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Interview

Die Auswilderung der bedrohten Przewalski-Wildpferde ist ein Steckenpferd von Christian Stauffer. Bild: SB

«Als würde man einen alten Baum ausreissen»

Von: Sacha Beuth

04. Juni 2013

Über 20 Jahre stand Christian Stauffer dem Wildnispark Zürich vor. Erst als zoologischer Leiter des damals noch Wildpark Langenberg genannten Tierparks in Langnau am Albis, nach der Umbenennung und dem Zusammenschluss mit dem Sihlwald unter einer Stiftung auch als Geschäftsführer. Unter seiner Regie erhielten unter anderem Braunbären und Füchse ein artgerechtes Zuhause. Mit dem «Tagblatt» blickt der 53-Jährige auf sein Wirken zurück und erzählt auch von seinen Aufgaben, die als neuer Chef des Netzwerks Schweizer Pärke ab Ende Oktober auf ihn zukommen.

Tagblatt der Stadt Zürich: Christian Stauffer, der Tag des Abschieds naht. Wie fühlen Sie sich beim Gedanken daran?

Christian Stauffer: Der Abschied fällt mir nicht leicht. Es ist, als würde man einen alten Baum ausreissen. Den schwierigsten Moment habe ich zum Glück schon hinter mir. Das war, als ich meinem Team meinen Entschluss mitteilte. Wir hatten eine super Zeit miteinander, haben viel bewegt, viel umsetzen können, und ich denke, am letzten Tag wird wohl die eine oder andere Abschiedsträne fallen – sowohl bei mir wie beim einen oder ­anderen Teammitglied.

Was war Ihr schönstes oder denkwürdigstes Erlebnis während Ihrer Zeit als Wildnispark-Chef?

Stauffer: Es gab viele schöne Momente. Das intensivste Erlebnis war sicher die Begleitung eines Przewalski-Wild­pferde-Transports mit 14 Tieren in die Mongolei zwecks Auswilderung. Das war für mich eine enorme nervliche Be­lastung. Umso befreiender war dann der Moment, als das letzte Tier gesund und munter ausgeladen werden konnte. Ebenfalls in Erinnerung ­bleiben wird mir die Eröffnung der Braunbärenanlage im Wildnispark, auch wenn sich die Bären ausge­rechnet an diesem Tag rarmachten und erst sehr spät kurz zeigten (schmunzelt).

Auf welche Massnahme sind Sie besonders stolz?

Stauffer: Auf die neue Fuchsanlage. Diese Tiere sind in Gefangenschaft nur schwer artgerecht zu halten. Da ist uns etwas gelungen, woran sogar renommiertere Zoos und Tierparks ­gescheitert sind.

Und was konnten Sie nicht oder nicht mehr umsetzen?

Stauffer: Bezüglich des Sihlwalds hat es leider nicht mehr für eine Abklassierung der Sihltalstrasse gereicht. Diese ist nach wie vor der grösste Stör­faktor für einen echten Naturraum. Vom Langenberg aus hätte ich gerne die ­Wiederansiedlung des Wisents in der Schweiz mitrealisiert. Ich hoffe wenigstens, dass dies noch zu meinen ­Lebzeiten geschieht und diese Wildrinder wieder durch unsere Wälder wandern.

Zoodirektor und oberster Wildnis­hüter in Personalunion – welche Funktion hat Ihnen mehr zugesagt?

Stauffer: Beide gleichermassen. Ich bin weder der grosse Tiergärtner noch der detaillierte Naturschützer. Aber ich finde das Spannungsfeld zwischen der Natur und dem Naturerlebnis, welches eine solche Aufgabe mit sich bringt, ungeheuer interessant. Der Reiz bestand für mich darin, eine gute Balance zwischen den ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten zu finden.

Zu diesem Spannungsfeld gehört auch der Umstand, dass Sie teilweise auch überzählige oder sehr alte Tiere töten lassen müssen. Wie gehen Sie damit um?

Stauffer: Wir machen uns in solchen Fällen die Sache nicht leicht. Und es belastet einen immer. Andererseits bin ich überzeugt, dass wir grundsätzlich richtig handeln. Hat ein Tier alters­bedingt starke Gebrechen oder muss es von seinem Verband – etwa wegen Rangordnungskämpfen – getrennt werden und kann in keinem anderen Zoo artgerecht untergebracht werden, dann ist das Einschläfern oft die natürlichste Massnahme. Wichtig ist allerdings, dass man dies verständlich und direkt kommuniziert. Vergessen wir nicht, dass solche Tiere meist auch in der Natur dem Tod geweiht wären.

Auf der positiven Seite ist der Umstand, dass Tiergärten durch Zucht zur Arterhaltung und Wiederauswilderung beitragen können. Müsste sich der Wildnispark angesichts seiner Grösse nicht um mehr als nur um 18 Tierarten kümmern?

Stauffer: Weniger ist manchmal mehr. Die Schaffung möglichst naturnaher Haltungsbedingungen kombiniert mit dem Anspruch, dem Besucher ein Naherlebnis zu bieten, sowie die Mitarbeit bei Zucht- und Wiederaussiedlungsprojekten beansprucht enorme Ressourcen. Aus diesem Grund haben wir seinerzeit auch davon abgesehen, eine Anlage für die hochbedrohten Bartgeier zu bauen.

Wie sieht die Zukunft des Wildnisparks Zürich aus?

Stauffer: Von der Grundidee will der Park den Kontrast zwischen urbanem und natürlichem Lebensraum aufzeigen. Daran muss man weiter feilen. Man muss ein Naturerlebnis schaffen, das die Menschen berührt. Sie sollen mittendrin sein statt nur dabei. Ein Beispiel ist schon heute die begehbare Wildschweinanlage im Langenberg. Und für den Sihlwald ist es wichtig, dass der besondere Wert dieses Waldes der Bevölkerung bewusster gemacht wird und Naturschutzbestimmungen auf die wichtigen und wirkungsvollen konzentriert werden.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre neue Aufgabe gesteckt?

Stauffer: Es gibt in der Schweiz drei Parkkategorien – den regionalen Naturparks, den Naturerlebnispark und den Nationalpark mit der höchsten Schutzstufe. Doch während die erstgenannte Kategorie zahlreich vertreten ist, gibt es bei uns nur einen Nationalpark und einen Naturerlebnispark. Das ist ein ganz schwaches Bild, wenn man bedenkt, dass viele Drittweltländer mehrere Nationalparks vorweisen und die Schweiz einst Vorreiterin in Sachen Naturschutz war. Mein Ziel ist es nun, mich für langfristige – vorab ökonomische – Perspektiven für weitere Naturerlebnisparks und Nationalparks einzusetzen. Die dafür nötigen Gespräche mit den politischen Instanzen werden eine zähe Sache. Aber ich freue mich darauf, denn ich bin auch zäh.

www.wildnispark.ch

Zur Person:

Geboren: 8. April 1960 in Aarau.

Ausbildung: 1981–1987: Zoologie-Studium Uni Zürich. 2001–2005: MBA für Non-Profit-Organisationen Uni Freiburg.

Karriere: Nach seinem Studium betreute Christian Stauffer diverse Freiland-Projekte mit Steinböcken und Gämsen. 1992 wird er Zoologischer Leiter des Wildparks Langenberg in Langnau am Albis, 2001 wird ihm zudem die Verantwortung über den Sihlwald übertragen. Seit dem 1. 1. 2009 ist er Geschäftsführer der Stiftung Wildnispark Zürich.

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