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Interview

Bild: Michael Schiffhorst

"Der Schweizer Humor ist extrem trocken"

Von: Jan Strobel

13. Mai 2014

Die deutsche Kabarettistin Barbara Ruscher nimmt in ihrem neuen Programm «Panierfehler! Ein Fischstäbchen packt aus» den grünen Lifestyle unverblümt aufs Korn. Am 21. Mai feiert sie im Miller’s Studio Zürich-Premiere.

Tagblatt der Stadt Zürich: Barbara Ruscher, was hat uns das Fischstäbchen in Ihrem neuen Programm genau mitzuteilen?

Barbara Ruscher: Die Idee zu dem Titel kam mir, als ich meinen Kindern auf deren Wunsch hin Fischstäbchen gebraten habe und mir parallel dazu ein Tofuschnitzel. In der gleichen Pfanne! Für das Fischstäbchen eine echte Zumutung, dieser panierte Sojabohnenbrei. «Schmeckt nach nix, doch brät sich fix», mag sich das Fischstäbchen gedacht haben.

Sie nehmen «Übermuttis und militante Rohkost-Schniplerinnen» aufs Korn. Was haben Sie gegen diese Frauen?

Ich ernähre mich ebenfalls überwiegend ökologisch und beschäftige mich mit meinen Kindern - nur kann ich es nicht gut leiden, wenn man in seiner ökologischen Ausrichtung radikal wird und fast zur Steinigung aufruft, wenn jemand seinem Kind mal Butterkekse statt Dinkel-Amaranth-Stangen gibt.

Ich stelle mir den Alltag Ihrer Übermuttis so vor: Sie gehen jede Woche in den Bioladen ums Eck mit dem «Atomkraft Nein Danke»-Sticker am Velo. Sie tragen ökologisch korrekte Kleider vom lokalen Designer, holen ihre Kinder vom geschlechtsneutralen Spielplatz ab und predigen ihnen nach jeder Mahlzeit, ja nicht zu viel Fleisch zu essen. Wie stellen Sie sich diesen Alltag vor?

Als staatlich geprüfte Latte Macchiato-Mutter mit Manufactum-Abo hält man was auf sich und wickelt sein Baby morgens schon mit der «Süddeutschen Zeitung», damit der Po auch schlau wird. Klugscheisser halt. Und die Kita-Kinder bekommen ein Vollkornbrot mit ganz dicken Körnern. Kennen Sie das? Das ist ja von Waldorfschülern mit naturplombierten Zähnen mundgeschrotet. 

Welche Rolle spielen eigentlich die Männer in Ihrem Programm?

Sie kommen gelegentlich vor. Zum Beispiel in Bezug auf ihre Liebe zur Technik. Nur Männer kommen auf die Idee, sich eine Grillmeister-App aufs Handy zu landen. Die laden sich dort tatsächlich virtuell ein Würstchen runter, pusten ins Mikro, um die Glut anzufachen und gucken dann zu, bis die Wurst braun wird. Sensationell. 

Wie würden Sie eigentlich Ihren persönlichen Lebensstil beschreiben?

Leben und leben lassen, sagt der Kölner immer. Ein gutes Motto, an das ich mich zu halten versuche.

Sie selbst lebten in einer Kommune, trugen ein Öko-Tuch am Hals und kämpften gegen Plastikgeschirr in der Uni-Mensa. Das klingt alles ziemlich spassbefreit. Wie kamen Sie dazu, damit Kabarett zu machen?

Oh, wir hatten sehr viel Spass beim Stricken. Damals studierte ich Musik und Germanistik auf Lehramt und habe andere Kabarettisten am Piano begleitet. Die wollten immer, dass die Frau am Piano auch mal was Lustiges macht und zack - wars um mich geschehen. Mich mit der Gesellschaft auf komische Art und Weise auseinanderzusetzen, das fasziniert mich.

Finden Sie, dass uns vor lauter ökologischer und politischer Korrektheit der Humor abhandenkommt?

Nein, nicht wirklich. Denn Humor wird immer als Überlebensstrategie genutzt werden. Nicht umsonst spriessen solche Kurse wie das Lach-Yoga wie Pilze aus dem Boden.

Was ist für Sie Humor?

Wenn man verbal überrascht wird, und wenn man über sich selbst lachen kann. Das zeugt von Grösse, und ich bin immer stolz auf mein Publikum, dass es dazu fähig ist.

Haben Sie Vorbilder im Deutschen Kabarett?

Nicht direkt. Gerne mag ich den Humor zum Beispiel von Rainald Grebe, Hagen Rether, Jürgen Becker oder Dieter Nuhr.
 
Worüber lachen Deutsche besonders gern?

Über die Schweizer! Im Ernst: Die Deutschen finden es komisch, wenn man die Welt aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ich greife das gern auf, indem ich auf der Bühne aus meinem Buch «Fuck the Möhrchen! Ein Baby packt aus» vorlese, das die Alltagswelt in einer modernen Gesellschaft aus der Sicht eines frühgeförderten Babys beschreibt. Es hat schon im Mutterleib seinen Laptop dabei und beschreibt seine Geburt: «Bin noch im Bauch. Draussen schreit eine Frau. Hört sich an wie Tina Turner auf Extasy. Will hier nicht raus. Sie schreit weiter. Will ihr sagen, mit Schreien erreicht man gar nichts.»

Wie schätzen Sie den Schweizer Humor ein?

Ganz wunderbar! Der Schweizer Humor ist extrem trocken, das liebe ich.

«Panierfehler! Ein Fischstäbchen packt aus», am 21. Mai, um 19.30 Uhr, im Miller’s Studio. Das «Tagblatt» verlost 3 x 2 Tickets. Senden Sie  uns eine Mail mit Name und Adresse an:
redaktion@tagblattzuerich.ch. Stichwort: «Panierfehler».

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