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Interview

"Aktuell gibt es ein Überangebot an Lehrstellen"

Von: Ginger Hebel

14. November 2016

Berufswahl: Am 22. November beginnt die Berufsmesse. Thomas Hess, Geschäftsleiter des Kantonalen Gewerbeverbands Zürich, über die Lehrstellensuche und die Bedeutung der Eltern im Berufswahlprozess.

An der Berufsmesse werden 240 Berufe vorgestellt. Welche erlernen junge Männer und Frauen heute am meisten?

Thomas Hess: Das KV steht auf der Beliebtheitsskala nach wie vor zuoberst, weil es in diesem Bereich auch das grösste Angebot gibt; dieses Jahr waren es 1600 Lehrstellen. Der Detailhandel liegt auf Platz Nummer 2 der abgeschlossenen Lehrverhältnisse. Es gibt aber auch Branchen, die Mühe haben, Lehrlinge zu finden, wie das Baugewerbe oder die Sanitärbranche. Es ist streng, und man möchte sich heutzutage nicht mehr die Hände schmutzig machen.

Eine Zeit lang waren klassische Berufe wie Coiffeur bei der jungen Generation sehr gefragt. Hält dieser Trend weiter an?
2006 stand der Coiffeurberuf noch auf Rang 6, heute auf Rang 15. Es ist nach wie vor eine Geschlechterteilung zu beobachten. Männer interessieren sich eher für den Beruf des Informatikers oder Elektroinstallateurs, Frauen für Berufe im Gesundheitswesen.

Wie schwierig ist es für Jugendliche heute, eine Lehrstelle zu finden?

Der Markt sieht gut aus. Aktuell gibt es sogar ein Überangebot an Lehrstellen, was auf geburtenschwache Jahrgänge zurückzuführen ist. Vor zehn Jahren hatten wir zu viele Lehrlinge und zu wenige Stellen. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, der Berufsberatung und den kantonalen Behörden sind mehr Ausbildungs­plätze entstanden. Der im Jahr 2008 geschaffene Berufsbildungsfonds unterstützt dieses Wachstum, weil Betriebe, die keine Ausbildungsplätze anbieten, zur Kasse gebeten werden zugunsten derjenigen, die ausbilden. Schulische Leistungen sind nach wie vor wichtig, aber auch die Schnupperlehre ist nicht zu unterschätzen. Wer Engagement und Freude zeigt und signalisiert, dass er die Lehrstelle will, hat grössere Chancen, sie zu bekommen. 

Welche Rolle spielen die Eltern bei der Berufswahl?

Eltern und Lehrpersonen haben einen grossen Einfluss auf die Jugendlichen. Es ist wichtig, dass Eltern ihre Kinder im Berufswahlprozess begleiten, aber nicht für sie entscheiden. Die Bewerbungsphase ist oft schwierig, weil man mit Absagen umgehen muss. Es ist gut, wenn Eltern Stabilität ausstrahlen. 

Viele beginnen erst im Erwachsenenalter mit einem Studium.

Lernt man mit zunehmendem Alter leichter?

Leichter nicht. Die Aufnahmefähigkeit ist in der Jugend am grössten. Nach wie vor besteht jedoch der Drang, ins Gymnasium zu gehen. Die Maturitätsquote im Kanton Zürich liegt bei knapp 20 Prozent, und das sollte meiner Meinung nach auch so bleiben. Die Lehre in Verbindung mit einer höheren Berufsbildung oder der Berufsmatura ist meiner Meinung nach oft sogar die bessere Wahl, als zu studieren, wo ein konkretes Berufsbild und Praxis fehlen. 

Berufsmesse, Messe Zürich, Walli­sellenstrasse 49. Hallen 1 und 2. 

22. bis 26.  November: Di bis Fr: 8.30 bis 17 Uhr, Sa: 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.

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