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Gut zu wissen

Leiterwagen werden gelegentlich im Internet angeboten. Bild: ricardo.ch

Transporter mit Zugkraft

Von: Sacha Beuth

04. Februar 2020

In der Serie «Nostalgische Fundstücke» stellt das «Tagblatt» Objekte, Unternehmen oder Berufe vor, die früher eine markante Rolle im Leben der Stadt und ihrer Bürger spielten, nun aber zum Leidwesen vieler verschwunden sind. Heute erinnert sich «Tagblatt»-Leser Eric Kuster (65) an den Leiterwagen.

«Im Keller der Genossenschaftswohnung im Lettenquartier von Wipkingen stand er: unser Leiterwagen! Als mein bester Freund und ich Mitte der 60er Jahre im Letten die Primarschule besuchten, beschlossen wir manchmal an einem freien Mittwochnachmittag, Zeitungen sammeln zu gehen. Wir zerrten den Leiterwagen die Kellertreppe hoch, nahmen einige Jutesäcke mit und zogen los. Rundum klingelten wir bei unseren Nachbarn an und stopften deren alte Zeitungen in unserer Säcke. Waren drei bis vier davon voll, machten wir uns mit unserem schwerbeladenen Leiterwagen auf den Weg zum Altpapierhändler im benachbarten Kreis 5. Wir ratterten mit unserem Gefährt die Kornhausbrücke hinunter, der eine von uns sass hinten drauf. Und weil der andere auch vorne seitwärts mit der Deichsel in der Hand mitfuhr, geschah nicht selten ein Malheur: Der Wagen kippte, wir fielen hinunter und mussten die Säcke wieder mühsam aufladen.

Über den Limmatplatz zogen wir unseren Leiterwagen durch die Langstrassenunterführung und, keuchend oben angekommen, rechts um die Ecke in die Neufrankengasse bis zum Altpapierhändler. Der wog unsere kostbare Fracht sorgfältig ab. Mit den ausgehändigten wenigen Franken und Rappen machten wir uns auf den Heimweg, wo vor der Röntgenstrasse der Kiosk auf uns wartete. Hier kauften wir uns für 50 Rappen einen Schokoriegel und mit dem Rest unseres Lohns das neueste Comicheft – beides Dinge, von denen wir ohne unseren Leiterwagen nur hätten träumen können!»

Einst ein beliebtes Transportmittel, haben Leiterwagen heute Seltenheitswert in Zürich. Vor allem nutzt man sie kaum noch für den eigentlichen Zweck, sondern eher als Dekogestell.

Das «Tagblatt» bedankt sich bei Eric Kuster für seinen Beitrag mit einem original «Tagblatt»-Kugelschreiber von Caran d’Ache und hofft auf weitere Vorschläge für diese Serie (bitte E-Mail senden an: gewinn@tagblattzuerich.ch, Stichwort: Nostalgie).

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