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Interview

Tödlicher Rauch: Aromastoffe in Zigaretten verhindern, dass wir giftige Substanzen erkennen. Bild: iStock

Aromastoffe überdecken die Gefahr von Tabakrauch

Von: Sacha Beuth

30. Juni 2020

Aroma- und Zusatzstoffe in Tabakprodukten sollen gemäss einer am 17. Juni im Nationalrat eingereichten Motion verboten werden. In Zürich kommt das Vorhaben unterschiedlich an (siehe Box unten). Für Experte Reto Auer (42) dagegen ist klar, dass ein Verbot der richtige Weg ist – selbst wenn Aromastoffe bei der Raucherentwöhnung helfen können.

Tabakprodukte können mehrere hundert Zusatz- und / oder Aromastoffe enthalten. Warum werden diese Stoffe überhaupt den Tabakprodukten zugefügt?

Reto Auer: Um neue Kunden für die Tabakindustrie zu finden. Der Einstieg von Jugendlichen in den Tabakkonsum und die Nikotinabhängigkeit ist vital für die Tabakindustrie. Jeder zweite Raucher beziehungsweise Raucherin stirbt langfristig am Tabakkonsum. Also wenn alle diese sterben, muss die Industrie diese mit neuen Kunden ersetzen. Weil aber das Rauchen von Tabak beim ersten Mal Überwindung braucht – es riecht nicht angenehm und löst oft Husten und / oder Übelkeit aus – versucht man, diese Erfahrung mit Aromastoffen «schmackhafter» zu machen.

Welche Wirkung haben diese Stoffe bezüglich Gesundheitsschäden und Suchtwirkung?

Es gibt gewisse Vanille- und Zimtaromen, die eine gesundheitsschädliche Wirkung haben können. Diese fallen jedoch kaum ins Gewicht. Die schweren Schäden wie Lungenkrebs und Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD) verursacht der verbrannte Tabak selbst beziehungsweise die in ihm enthaltenen Substanzen. Aber gewisse Aroma- und Zusatzstoffe unterstützen die schädliche Wirkung. Zum Beispiel Menthol. Es überdeckt die rauchinduzierte Reizung im Hals und öffnet die Atemwege, wodurch das stark süchtig machende Nikotin noch schneller im Hirn landet. Somit gelangen toxische Substanzen tiefer in die Lunge und der Rauchstopp wird erschwert.

Ist die diesbezügliche Wirkung bei den verschiedenen Tabakprodukten unterschiedlich? Sind Aromastoffe beispielsweise in einer Zigarre schädlicher als in einer Shisha?

Nein, Aroma- und Zusatzstoffe spielen hier wie gesagt kaum eine Rolle. Und bezüglich Tabakrauch lässt sich sagen: Grundsätzlich ist der Rauch aus einer Shisha genauso gefährlich wie der Rauch herkömmlicher Zigaretten. Entscheidend ist die Menge, also wie viel man pro Tag raucht.

Können Aroma- und / oder Zusatzstoffe auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit oder / und das Rauchverhalten haben?

Das ist in ganz wenigen Fällen tatsächlich möglich. So helfen Menthol oder Früchte-Geschmacksnoten in nikotinhaltigen Kaugummis beim Ausstieg aus dem Tabakkonsum. In den tabakfreien E-Dampfern (E-Zigaretten) zum Rauchstopp möglicherweise auch. In Zigaretten und Zigarren haben Aromas jedoch keinen positiven Effekt. Im Gegenteil: Sie hindern unsere Sensoren, die giftigen Substanzen zu erkennen.

In der EU sind Aromastoffe inklusive Menthol seit dem 20. Mai vollständig verboten. Müsste die Schweiz da nicht nachziehen?

Unbedingt. Die Schweiz ist weltweit eine rote Ampel beim Einsetzen von Schutzmassnahmen für die Bevölkerung, insbesondere was Massnahmen zum Schutz der Jugendlichen vor den Strategien der Tabakindustrie anbelangt. Wenn wir wirklich und ehrlich den Anteil der Rauchenden und vor allem die Zahl in den Rauchkonsum einsteigender Jugendlicher senken wollen, ist ein Aromaverbot in Tabakzigaretten ein wichtiger Schritt.

Tabakfirmen werben mit dem einzigartigen Geschmack ihrer jeweiligen Produkte. Wie soll das gehen, wenn Aromastoffe verboten werden beziehungsweise sind?

Die Tabakfirmen hätten immer noch die Möglichkeit, bei der Verarbeitung des Tabaks den jeweiligen Geschmack zu verändern.

Vor dem Verbot für Aromastoffe war immer wieder ein Verbot für Tabakwerbung ein Thema. Sind solche Verbote zielführend oder braucht es andere Massnahmen, damit Jugendliche nicht mit dem Rauchen beginnen?

Ein generelles Werbeverbot ist – neben einer deutlichen Erhöhung der Tabaksteuer – die effektivste Methode, um zu verhindern, dass Jugendliche in den Tabakkonsum einsteigen. Jugendliche reagieren ganz stark auf Werbung. Sie fangen an zu rauchen, um ihren Freunden oder Influencern nachzueifern. Auf Infos über langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit reagieren sie dagegen nur wenig. Das weiss die Industrie. Deswegen bekämpft sie ein mögliches Werbeverbot viel stärker als Informationen über die Schäden von Zigaretten.

Zürcher Stimmen zum angestrebten Verbot von Aroma- und Zusatzstoffen in Tabakprodukten

«Sollte die Motion angenommen und umgesetzt werden, ist das das Aus für die herkömmlichen Shisha-Bars in Zürich. Wie die anderen Betreiber hoffe darum auch ich, dass es nicht zu einem Verbot kommen wird. Aber wenn man sieht, dass in Österreich mit dem 2019 eingeführten Tabakrauchverbot in Gaststätten auch das Shisha-Rauchen und in der EU Aromastoffe in Tabakprodukten verboten wurden, wird sich diese Hoffnung wohl nicht erfüllen. Jedenfalls habe ich mir schon eine Alternative überlegt. Die Wasserpfeifen würden dann statt mit Tabak mit einem liquiden Ersatzprodukt bestückt. Statt geraucht, wird dann gedampft.»
Ali Türkkan, Besitzer der Leeward Shisa Bar an der Langstrasse 65.

«Aromatisierte Tabakprodukte sind für Einsteiger – überwiegend Jugendliche – sehr attraktiv. Wer mit dem Rauchen beginnt, muss sich normalerweise überwinden, den Rauch in die Lunge zu inhalieren. Mit den Aromastoffen riecht es aber fein und man ist eher bereit, ein Tabakprodukt zu probieren. Das im Tabak enthaltene Nikotin ist eine der am stärksten abhängig machenden Substanzen auf dieser Welt. Pro Jahr sterben in der Schweiz 9600 Personen an den Folgen des Tabakkonsums – nicht selten sehr qualvoll. Darum halten wir es für eine gute Massnahme, die Aromatisierung zu verbieten.»
Domenic Schnoz, Leiter Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs.

«Lunge Zürich begrüsst die Motion für ein Verbot von Tabakaromen und -zusatzstoffen. Diese Stoffe überdecken nicht nur den Eigengeschmack des Tabaks, sondern erhöhen auch die Suchtwirkung und erleichtern das Inhalieren beziehungsweise die Nikotinaufnahme. Zudem sorgen Aromen in Tabak- und Nikotinprodukten dafür, dass Jugendliche das Gesundheitsrisiko unterschätzen.»
Sandra Catuogno, Leiterin Gesundheitsförderung und Prävention Lunge Zürich.

 

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