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Gut zu wissen

Die besetzten Häuser an der Schmiede Wiedikon wurden am 16. Juni 1987 abgerissen. Danach kam es zu Brandanschlägen gegen die zuständige Wollishofer Baufirma. Bild: Baugeschichtliches Archiv

Gegen das «Schweigen von Zürich»

Von: Jan Strobel

01. Februar 2018

Zeitsprung: Eine Gruppe linksalternativer Aktivisten besetzte im Juni 1987 eine Liegenschaft im Zentrum von Wiedikon, um gegen die «Stadtzerstörung» und die «aggressive Ruhe» zu kämpfen.

«Unterwegs sein aus sich heraus. Dadurch brechen wir das Schweigen von Zürich. Dass hier alles so ruhig ist. Diese aggressive Ruhe. Das sture Schweigen besser verschweigen. An den Wänden hinter den Fassaden, in den Banken, im Tram und in den Gesichtern. Sie schweigen alle!» Der wirre Wortschwall prangte im Juni 1987 auf einem Transparent an der Fassade eines Eckhauses an der Schmiede Wiedikon, wo es bis anhin zwar keineswegs «aggressiv ruhig», aber dennoch beschaulich zu- und hergegangen war. Bis ebendiese Liegenschaft Probleme zu bereiten begann. Die Immobilienfirma Merkur hatte ihren Plan bekundet, gleich die ganze Häusergruppe abzureissen. An ihrer Stelle sollte ein neuer Wohn-, Büro- und Ladenkomplex entstehen. Dem widersetzten sich die Mieter mit einem Auszugsboykott. 247 Tage hielten sie durch und gaben dann auf. 

Das Kampffeld okkupierte daraufhin die Gruppe «Netz» aus der Hausbesetzerszene, die damals in Zürich gewissermassen eine «Blüte» erlebte. Die «Netz»-Aktivisten hatten sich den Widerstand gegen die «Stadtzerstörung» auf die Fahne geschrieben. Von ihnen stammte auch das besagte Transparent. Nicht Häuser sollten niedergerissen werden, sondern ganz andere Probleme, Hand in Hand «mit Menschen, denen ihre Miete zu hoch ist, denen Tschernobyl noch im Nacken sitzt, die keine Asylanten ausschaffen und Stürms Kampf gegen die Isolationshaft unterstützen» Der Berufskriminelle Walter Stürm wurde in den linksalternativen Kreisen jener Jahre als Held romantisiert, gleichsam als Robin Hood hochstilisiert. 

Am 16. Juni 1987 räumte ein Polizeiaufgebot schliesslich die Liegenschaft. Dabei stiess es auf harten Widerstand der Besetzer. Sie bewarfen die Polizisten mit Farbkübeln und Buttersäure.  Noch am selben Nachmittag begann der Abbruch der Häuser. Heute befindet sich dort ein ziemlich unansehnlich geratener Komplex mit Migros-Filiale. 

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