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Gut zu wissen

Flüchtlinge im Aufnahmelager Zürich, Oktober 1944. Bild: Keystone

Ein unerschrockener Mahner und Helfer

Von: Jan Strobel

14. Oktober 2015

Vergessene Helden: Pfarrer Paul Vogt setzte sich mutig für das Schicksal von Flüchtlingen ein.

Als Pfarrer Paul Vogt an jenem Abend des 1. September 1944 im grossen Börsensaal zu seinem ­Referat ansetzte, erwartete das Zürcher Publikum einen «Vortrag über die Flüchtlingsfrage», ein Thema also, das heute nicht aktueller sein könnte. Referent Paul Vogt, Pfarrer in Seebach, war Mitbegründer der Schweizerischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe und engagierte sich vielen Widerständen zum Trotz für die Flüchtlinge, die in jenem fünften Kriegsjahr in der Schweiz Zuflucht suchten. Mit seiner «Freiplatzaktion» versuchte er, diese Flüchtlinge bei Privaten statt in Lagern unterzubringen.

Was die Zuhörer im Börsensaal nicht erwarteten, war die Höllenfahrt, auf die sie der Pfarrer schickte, indem er in bislang kaum dagewesener Offenheit über die Vernichtungslager der Nazis berichtete, über den weltgeschicht­lichen Sündenfall der Menschheit. Auschwitz war zu diesem Zeitpunkt kein unbekannter Name mehr. Vogt las der entsetzten Zuhörerschaft Augenzeugenberichte und Telegramme aus Ungarn vor, die Zeugnis ablegten von der Deportation der dortigen Juden, die im September 1944 in vollem Gange war. Und er erinnerte an all die Flüchtlinge, die während der ersten Wellen an der Schweizer Grenze zurückgewiesen wurden, «von denen wohl leider die Mehrzahl den Passionsweg nach dem Osten antreten musste». Vogt appellierte an das Schweizer Publikum: «Wir dürfen uns nicht mit einer hochmütigen Haltung von oben herab zu­friedengeben.» Die Reformierte Kirch­gemeinde Seebach bemühte sich in den letzten Jahren bei der Stadt vergebens darum, eine der neuen Strassen im Quartier nach Paul Vogt zu benennen.

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