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Gut zu wissen

Import aus den USA: Vor 70 Jahren liefen Politiker Sturm gegen Bars und die neue Trinkmode der Cocktails. Bild: PD

«Sumpfstätten» und «Fremdkörper»

Von: Isabella Seemann

04. November 2016

Die nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommenden Cocktailbars waren vielen Zürchern äusserst suspekt.

Vor 70 Jahren wehte ein rauer Wind durchs Niederdorf. Die aufkommenden Bars waren vielen Bürgern ein Dorn im Auge. Bislang erhielt man Cocktails fast ausschliesslich in Grandhotels. Nun war die «aus dem Ausland eingeschleppte» neue Form von Alkoholverkaufsstätten für jeden leicht zugänglich. Der Begriff «Bar» komme aus Amerika, wo eine Barriere die Getränke gegen räuberische Zugriffe und das Servierpersonal gegen Messerstiche schützen solle, klärten Zeitungen auf.
Politiker monierten, dass Bars zum Trinken verleiten sowie zwielichtige Gestalten und Dirnen anziehen. 1945 wurden im Kantonsrat die Bars als «Sumpfstätten» und «Fremdkörper im Volk» angeprangert und Barbetreiber als Totengräber der traditionellen Weinschenken verleumdet. «Aus der ursprünglichen Erfrischungsstelle ist eine Animierkneipe geworden.» Gefährlich sei, dass die sittlichen Hemmungen zwischen den Geschlechtern durch Betäubung von Alkoholika gelockert würden.

«Die allerschlimmste Seite der Bar ist ihr Anreiz, den sie auf manch moderne Damen ausübt», mahnte Dr. A. Hartmann, Sekretär des Nationalen Verbandes gegen den Schnaps, in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 3. Juni 1946. Zudem kritisierte er, dass Schnäpse, Milch und Eigelb gemixt, in kleine Gläser abgefüllt und zu unverschämt hohen Preisen serviert würden. Mit der Herstellung solcher Drinks, dem Drucken von Rezeptbüchern und der Durchführung von Mix-Kursen sei man wieder im Mittelalter angelangt, in der Zeit der Alchemie und des Hexenwesens.
Wirtekreise reagierten geharnischt auf diese Kritik. Im Fachblatt der Wirte hiess es, dass viel ungereimtes Zeug über die Bars geschwafelt werde, was die Öffentlichkeit leider glaube.

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