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Interview

«Es genügt ein Augenkontakt, und wir wissen, was der andere denkt»: Ehepaar Ancillo und Heliane Canepa. Bild: Nicolas Y. Aebi

Das erste Date im Letzigrund

Von: Isabella Seemann

31. Juli 2017

Privat und beruflich ein Dream-Team: Ancillo Canepa und seine Ehefrau Heliane Canepa sind seit 44 Jahren verheiratet und führen gemeinsam den FCZ.

Wenn Bekannte Sie fragen, wie Sie sich kennen gelernt hätten, welche Geschichte erzählen Sie ihnen?
Ancillo Canepa: Die wahre. Wie viele andere Paare lernten wir uns bei der Arbeit kennen. Das war in Rüti, bei der dort ansässigen Textilmaschinenfabrik.

Heliane Canepa: Nach London und Paris wollte ich meine Sprachstudien in Florenz finanzieren. Das erste Mal trafen wir uns vor dem Lift. Spontan bot er mir Maltesers an. Für das erste Date lud er mich zu einem FCZ-Spiel in den Letzigrund ein.

Sie sind wahrscheinlich das einzige Ehepaar, das einen Fussballclub führt. Empfinden Sie das auch als etwas Besonderes?
Ancillo: Es stimmt, ich kenne keinen anderen Fall im Fussballbusiness. Besonders im Sinne von «privilegiert», ja.

Heliane: Für mich ist das nichts Besonderes. Wir leben ja nicht mehr im Mittelalter.

Hand aufs Herz: Welchen Anteil an Ihren privaten Gesprächen nimmt der FCZ ein?
Ancillo: Wir sind zwar beide wirklich sehr vielseitig interessiert. Aber der Fussball nimmt 7 × 24 schon einen sehr breiten Raum ein.

Heliane: Eine viel gestellte Frage. Es gibt Tage, an denen der FCZ nicht das Hauptthema ist – aber präsent ist er immer.

Sie sind beide starke Führungspersönlichkeiten im Beruf. Wie geht das privat zusammen?
Ancillo: Ich versuche das ernsthaft zu beantworten. Wir sind weiss Gott nicht immer gleicher Meinung. Das kann auch zu hitzigen Diskussionen führen. Aber am Schluss finden wir immer eine einvernehmliche Lösung.

Heliane: Der Begriff «einvernehmliche Lösung» gefällt mir sehr. Besonders, wenn ich mich durchgesetzt habe. Aber ernsthaft: Diskussionen auf Augenhöhe machen Spass, beruflich und privat.

Was haben Sie gemeinsam, worin unterscheiden Sie sich?
Ancillo: Gemeinsam haben wir natürlich eine grosse Business- und Führungserfahrung, auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. In Besprechungs- oder Verhandlungssituationen genügt ein Augenkontakt, und wir wissen, was der andere denkt.

Heliane: Ich bin ruhig und ausgeglichen – er hitzig und temperamentvoll. Oder umgekehrt. Gemeinsam ist der gegenseitige Respekt, der nie verloren geht.

Ist Ihnen Ihr Ehemann/Ihre Ehefrau ein Vorbild?
Ancillo: Was Heliane in ihrem beruflichen Leben erreicht hat, ist einmalig. Ich kann hier gar nicht alles aufzählen. Sie war während vieler, vieler Jahre zu Recht die absolute Vorzeigemanagerin der Schweiz.

Heliane: Auch Cillo hat eine tolle Berufskarriere hingelegt. Er hat sich das alles selber erarbeitet, ohne Vitamin B. Beeindruckt hat mich, mit welcher Disziplin, aber auch mit welcher Leichtigkeit er damals zwei anspruchsvolle ­Ausbildungen, Betriebswirtschaft und Wirtschaftsprüfung, mit Bestnoten bewältigt hat.

Was haben Sie zuletzt voneinander gelernt?
Ancillo: Ich lerne jeden Tag etwas dazu. Gerade eben in Verhandlungssituationen, sprich Transfers. Geduldig und standhaft bleiben und im Extremfall eben auch Nein sagen.

Heliane: Bezüglich Fussball: Er hat die Nase und den Sachverstand, das wirkliche Potenzial von talentierten Spielern zu sehen. Und dann setzt er auch durch, dass solche Spieler tatsächlich ihre Chance bei uns erhalten.

Was ist das Mutigste, wozu Sie Ihren Mann/Ihre Frau animiert haben?
Ancillo: Vor bald vier Jahren, als ich sie gebeten habe, in die operative Geschäftsführung des FC Zürich einzutreten, obwohl sie eigentlich die Freiheit ihrer Pensionierung geniessen wollte.

Heliane: Sich im Testspiel gegen seinen Heimatverein FC Rüti für 15 Minuten einwechseln zu lassen – und sogar gut gespielt zu haben.

Auf welche Weise hilft Ihnen Ihr Ehemann/Ihre Ehefrau, wenn Sie eine schwierige Zeit durchzustehen haben?
Ancillo: Vier Augen sehen mehr, vier Ohren hören mehr, zwei Köpfe denken mehr etc. Es ist auch eine Frage des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses. Zum Beispiel 2012, als einige interne FCZ-Exponenten einen eigentlichen Putsch geplant hatten, war meine Frau eine grosse Stütze.

Heliane: Er ist ausgesprochen stressresistent, trotz seines Temperaments verliert er nie die innere Ruhe. Und ja, was 2012 angezettelt worden ist, war ein Skandal. Da haben wir aber gemeinsam den Riegel vorgeschoben.

Was bedeutet für Sie Zusammenarbeit?
Ancillo: Unabhängig, ob man nun Ehepartner ist oder nicht: Im Team zu arbeiten, ist äusserst befruchtend, effizient und befriedigend. Sofern das Team funktioniert. Und beim FCZ funktioniert das Team.

Heliane: Wir waren immer ein Team. In guten wie auch in weniger guten Zeiten. Das macht uns stark.

Was gefällt Ihnen an der derzeitigen Lebensphase?
Ancillo: Wenn man in der zweiten Lebenshälfte die gemeinsamen Interessen auf eine noch höhere Ebene stellen kann, wenn man die Freiheit hat, sein Hobby zum Beruf zu machen, dann kann man mit der derzeitigen Lebensphase schon zufrieden sein.

Heliane: Wenn man das freiwillig machen kann, also auch entsprechend unabhängig ist, dann geht es einem schon sehr gut.

Was möchten Sie unbedingt noch miteinander erleben?

Ancillo: Privat wünsche ich meiner Familie und mir Gesundheit, das ist das Wichtigste. Bezüglich FCZ träume ich wieder von magischen Nächten im Europa-Cup.

Heliane: Das sehe ich auch so. Erwähnen möchte ich aber auch, dass wir in Zürich endlich ein Fussballstadion brauchen, damit auch in Zukunft in Zürich Profifussball betrieben werden kann.

Heliane Canepa, geborene Mayer, wurde 1948 in Dornbirn, Österreich, geboren. Sie war von 2001 bis 2007 CEO des schweizerisch-schwedischen Unternehmens Nobel Biocare. Davor leitete sie die weltweit tätige Schneider-Gruppe. 1995, 2000 und 2007 wurde sie zur Schweizer Unternehmerin des Jahres gewählt und 2005 von der «Financial Times» als sechste der 25 erfolgreichsten Geschäftsfrauen in Europa eingestuft.

Ancillo Canepa wurde 1953 in Richterswil geboren. Er war Partner und Mitglied der Geschäftsleitung von Ernst & Young und zuständig für den Bereich Wirtschaftsprüfung. Davor leitete er während mehrerer Jahre die Abteilung Mergers & Acquisitions. Unter seiner Führung ist der Untersuchungsbericht zum Niedergang der Swissair entstanden. Seit 2006 ist er vollamtlicher Präsident des FCZ.

Heliane und Ancillo Canepa lernten einander in der Textilmaschinenfabrik Rüti kennen, er war KV-Stift, sie Stagiaire. Sie teilten das gleiche Büro. Sie sind seit 1973 verheiratet, arbeiten wieder zusammen und führen den FC Zürich. Dem Ehepaar gehören rund 90 Prozent der Aktien des Clubs. Sie haben eine weisse Schäferhündin namens Kooki, die auch beim FCZ fast immer dabei ist.

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