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Gut zu wissen

William Akapko posierte an der Bäckereiausstellung für die Kameras. Bild: SI

Ein Traum wird zum PR-Gag

Von: Jan Strobel

16. Juni 2020

1962 wurde ein Bäckerlehrling aus Ghana im Hallenstadion Zürich dem Publikum als «Attraktion» vorgeführt. Der junge Mann musste in der Lehrlingsbackstube Mohrenköpfe herstellen. 

Im Licht der aktuellen «Mohrenkopf-Debatte» mutet die folgende Geschichte geradezu grotesk an – zumindest aus heutiger Sicht. Damals, 1962, galt sie den Medien und dem Schweizer Publikum nicht etwa als rassistischer Skandal erster Güte, sondern als harmloses Amusement während einer Grossveranstaltung.

Im Juli 1962 fand im Zürcher Hallenstadion die ESPA, die internationale Bäckerei- und Konditoreiausstellung statt. Den Besuchern wurde «Altes und Neues, Einheimisches und Fremdes aus dem jahrhundertealten Beruf des Bäckers» vor Augen geführt. An der Schau hatten natürlich auch die Lehrlinge ihren Auftritt, welche ihr Können und Fachwissen unter Beweis stellten.

Unter ihnen befand sich auch William Akapko, der Anfang 1961 aus Ghana in die Schweiz gekommen war, um in Zürich den Bäckerberuf zu erlernen. An der ESPA arbeitete der junge Mann in der Lehrlingsbackstube und stellte dort unter anderem auch Mohrenköpfe her; für die «Schweizer Illustrierte» und die Veranstalter war das eine perfekte Story. «Der schwarze William», berichtete die «SI», stelle nun «zur Belustigung der Besucher echte Mohrenköpfe her. Nicht nur die Hautfarbe des Bäckerlehrlings schafft ein ganz besonderes Verhältnis zum beliebten Gebäck mit der Kakaoglasur – Ghana, sein Heimatland, ist das wichtigste Ausfuhrland von Kakao.» In anderthalb Jahren werde er, «wohl als erster Schwarzer in der hiesigen Zunft der weissgewandeten Bäcker», seine Berufslehre abschliessen.

Für das Foto-Shooting hielt William Akapko zusammen mit einer Dame in einer Schweizer Tracht ein Tablett mit der süssen Köstlichkeit in die Kamera. Die Legende zum Bild lautete: «Der Mohr und seine Mohrenköpfe». Die ESPA ihrerseits warb in den Zürcher Zeitungen mit grossen Inseraten für die «Attraktion»: «Ein Neger bäckt Mohrenköpfe».

Die Rassismus-Diskussion um die Süssigkeit entfachte sich erst 1988, als das Gewerbemuseum Basel erstmals in einer Ausstellung die Herkunft des Begriffs «Mohrenkopf» als koloniales, europäisches Fantasiebild beleuchtete. Und bereits 1991 tauften die ersten Hersteller die Schleckerei in «Choco-Köpfli» um.

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Leserkommentare

Charly Büchi - Es wäre interessant, falls er noch lebt, ihn zu fragen, was er heute dazu zu sagen hat. Bitte finden Sie dies heraus.

Vor 3 Jahren 10 Monaten  · 
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