, gutes Blut und helle Stimmung sorgen. Oft mischte man Ingwer, Pfeffer oder Muskatnuss in den Wein – das fördere die Wirkung. Kaufen konnte man die Gewürze in Säckchen auf der Strasse.


Obwohl alle Schichten trunksüchtig waren, konsumierte der Adel am meisten Wein. Nicht mal Zwingli konnte etwas dagegen unternehmen. 1525 schrieb er: «Die Berauschung ist heute derart, dass sie alles übersteigt.» Um das «unmässige umtrinken» zu beschränken, schrieben die Reformatoren 1530 eine Busse gegen die üble Sitte aus, schafften sie dann aber wieder ab. Übrigens: Pfarrer erhielten Wein als Lohn und dürften gerade deswegen dem Trinken gegenüber nicht abgeneigt gewesen sein.

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