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Interview

«Bei Misshandlung nicht wegschauen»

Von: Isabella Seemann

27. Dezember 2016

Tier im Recht (TIR) untersuchte 2015 im Kanton Zürich 405 Straf­verfahren wegen Tierschutzdelikten, fast 70 mehr als im Vorjahr. Das sei positiv zu werten, findet Andreas Rüttimann.

Sie kämpfen seit Jahren für die Rechte von Tieren. Warum?

Andreas Rüttimann: Weil in diesem Bereich noch sehr viele Missstände bestehen. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung sind auch in der Schweiz zahlreiche Formen des Umgangs mit Tieren erlaubt, die dem tierschutzrechtlichen Grundsatz, wonach die Würde und das Wohlergehen der Tiere zu schützen ist, klar zuwiderlaufen. Zudem ist der Vollzug des Tierschutzrechts äusserst mangelhaft.

Wie sieht ein typischer Fall in Zürich aus?

Das ist schwer zu beantworten, da sich die allermeisten Verstösse hinter verschlossenen Wohnungstüren ereignen und deshalb nie entdeckt werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass sehr viele Tiere tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen ausgesetzt sind, etwa indem sie in zu kleinen oder unangemessen eingerichteten Unterkünften beziehungsweise Gehegen untergebracht sind, nicht über genügend Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten verfügen oder nicht angemessen gefüttert werden.

Welche Besonderheiten stellten Sie bei Ihrer Untersuchungen zu den Tierschutzdelikten in Zürich fest?

In Zürich funktioniert der strafrechtliche Vollzug des Tierschutzgesetzes verglichen mit vielen anderen Kantonen relativ gut. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass hier spezielle Strukturen bestehen. So hat das Veterinäramt die Möglichkeit, in Strafverfahren als Vertreter der betroffenen Tiere Parteirechte wahrzunehmen. Zudem verfügt die Kantonspolizei über eine ­Spezialabteilung Tier-/Umweltschutz. Selbstverständlich gibt es aber auch in Zürich noch Verbesserungspotenzial.

Kommen Täter, die gegen das Tierschutzgesetz verstossen, generell zu glimpflich davon?

Ja, definitiv. Obwohl für Tier­quälereien Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren ausgesprochen werden können, werden selbst schwere Tierschutzverstösse meist nur mit einer bedingten Geldstrafe kombiniert mit einer Busse geahndet. Solch tiefe Strafen werden weder dem Leid der Tiere gerecht, noch vermögen sie eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Tierquäler zu entfalten.

Gibt es eigentlich auch im Bereich des Tierrechts populäre Rechtsirrtümer?

Ja, viele. Insbesondere in Bezug auf die Nutztierhaltung haben viele Schweizer romantisierte Vorstellungen. Vielfach wird angenommen, dass sämtliche Tiere von Gesetzes wegen Auslauf erhalten müssen. Dem ist aber nicht so. Weder bei der Haltung von Schweinen oder Hühnern noch bei jener von im Laufstall untergebrachten Rindern ist das Gewähren von Auslauf im Freien gesetzlich vorgeschrieben.

Was soll man tun, wenn man beobachtet, dass ein Tier misshandelt oder vernachlässigt wird?

Da sich die Tiere nicht selber wehren können, ist es wichtig, nicht einfach wegzuschauen. Je nach Situation kann es bereits helfen, das Gespräch mit dem Tierhalter zu suchen. Andernfalls sollte man das kantonale Veterinäramt oder die Polizei verständigen.

Weitere Infos: Stiftung für das Tier im Recht: www.tierimrecht.org

Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz: www.susyutzinger.ch

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