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Interview

Aufbruch statt Alterskrise

Von: Ginger Hebel

28. September 2021

Comedy: Chrissi Sokoll ist verheiratet, hat drei Kinder und wird bald 50. Jetzt steht sie mit ihrem humoristischen Programm «Midlife-Chrissi» auf der Bühne und verrät, warum Sinneskrisen ihren Sinn haben. 

Chrissi Sokoll (Musicaldarstellerin «Space Dream», «Melissa» und Ex- Mitglied des Comedy-Quartetts Peperonis) beschäftigt sich mit den Fragen, die sich viele um die 50 stellen: Wars das jetzt? Oder kommt noch was? Nach dem erfolgreichen Start ihrer Solo-Comedy-Karriere 2017 mit «Alles beschtens! – Frau. Mutter. Rampensau.» steht sie nun mit ihrem zweiten Programm «Midlife-Chrissi – Jetzt erst recht!» auf der Bühne. Sie lässt kein Thema unberührt: weder ihre pubertierenden Kinder noch den schnarchenden Mann oder peinlich endende Clubbesuche. Mit ihrer Liveband verwandelt sie den Abend in ein Comedy-Konzert.

Sie feierten gerade mit Ihrem neuen Programm «Midlife-Chrissi» Premiere. Sind Sie zufrieden mit sich?

Oft fängt bei einer Premiere die Arbeit erst an, wenn man sieht, wie das Publikum auf einen reagiert. Ich bin die Meisterin der Selbstkritik, aber dieses Mal war alles im Fluss. Dabei war dieses Programm wirklich eine harte Geburt. Ich wollte alles noch besser machen und dachte, ich sei nicht gut genug. Umso dankbarer bin ich, dass es bei den Zuschauern ankommt.

Sie reden auf der Bühne schonungslos offen über die Herausforderungen in der Lebensmitte. Stecken Sie selber in dieser Midlife-Krise?

Ich bin ehrlich: Auch ich hatte diese Sinneskrise, wo ich mir überlegte: Wars das jetzt? Was will ich noch? Ich weiss aber, dass ich nicht die Einzige bin, die sich solche Gedanken macht. Hinzu kommen mit den Jahren auch optische Dinge, die einen stören wie Winkearme, Hallux, Cellulite. Ich habe mich lange dafür geschämt, heute muss ich darüber lachen und spreche offen darüber. Es geht ja vielen Frauen genau gleich.

Das Klischee: Männer kaufen sich mit 50 ein schnelles Auto, suchen sich eine junge Freundin und die gleichaltrigen Frauen bleiben auf der Strecke und werden unsichtbar. Wie erleben Sie das?

Frauen machen wie Männer Krisen durch. Die Frage ist, wie wir damit umgehen und was wir daraus lernen. Viele Frauen suchen Bestätigung von aussen, unterziehen sich Schönheitsoperationen, kleiden sich jugendlich und lassen sich Tattoos stechen, weil sie mithalten wollen. Das ist alles in Ordnung, solange man es wirklich will. Auch ich hatte Selbstzweifel. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, denn Verdrängen ist das Schlimmste. Aus diesem Entwicklungsprozess ist auch das neue Comedy-Programm entstanden.

Welche Vorteile bringt das Älterwerden?

Als bald 50-jährige Frau habe ich ein gutes Selbstwertgefühl. Ich bin in meinem Leben durch viele Krisen gegangen, musste einige schlimme Schicksalsschläge akzeptieren. Das sind Einschnitte im Leben, die einen verändern, aber auch wachsen lassen. Ich habe heute nicht mehr den Druck, etwas beweisen zu müssen; das ist befreiend. Aber ich merke das Alter körperlich. Wenn ich den ganzen Tag arbeite und abends noch auf der Bühne stehe, dann würde ich mir schon wünschen, ich hätte tagsüber Zeit für ein Nickerchen. Zehn Jahre jünger, mit dem Wissen und der Einstellung von heute, dazu würde ich nicht nein sagen.

Sie haben drei Kinder und starten mit dem Comedy-Programm durch. Wie vereinen Sie diese Welten?


Nach acht Jahren als Hausfrau und Mutter ging ich zurück auf die Bühne, aus Freude an der Comedy und am Gesang, aber auch, um meinen Beitrag für die Familienkasse zu leisten. Ich arbeite als Musiklehrerin und Comedian. Mein erstes Solo-Programm schrieb ich in der Windelwechsel- und Nuggiphase, das zweite zwischen Hausaufgaben und Kochen. Ich bin kreativ auf Knopfdruck. Ohne die Unterstützung meines Mannes würde ich das nicht schaffen.

Die Künstler-Branche hat stark unter der Pandemie gelitten. Sie auch?

Die Kleinkunst fällt bei den Unterstützungsgeldern durch die Maschen. Ich musste meine Programme aus privater Kasse finanzieren. Vier Jahre seit meinem Comeback verdiene ich immer noch nicht, weil die Gage in die Amortisation der Produktionskosten des alten und aktuellen Programmes fliesst. Es ist ein ewiger Kampf. Aber auch diese Krise hat rückblickend ihre guten Seiten. Im Lockdown habe ich angefangen zu meditieren, das hat mich gestärkt. Ich kann heute zu meinem Spiegelbild sagen: Du bist wertvoll und ich bin stolz auf dich.

«Midlife-Chrissi», 8./9. Nov.: Theater Hechtplatz, Zürich; 13. Dez.: Bernhard Theater. Mehr Daten: www.chrissisokoll.ch www.chrissisokoll.ch

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Das «Tagblatt» verlost 2 × 2 Tickets für «Midlife-Chrissi» am 8. Nov., 19.30 Uhr, Theater Hechtplatz. Schreiben Sie uns eine Mail mit Namen, Adresse, Telefonnummer und dem Betreff Midlife-Chrissi an gewinn@tagblattzuerich.ch

 

 

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