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Interview

Will mit Ihrem Dokfilm über die Hiroshima-Katastrophe auch gegen das Vergessen vorgehen: Die japanisch-zürcherische Regiesseurin Aya Domenig. Bild: PD

«Als hätte die Hölle ihren Schlund geöffnet»

Von: Sacha Beuth

05. Januar 2016

In «Als die Sonne vom Himmel fiel» begibt sich Aya Domenig (43), Zürcher Filmregis­seurin mit japanischen Wurzeln, auf die Spuren ihres Grossvaters, der nach dem Abwurf der Atombombe in Hiroshima als Arzt Verletzte behandelte.

Aya Domenig, morgen startet «Als die Sonne vom Himmel fiel» in den Zürcher Kinos. Weshalb haben Sie einen Dokfilm über die Folgen der Atombombenexplosion in Hiroshima gemacht?

Einerseits, weil mein Grossvater Shigeru Doi dieses welthistorische Ereignis direkt erlebt hat und ich dies schon lange filmisch umsetzen wollte. Andererseits, weil mir immer mehr bewusst wurde, wie wichtig es ist, gegen das Vergessen vorzugehen und auf die Gefahren der Atomenergie aufmerksam zu machen. Sogar in Japan weiss manch ein Jugendlicher nicht mehr, was sich am 6. August 1945 in Hiroshima ereignete.

Shigeru Doi behandelte nach dem Atombombenabwurf 10 Tage lang ununterbrochen Verletzte. Bild: PDWie haben Ihr Grossvater und auch Ihre Grossmutter das schreckliche Ereignis erlebt?

Weil man in Japan gegen Ende des Zweiten Weltkriegs vermutete, dass demnächst auch Hiroshima Ziel einer Bombardierung werden könnte, wurden die Stadtbewohner dazu aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Deswegen zogen meine Grosseltern aufs Land. Mein Grossvater pendelte dann jeweils mit dem Zug in die Stadt zum Rotkreuzspital, wo er als Arzt tätig war. Während meine Grossmutter am 6. August anfangs gar nichts mitbekam, war mein Grossvater auf dem Weg zur Arbeit, als die Bombe einschlug. Der Zug fuhr nicht weiter, sodass er die letzten Kilometer zu Fuss zurücklegen musste. Im Spital hat er dann 10 Tage praktisch ununterbrochen Verletzte behandelt, bevor er wieder zurück aufs Land fuhr, um sich etwas zu erholen.

Nach dem Krieg hat Ihr Grossvater selbst kaum über die Geschehnisse gesprochen. Warum nicht?

Jeder Mensch reagiert anders auf solche Ereignisse. Mein Grossvater war grundsätzlich ein verschlossener Mensch. Er hat wohl – wie übrigens viele Atombombenopfer – versucht, die Sache so gut wie möglich zu verdrängen. Als ich ihn einmal danach fragte, sagte er, das Ganze sei so schrecklich gewesen, dass man es nicht nachvollziehen könne, wenn man es nicht selbst erlebt habe.

Wie schildern die Zeitzeugen, die Sie für Ihren Film befragten, die damalige Situation?

Es sei gewesen, als wäre die Sonne vom Himmel gefallen – darum auch der Titel des Films – und als hätte die Hölle ihren Schlund geöffnet. Überall brannte es, Babys schrien nach ihren Müttern, andere riefen nach Wasser, und Tausende torkelten mit schweren Verbrennungen durch die Strassen und suchten medizinische Hilfe.

Was hat Sie bei Ihrer Recherche vor Ort am meisten beeindruckt?

Wie die Betroffenen die physischen und psychischen Folgen des Atombombenabwurfs gemeistert haben. Wie viel Humor sie trotz all der Schrecken bewahrt haben. Und mit wie viel Energie sie sich daranmachen, aus den Geschehnissen zu lernen, und sich dafür einsetzen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.

«Als die Sonne vom Himmel fiel», läuft ab 7. Januar im Kino Arthouse Piccadilly. Bereits heute Mittwoch, 6. Januar, findet im Arthouse Le Paris um 12.15 Uhr eine Lunchkino-Spezialvorführung mit anschliessendem Publikumsgespräch statt.

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