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Interview

Kern des Energiegesetzes: der Ersatz von Öl- und Gasheizungen. Bild: adobestock

Alternativlose Notwendigkeit oder Bürokratiemonster?

Von: Sacha Beuth

18. Oktober 2021

Urnengang: Am 28. November entscheidet das Stimmvolk des Kantons Zürich über das vom HEV eingereichte Referendum gegen die Änderung des Energiegesetzes. Die Änderung beinhaltet, dass Öl- und Gasheizungen am Ende ihrer Lebensdauer durch klimaneutrale Heizungen ersetzt werden müssen. Im Vorfeld des Urnengangs hat das «Tagblatt» Jacqueline Badran (59), SP-Nationalrätin und Geschäftsführerin eines Web-Dienstleisters und Ueli Bamert (42), SVP-Kantonsrat und Swissoil-Geschäftsführer, zu einem Rededuell geladen. Badran wirbt für ein Ja, da die Änderung dringend nötig und alternativlos sei. Bamert setzt sich wegen der Kosten und des bürokratischen Mehraufwands für ein Nein ein. 

Das Energiegesetz gilt als wichtiges Mittel, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Gibt es hierfür keine Alternative?

Jacqueline Badran: Nein. Der Ausstieg vom Erdöl wird von uns schon seit ungefähr 50 Jahren gefordert und ist alternativlos. Nicht nur aus Umwelt- und Klimaschutzgründen, sondern auch wegen der finanziellen Abhängigkeit vom Ausland.

Ueli Bamert: Wir sind bereits auf dem Weg, uns vom Erdöl zu lösen. Gerade die Gebäudebesitzer machen hier schon sehr viel auf freiwilliger Basis, wenn sie es sich leisten können und wo es technisch Sinn macht. Der CO₂-Ausstoss im Gebäudebereich ist seit 1990 um rund 34 Prozent gesunken, obwohl seither etwa zwei Millionen Menschen mehr in der Schweiz leben. Insofern braucht es dieses Gesetz schlicht nicht.

Badran: Das wäre zu schön. Nur ist es leider so, dass die 40 Prozent der Heizungen, die ihren Lebenszyklus erreicht haben, durch fossile Heizungen ersetzt werden.

Bamert: Das hat den einfachen Grund, dass es sich eben nicht in jedem Haus rechnet, eine nichtfossile Heizung einzubauen. Zudem macht es auch technisch nicht immer Sinn. Gerade in älteren Häusern kann man nicht einfach eine Wärmepumpe einbauen. Man kann auch nicht überall bohren für eine Erdsonde.

Badran: Das würde ich nicht einmal abstreiten, dass das nicht in jedem Fall geht. Und genau deshalb hat es im Gesetz sowohl eine Härtefallklausel als auch eine Kostenklausel mit den maximal fünf Prozent Mehrkosten, die ein Wechsel von einer Öl- oder Gasheizung zu einer nichtfossilen Heizung mit sich bringen darf. Es ist also ein sehr, sehr mildes Gesetz, das aus meiner Sicht ruhig hätte schärfer sein können.

Ausser der SVP sind alle Parteien für das revidierte Gesetz. Selbst Kantonsrat und Regierungsrat – beide bürgerlich dominiert – empfehlen ein Ja. Ein deutliches Zeichen, dass die Vorteile der Vorlage überwiegen?

Bamert: Nein. Hier ist die gleiche Gemengelage am Werk, die schon gegen das CO₂-Gesetz war – und dann eine Niederlage einstecken musste. Ich bedaure, dass die FDP eingeknickt ist und damals wie heute gegen ihre Basis arbeitet. Zudem würde ich nicht sagen, dass der Kantonsrat bürgerlich dominiert ist. Es gibt diese Klimaallianz, die Mitte-inks ist, und die haben das Gesetz durchgedrückt.

Badran: Das ist eine abstruse Behauptung. Man kann nach Glarus schauen. Dort hat die – durchaus nicht linke – Landsgemeinde einen Vorschlag der Regierung zur Umsetzung des Energiegesetzes korrigiert und verschärft. Nun muss im Falle eines Ersatzes von Öl- und Gasheizungen zwingend eine fossilfreie Heizung eingebaut werden. Und das per sofort.

Bamert: Ich halte dies für keinen guten Entscheid, wenn ein Liegenschaftenbesitzer einfach gezwungen wird, umzusteigen. Aber lassen Sie uns auf den Kanton Zürich zurückkommen, wo die Gesetzes-Vorlage glücklicherweise weniger scharf ist. Nichtsdestotrotz ist es ein riesiges Bürokratiemonster. Wenn ich eine neue Heizung benötige, dann muss erst einmal ein Beamter zu mir nach Hause kommen. Der schaut sich das Haus einmal an. Dann fängt er an zu rechnen und wenn er dann zum Schluss kommt, dass man doch wieder eine fossile Heizung einbauen darf, dann muss man dennoch zehn Prozent des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien decken. Das heisst, es wird so oder so zu massiven Mehrkosten führen.

Greifen wir das Stichwort Mehrkosten gleich auf: Bei vielen Mieterinnen und Mietern ist die Befürchtung gross, dass durch den Ersatz von Öl- und Gasheizungen, welche das Energiegesetz vorsieht, die Mieten noch weiter steigen werden. Zu Recht?

Badran: Die Mieten werden dann steigen, wenn die Vermieter – wie sie das ohnehin ständig tun – gegen das Gesetz die Mieten erhöhen. Ansonsten wird es sogar billiger. Das Problem ist, dass es einen Anreiz gibt für Totalsanierungen, also keine Sanierung im bewohnten Zustand. Das basiert einerseits auf bestimmten Vorgaben des Energiegesetzes des Bundes, über das wir 2017 abgestimmt haben. Dieses sieht vor, dass die Kosten für eine energetische Sanierung über die Dauer von drei Jahren und nicht nur für eine Steuerperiode von den Steuern abgezogen werden können. Da wurde schon etwas falsch gemacht. Andererseits rät der HEV in seiner Publikation «Der Zürcher Hauseigentümer» seinen Mitgliedern zu sanieren, damit sie hinterher, wenn sie die Mieter rausgeworfen haben, die Mieten erhöhen und mehr Rendite holen können. Aber wir haben ein Gesetz, das die Rendite deckelt und das sagt: Die Rendite darf nicht mehr als ein halbes Prozent über dem Referenzzinssatz liegen, das sind zurzeit 1,75 Prozent. Nur: Dieses gute Mietrecht wird nicht durchgesetzt. Dass wir diese Situation haben, hat jedoch nichts mit der Änderung des kantonalen Energiegesetzes zu tun. Die falschen Anreize bestehen bereits.

Wie sehen dies die Gegner der Energiegesetz-Änderung?

Bamert: Da brauche ich nur noch wenig zu ergänzen. Stellen wir uns einfach einmal vor, man hat ein Haus und man will heute eine neue Öl- oder Gasheizung einbauen. Das kostet dann 15 000 bis 20 000 Franken und das Problem ist gelöst. Wenn ich die alte Heizung aber mit einer nicht-fossilen Heizung ersetzen will, kostet es mich doppelt oder dreimal so viel. Okay. Aber was, wenn sich mein Haus nicht für ein klimaneutrales Heizsystem eignet? Dann muss ich ja anfangen zu sanieren. Dann muss ich beispielsweise eine Bodenheizung einbauen. Wenn das Haus keine Bodenheizung hat, dann kann ich kein Heizsystem mit erneuerbarer Energie einbauen. Und dann nehme ich sehr viel Geld in die Hand und im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung ist es dann sinnvoll, gleich das ganze Haus sanieren zu lassen. Und ja, dann müssen meist die Mieten – absolut gesetzeskonform – erhöht werden.

Badran: Von wegen, so kann nur ein Öllobbyist reden. Eine Raiffeisen-Studie hat festgestellt, dass den Mietern gegenüber dem gesetzlichen Pfad insgesamt 14 Milliarden zu viel aus der Tasche gezogen werden. Punkt.

Aber wird es nun wegen des neuen Gesetzes vermehrt zu Leerkündigungen kommen?

Bamert:
Es wird unweigerlich Leer- kündigungen zur Folge haben. Davon werden ganz besonders Leute in besonders günstigen Wohnungen betroffen sein.

Badran: Nein. Dieses Gesetz schafft definitiv keinen zusätzlichen Anreiz für Leerkündigungen.

Die meisten Liegenschaftenbesitzer sind ebenfalls nicht begeistert von der Vorlage, sind es doch sie, die zuerst einmal die Investition für ein neues Heizsystem aufwenden müssen. Andererseits reduzieren sich danach die Unterhalts- und meist die Energiekosten und unter Umständen kann man beim Ersatz sogar von Förderbeiträgen profitieren.Wo also ist das Problem?

Badran:
Eben. Abgesehen davon müssen auch die Immobilieneigentümer ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aber wir sollten uns hier nicht im Klein-Klein verlieren. Die entscheidende Frage ist: Machen wir uns auf den Weg in eine Fossilenergie-freie Zukunft, wie wir das schon seit Jahrzehnten hätten tun sollen oder tun wir das nicht?

Bamert: Es stimmt, dass in den meisten Fällen die Energiekosten sinken würden. Das Problem hier ist jedoch, dass sich diese Anfangsinvestition, die mehrere zehntausend Franken betragen kann, nicht alle Liegenschaftenbesitzer leisten können. Und bezüglich CO₂-Ausstieg machen wir wie gesagt schon mehr als genug, obwohl es angesichts der weltweiten Emissionen nur ein Tropfen auf den heissen Stein ist und somit mehr das Gewissen beruhigt, als dass es dem Klima nützt.

Zusammengefasst in zwei, drei Sätzen: Warum muss das revidierte Energiegesetz unbedingt angenommen beziehungsweise zwingend abgelehnt werden?

Bamert: Man muss es ablehnen, weil es den Bürger maximal in allen Belangen bevormundet, weil es zu zahlreichen Härtefällen führen wird. Und weil es zu zahlreichen Leerkündigungen und somit zum Verlust von günstigem Wohnraum führen wird.

Badran: Man muss es annehmen, weil es uns sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich aus der Ölabhängigkeit bringt. Und das ist dringend notwendig.

 

Ausgangslage:
Um die Folgen der Klimakrise – Hitzewellen, Dürren, Hochwasser und Stürme – einzugrenzen, braucht es wirksame und rasche Massnahmen. Ansetzen will der Kanton bei der fossilen Heizenergie als einem der grössten Treiber der Klimaerwärmung. Im Kanton Zürich sind rund 120 000 Öl- und Gasheizungen in Betrieb, die 40 Prozent der CO₂-Emissionen verursachen. Zudem wird mehr als jede zweite mit fossiler Energie betriebene Heizung wiederum mit einer solchen ersetzt, was mit ein Grund ist, weshalb der Kanton Zürich seine Klimaziele bislang nicht erreicht hat. Die «Änderung des Energiegesetzes für die Umsetzung der Muster-
vorschriften der Kantone im Energiebereich 2014 (MuKEn 2014)» sieht vor, dass eben diese Öl- und Gasheizungen am Ende ihrer Lebensdauer durch klimaneutrale Heizungen (zum Beispiel Wärmepumpen, Fernwärme oder Holzheizungen) ersetzt werden müssen. Gegen diese vom Kantonsrat beschlossene Umsetzungsvorlage hat der Hauseigentümerverband HEV das Referendum ergriffen, weshalb am 28. November die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Zürich darüber entscheiden.

Die Vorlage zusammengefasst / geplante Umsetzung

Die Vorlage will dem Umstieg auf klimaneutrale Heizsysteme forcieren. Ein solcher Umstieg ist aber nur dann verpflichtend, wenn er technisch möglich und finanziell tragbar ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Kosten über die ge-
samte Lebensdauer nicht mehr als fünf Prozent höher sind, als wenn eine neue Öl- oder Gasheizung eingebaut wird. Ansonsten darf wieder eine solche einge-
baut werden. Allerdings sind in diesem Fall entweder punktuelle Energieeffizienzmassnahmen am Haus umzusetzen oder zehn Prozent des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Weiter ist eine Härtefallregelung für Hauseigentümer vorgesehen, wenn sie die Investitionskosten für ein klimaneutrales Heizsystem nicht tragen können. Diese beinhaltet einen Aufschub der Umstiegspflicht bis nach dem nächsten Eigentümerwechsel. Damit soll sichergestellt werden, dass niemand sein selbst bewohntes Haus veräussern muss, weil er die Kosten des Umstiegs nicht finanzieren kann. Die Vorlage sieht ausserdem vor, dass bei Neubauten ein Teil des Energiebedarfs selbst erzeugt wird, etwa durch Solarpanels. Die Regelungen gälten bei Annahme der Vorlage ab dem 1.1.2022.

Das sagen die Befürworter:
Kantons- und Regierungsrat sowie alle grösseren Parteien ausser der SVP befür-
worten das revidierte Energiegesetz. Es bringe nicht nur die nötigen verbindlichen Regeln für den Ersatz von Heizungen, die mit fossiler Energie betrieben werden, sondern leiste zudem einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz, schaffe Arbeits-
plätze und reduziere die Abhängigkeit von erdöl- und gasexportierenden Ländern.

Das sagen die Gegner:
Das Referendumskomitee unter Führung des HEV Kanton Zürich und der SVP hält die Vorlage für unnötig und falsch. So seien die CO₂-Emissionen im Gebäudebereich auch ohne das Gesetz von 1990 bis 2019 um 34 Prozent gesunken. Statt Liegenschaftenbesitzer zu zwingen, ihre Öl- und Gasheizungen zu ersetzen und Photovoltaik-Anlagen zu montieren, sollte man stattdessen weiter auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit setzen. SB

 

 

 

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