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Interview

Kann ihr Glück nicht fassen: Die Zürcherin Katja Früh gehört zu den erfolgreichsten Fernseh- und Theaterautorinnen der Schweiz. Bild: Mara Truog

Dem Erfolg gegenüber war Katja Früh immer misstrauisch

Von: Isabella Seemann

10. Oktober 2017

Katja Früh hatte den Traum, Schauspielerin zu werden, schliesslich wurde sie wie ihr Vater, Kurt Früh, Regisseurin. Durchschlagenden Erfolg erlangte sie jedoch als Erfinderin der TV-Soap «Lüthi und Blanc». Heute schreibt sie auch Theaterstücke. Diese Woche erscheint ihr Buch «Bin ich jemand?».

Es gibt eine Szene im Klassiker «Hinter den sieben Gleisen», in der die drei Clochards das «Tagblatt der Stadt Zürich» lesen. Haben Sie Erinnerungen daran, als Sie 6 Jahre alt waren und Ihr Vater, Kurt Früh, den Film drehte?

Katja Früh: Ich erinnere mich sehr gerne daran, wie die Schauspieler Ruedi Walter, Zarli Garigiet und Max Haufler häufig bei uns zu Hause am Römerhof zu Besuch waren, tranken und lustige Sprüche klopften. Ruedi Walter spielte Kasperlitheater und mimte den Samichlaus, wobei er mir und meiner Schwester Jessica mit seiner Strenge Angst einjagte. Das Zusammensein mit den Künstlern war aber immer ein grosser Plausch für uns Kinder. Übrigens: Die Geschichte von «Hinter den sieben Gleisen» führt sogar zu einer aktuellen Anekdote.

Erzählen Sie uns davon, bitte.

Das Restaurant Schnupf, gelegen im scharfen Rank an der Neufrankengasse im Kreis 4, in der mein Vater mit den drei Clochards im Film «Hinter den sieben Gleisen» ein paar Szenen gedreht hatte und wo er auch gerne selber verkehrte, wird heute von meiner Tochter Lisa Bärenbold, ihrem Lebenspartner und einer Gruppe von Freunden geführt. Der Besitzer war so gerührt von dieser familiären Verbindung, dass er ihnen für das Schnupf den Zuschlag gab.

Waren Sie eine Vatertochter?

Eindeutig. Es gab ein tiefes Einverständnis zwischen mir und meinem Vater, wir hatten eine Art Geheimbund. Ich fühlte mich ihm sehr ähnlich, wir hatten denselben Humor. Nacheifern wollte ich ihm aber gar nicht. Erst nach vielen Umwegen bin ich schliesslich auch Regisseurin geworden.

Ist es ein Fluch oder ein Segen, Spross einer Künstlerfamilie zu sein?

Mittlerweile betrachte ich es als grosses Geschenk. Aber zu Beginn meines Berufslebens, als «Mädchen für alles» am Theater Neumarkt, da hatte ich oft das Gefühl, die Leute sehen nicht mich, sondern nur die Tochter von Kurt Früh, messen mich an ihm und nehmen mich nicht ernst. Ich ging dann auch bewusst nach Berlin an die Schauspielschule, wo mein Name keine Rolle spielte und ich mich von meiner Herkunftsfamilie emanzipieren konnte.

Fällt es Ihnen leicht, öffentlich über Privates zu reden?

Ja, das mache ich ganz bewusst. Zum einen halte ich das Private für politisch, es ist ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Zustände. Zum anderen verbinden sich die Menschen miteinander, wenn sie ihre Geschichten teilen. Und das macht das Leben interessant.

Sie sind in Zürich aufgewachsen. Wie erlebten Sie die Stadt in Ihrer Jugend?

Das war um 1968 herum und eine wahnsinnig spannende Zeit, um erwachsen zu werden. Ich wurde bald politisiert, beteiligte mich an den Studentendemos, ging für das AJZ auf die Strasse. In Zürich brach all das Verkrustete auf, es war wie in einem Rausch, zuweilen war die Stimmung fast hysterisch. Gleichzeitig war es paradoxerweise quasi ein Zwang, sexuell befreit zu sein, was mich als sehr junge Frau überforderte. Ich war ein suchender Mensch und wusste lange nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte.

Sie wurden Schauspielerin, später Regisseurin, schliesslich fingen Sie an zu schreiben und erfanden die TV-Soap «Lüthi und Blanc». Kann man sagen, dass Sie ständig Ihr Leben ändern wollten?

Nein, das ergab sich zufällig, durch die Umstände und auch durch Glück. Mit der Schauspielerei klappte es nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte, und ich fühlte, dass das nicht meine Bestimmung war. Also entschied ich mich für Regie und Dramaturgie und kam zur Hörspiel­abteilung von Radio DRS. Ich wurde schwanger, hatte kurz hintereinander zwei Kinder, und das erdete mich. Ich begann Beobachtungen auf dem Kinderspielplatz aufzuschreiben, machte Kurzhörspiele im «Memo-Treff» auf DRS1 und merkte – das ist es: Ich will schreiben. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich damit Erfolg haben werde, und habe diesen auch nie angestrebt. Erfolg hat man eher, das habe ich gelernt, wenn man ihn nicht erwartet.

Sie werden als «die erfolgreichste Fernseh- und Theaterautorin des Landes» bezeichnet: Haben Sie mal abgehoben, wenigstens für einen kleinen Moment?

Nein, ich hatte immer wahnsinnig Zweifel an meinem Können. Übermütig wurde ich nur mit dem Geld, ich habe alles «verchlöpft», lud Freunde in Restaurants ein, die ganze Familie auf teure Reisen, kaufte Kleider, statt fürs Alter vorzusorgen. Aber dem Erfolg gegenüber war ich immer sehr misstrauisch. Die Gefahr besteht darin, dass man jenen nicht mehr zuhört, die keinen Erfolg haben. Und dass man sich nur noch mit Leuten umgibt, die ebenfalls Erfolg haben. Das sind dann aber nicht unbedingt Freunde im eigentlichen Sinn.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es ein Wunder sei, was Sie alles geschafft haben. Weshalb Wunder?

Mit 20 dachte ich, mir genügt es, einfach in der Theater- und Filmwelt dabei sein zu können, mir hätte es schon gereicht, wenn ich Requisiten hätte beschaffen können. Andere starteten senkrecht hoch und fielen schnell auf den Boden der Realität zurück. Bei mir kam der Erfolg spät, unverhofft und unerwartet. Dass bei meiner Jugend und Schulunfähigkeit, bei meinen Selbstzweifeln und meiner Ratlosigkeit gleichwohl etwas entstand, vor allem, dass ich so eine tolle Familie habe, das kann ich oft heute noch nicht fassen.

Tickets für die Buchvernissage zu gewinnen!

Das «Tagblatt der Stadt Zürich» verlost 3 × 2 Tickets zur Buchvernissage von «Bin ich jemand?» im Kaufleuten am Donnerstag, 19. Oktober 2017. Die Autorin Katja Früh spricht mit Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger über ihre Erlebnisse. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr (Türöffnung: 19 Uhr). Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon, E-Mail-Adresse sowie dem Betreff Früh an: gewinn@tagblattzuerich.ch

Vom 26. bis 30. Dezember zeigt das Miller’s Studio das Stück «Harmonie», das Katja Früh schrieb zusammen mit Patrick Frey und in dem ihre Tochter Lisa Bärenbold spielt.

 

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