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Gut zu wissen

Verkehr auf dem Bahnhofplatz im Jahr 1939: Damals war Zürich eine echte Velostadt.Bild: Baugeschichtliches Archiv

Das «Auto des kleinen Mannes»

Von: Jan Strobel

28. Februar 2018

In den 1930er-Jahren erlebte das Velo als Verkehrsmittel eine Blütezeit, angestossen durch die Tour de Suisse. Zürich war dabei ein innovativer Standort der Fahrradproduktion.

Heutigen Verfechtern einer Velostadt Zürich muss die Fotografie aus der Vergangenheit, entstanden im Jahr 1939 auf dem Bahnhofplatz, wie die schwarz-weisse Wiedergabe ihrer Zukunftsträume erscheinen. Durch einen Strom von wendigen Velofahrern navigieren ein paar wenige Autos, und mittendrin versucht ein Verkehrspolizist, etwas Ordnung in den Pulk zu bringen. Der Platz muss erfüllt gewesen sein von einem einzigen Klingel-Konzert. 

Neue Sporthelden
Tatsächlich erlebte damals, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, das Velo als Verkehrsmittel eine Blütezeit. Das Zweirad galt als das «Auto des kleinen Mannes». Allein zwischen 1934 und 1938 verzeichnete das Eidgenössische Statistische Amt einen Zuwachs von 275 000 registrierten Velos. Insgesamt waren damit 1938 rund 1,2 Millionen Fahrräder auf den Schweizer Strassen unterwegs, eine «Verbreitung», so die Statistiker, «wie sie nie erwartet wurde». Angestossen wurde dieser Boom insbesondere auch durch die Tour de Suisse, die erstmals 1933 durchgeführt wurde und die Nation in Bann zog. Velorennfahrer waren die neuen Sporthelden. 

Auch die Schweizer Fahrradindustrie erlebte dadurch einen Aufschwung, erreichte in Europa gar eine führende Stellung mit Marken wie Allegro, Mondia, Helvétic oder Selecta. Das Bieler Unternehmen Sport AG entwickelte in den 1930er-Jahren das automatische Dreigang-Fahrradgetriebe im Tretlager, das sogenannte Mutaped.

In der Stadt Zürich war es besonders die Firma H. Gschwend, welche die Begeisterung über den neuen Sportevent zu nutzen verstand und seit 1935 mit ihren Tour-de-Suisse-Rädern die Kundschaft begeisterte. Das Hauptgeschäft und die Fabrikationsstätte befanden sich in den alten Gewerbehäusern am Unteren Mühlesteg, mitten in der Limmat. Eine moderne Filiale führte das Unternehmen überdies an der Nüschelerstrasse. Jedes Velo, ob Tourenrad, Rennmaschine oder Damenrad, konnte Gschwend in zwölf verschiedenen Ausführungen liefern, je nach den Wünschen der Kundschaft. Beliebt waren Holz- oder Aluminiumräder.

Die Tour-de-Suisse-Velos von Gschwend waren ab 1936 selbstredend auch an der Tour de Suisse im Einsatz. Auf einem Velo aus dem Hause Gschwend war zum Beispiel auch Fahrradlegende Heiri Suter unterwegs. 

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