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Gut zu wissen

Versenkt. Ernst Stojaspal trifft im Hardturmstadion im Spiel um Platz 3 zwischen Österreich und Uruguay per Penalty zum 1:0 (Endstand 3:1). Bild: Keystone-Archiv

Als Zürich zum Trostpflaster für Österreichs Fussballer wurde

Von: Sacha Beuth

05. Juni 2018

WM-GESCHICHTE 1954 fand in der Schweiz zum ersten und bislang einzigen Mal die Endrunde einer Fussballweltmeisterschaft statt. Fünf Partien wurden auch in Zürich im Hardturmstadion ausgetragen, darunter das Spiel um Platz drei, in dem gefrustete Österreicher Uruguay mit 3:1 bezwangen.

Es klingt heute wegen all der Scherereien um ein neues Fussballstadion beinahe unglaublich, ist aber wahr: In Zürich, genauer auf dem Hardturm, fanden einst fünf Partien einer WM-Endrunde statt. 1954 war das, als das inzwischen abgerissene Stadion nicht nur Heimstätte des Grass­hopper-Clubs war, sondern auch bis zu 34 800 Zuschauer fasste (die damals noch bis an den Spielfeldrand stehen durften).

Den Anfang machte am 16. 6. die Partie Österreich - Schottland (1:0), gefolgt von einem 9:0-Kantersieg des Topfavoriten und späteren Finalverlierers Ungarn über Südkorea tags darauf. Am 19. 6. fertigte Österreich die Tschechoslowakei mit 5:0 ab, und am 23. 6. setzte sich der spätere Weltmeister Deutschland (bzw. die BRD) in einem Entscheidungsspiel um den zweiten Gruppenrang gegen die Türkei klar mit 7:2 durch, wobei Max Morlock drei Treffer gelangen.

Duell der Verlierer

Die qualitativ wohl beste Partie dürfte das Spiel um Platz 3 am 3. Juli zwischen Österreich und Uruguay, dem entthronten Weltmeister von 1950, gewesen sein. Und dies obwohl bei beiden Mannschaften die Enttäuschung über den verpassten Finaleinzug spürbar war. Theodor «Turl» Wagner, damals 27-jährige Offensivkraft für das Austria-Team, erinnerte sich 2017 in einem Online-Artikel von OEPB.at: «Wir fühlten uns stark und glaubten, dass wir auch gegen die Weltklassemannschaft Ungarn im Finale eine Chance gehabt hätten. Doch das 1:6 gegen Deutschland beendete unsere Träume. Also mobilisierten wir im letzten Spiel alle Kräfte, um wenigstens den 3. Platz zu erreichen.» Mit dieser Einstellung ging Österreich ins Spiel, und es lief weitaus besser als noch gegen Deutschland. Schmied im Tor war ein sicherer Rückhalt, Kollmann nahm es mit der Beschattung von Omar Mendez pingelig genau, und Gerhard Hanappi brachte das Angriffsspiel der Österreicher ins Rollen. So zwang die ÖFB-Auswahl den Südamerikanern sehr bald schon ihr Spiel auf, und das frühe 1:0 aus einem Elfmeter (Robert Dienst war im Strafraum von Nestor Caballo gelegt worden) durch Ernst Stojaspal in der 16. Minute war der verdiente Lohn. Nur sechs Minuten später gelang Juan Hohberg aus rund 16 Metern der Ausgleich. In der Folge kam es hüben wie drüben zu zahlreichen Chancen, ehe in der 59. Minute ein Schuss von Robert Körner vom Uruguayer Luis Cruz so unglücklich abgefälscht wurde, dass er das 2:1 für Österreich einbrachte. Das Austria-Team geriet von da an nur noch selten in Gefahr, und schliesslich sorgte Teamcaptain Ernst Ocwirk eine Minute vor Spielende mit dem 3:1 für die Entscheidung.

Von Fans angespuckt

«Gott sei Dank, wenigstens ein dritter Platz!», sprudelte es aus Teamchef Walter Nausch nach dem Spiel geradezu heraus. In der Heimat wollte man sich über das Trostpflaster – notabene die bis dato und bis heute beste Platzierung einer österreichischen Fussballnati an einer WM – nicht freuen. Der Ärger über die Halbfinalniederlage gegen den grossen Bruder überwog offenbar. «Und so wurden wir nach unserer Rückkehr nach Wien ziemlich ­unfreundlich empfangen», erzählt Wagner. «Insbesondere Ernst Happel und Walter Zeman wurden zu Sündenböcken für

die Halbfinal­niederlage abgestempelt und sogar angespuckt.»

Der kleine «Tagblatt»-Guide
zur WM

Während einer Fussball-WM will jeder irgendwie mitreden können.

Damit dies für Laien nicht zum Fiasko wird, liefert das «Tagblatt» die wichtigsten Hintergrundinfos zum Thema. Darunter vielleicht auch einige, die selbst «Experten» nicht gekannt haben.

Anlass: Zuständig für die Organisation einer Fussball-Weltmeisters

chaft ist der Welt-Fussballverband Fifa (Fédération Internationale de Football Association) mit Sitz in Zürich.

Ball: Gespielt wird in Russland mit dem Telstar 18 von Adidas aus TPU (Thermoplastisches Polyurethan) und integriertem NFC-Chip. Er entspricht der Grösse 5 (= Umfan

g 68 bis 70 cm, Gewicht 410 bis 450 g).

Pokal: Der Fifa-WM-Pokal wurde vom italienischen Bildhauer Silvio Gazzaniga entworfen, ist 36,8 cm gross und wiegt 6175 g (wovon ca. 4900 aus 18-karätigem Gold bestehen).

Russland: Das Gastgeberland ist mit 17,075 Mio. Quadratkilometern das grösste Land der Erde. Die Ost-West-Ausdehnung erstreckt sich über 9000

Kilometer, zwei Kontinente und beinhaltet 11(!) Zeit­zonen. Die Einwohnerzahl beträgt 144 Mio. Hauptstadt ist Moskau.

Schweizer Teilnahmen: 11 (erstmals 1934 (Viertelfinal), zuletzt 2014 (Achtelfinal).

Spielstätten und Stadien: Jekatarinburg (Zentralstadion, 35 696 Plätze), Kaliningrad (Kaliningrad-Stadion, 35 202 Plätze), Kasan (Kasan-Arena, 45 015 Plätze), Nischni Nowgorod (Stadion Nischni Nowgorod, 44 899 Plätze), Moskau (Olympiastadion Luschniki, 81 000 Plätze und Spartak-Stadion, 44 918 Plätze), Rostow am Don (Rostow-Arena, 45 000 Plätze), Samara (Kosmos-Arena, 44 918 Plätze), ­Saransk (Mordowia-Arena, 45 018 Plätze), Sotschi (Olympiastadion, 47 659 Plätze), St. Petersburg (St.-Petersburg-Stadion, 69 500 Plätze) und Wolgograd (Wolgograd-Arena, 45 015 Plätze).

Topfavoriten: Brasilien, Frankreich, Deutschland. Weltmeister: Am meisten Titel sammelte Brasilien (1958, 1962, 1970, 1994, 2002), gefolgt von Italien (1934, 1938, 1982, 2006) und Deutschland/BRD (1954, 1974, 1990, 2014). Weitere Gewinner sind Uruguay (1930, 1950), England (1966), Argentinien (1978, 1986), Frankreich (1998) und Spanien (2010).

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