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Gut zu wissen

Kunst und Kirche: Am 6. September 1970 wurden Marc Chagalls Fenster im Fraumünster eingeweiht. Bild: PD

Ein Brief vom Pfarrer an Marc Chagall

Von: Isabella Seemann

14. März 2013

Im Sommer 1967 betraute Fraumünster-Pfarrer Peter Vogelsanger den jüdischen Künstler mit der Gestaltung der Kirchenfenster.

Der Gedanke war kühn: «Ich schreibe Chagall», sagte Peter Vogelsanger, nachdem er im Kunsthaus die Retrospektive anlässlich Marc Chagalls 80. Geburtstag besucht hatte. Der Fraumünster-Pfarrer wollte den weltberühmten Künstler mit der Gestaltung der fünf hohen, schmalen Fenster, die bei der Renovation des Chorraums ans Licht gekommen waren, betrauen.

Nach dem überraschenden Besuch im Fraumünster an einem Herbstmorgen zögerte der betagte Künstler jedoch lange und beratschlagte sich mit seinem Rabbi. Überdies bat ihn auch der Papst, die mächtigen Fenster des neuen Audienzsaales im Vatikan zu gestalten. Warum nahm Chagall schliesslich den Auftrag im Herzen Zürichs an? «Wissen Sie, das Fraumünster ist sehr schön und sehr einfach», sagte er Vogelsanger. Und Zürich sei seinem Empfinden nach in ihrer Nüchternheit und ihrem pulsierenden Arbeitseifer eine tief religiöse Stadt.

1968 zeigte Chagall dem Pfarrer die ersten Entwürfe – und am 6. September 1970 weihte dieser die ChagallGlasfenster in Anwesenheit des Künstlers ein. Er hatte den Auftraggebern nur die Materialkosten verrechnet, und diese übernahmen die Zürcher Mäzene Heinrich und Lou Hatt-Bucher. 1978 gestaltete Chagall als 90-Jähriger zudem noch die Rosette im Südquerhaus.

Touristen wie Einheimische sitzen andachtsvoll im Chorraum und lassen die Kraft der Farben und die biblischen Botschaften von Chagalls Glasfenstern auf sich wirken: Moses mit den Zehn Geboten, der Harfe spielende König David oder ein Engel, der mit der Posaune den Beginn der Ewigkeit und das Herabsteigen Neu-Jerusalems vom Himmel verkündet.

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