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Interview

Roland Peterhans, Leiter Zivilstandsamt, hat fast 3000 Paare getraut. Bild: CLA

"Die Städter heiraten später"

Von: Clarissa Rohrbach

06. Januar 2015

Am Wochenende ist Hochzeitsmesse in der Messe Zürich. Wir haben Roland Peterhans, Leiter des Zivilstandsamts Stadt Zürich, gefragt, wie es heutzutage in Zürich mit der Ehe steht.

Herr Peterhans, vor 80 Jahren haben mehr Paare geheiratet als heute, obwohl die Bevölkerung fast um ein Viertel zugenommen hat. Ist die Ehe out?

Roland Peterhans: Für viele Leute ist die Heirat heutzutage nicht mehr so wichtig, es genügt ihnen, zusammen zu sein. In der Ehe tritt ein Paar als Einheit auf, es geht gesetzliche Verpflichtungen ein. Einige wollen sich nicht auf diesen Vertrag einlassen.


Städter sind wohl eher die Individualisten.
Tatsächlich leben in grossen Städten wie Zürich die Leute gern alleine, das zeigt auch die grosse Anzahl an  1-Personen-Haushalten. Dass das Alter bei der Erstheirat seit den 90ern von rund 28 auf 33 Jahre angestiegen ist, lässt auch vermuten, dass sich die Zürcher heute später binden wollen. Auf dem Land hat die Familie sicher einen grösseren Stellenwert.


Frauen brauchen keinen Ehemann mehr, der sie durchfüttert. Ist die Ehe überhaupt noch zeitgemäss?
Ich persönlich finde: ja. Es ist schön, sich in allen Konsequenzen für jemanden auszusprechen. Seit meine Frau und ich verheiratet sind, fühlt sich die Beziehung tiefer, klarer, sicherer an. Die Ehe hat die Liebe gestärkt.


Was halten Sie vom Klischee, dass sich Paare nach der Heirat gehen lassen?

Die Gefahr besteht natürlich. Aber das ist bei jedem Paar so, ob verheiratet oder nicht. Beide Partner sollten den Willen haben, an ihrer Beziehung stets zu arbeiten. Man kann sich nicht zurücklehnen.


Die Stadt Zürich führt jährlich rund 2300 Trauungen durch. Sie waren schon bei fast 3000 dabei. Das klingt nach einer Routineangelegenheit.
Natürlich erinnere ich mich nicht an jede einzelne Hochzeit. Aber der Moment hier im Trauzimmer  ist so wichtig für das Paar, dass wir uns gerne Zeit nehmen und für jedes Paar eine schöne Zeremonie gestalten wollen. Jede unserer 30 Beamtinnen bereitet sich mit persönlichen Worten auf sie vor, wir wollen nicht Gesetze vorlesen.


Und doch geht es bei der zivilen Hochzeit um viel Papierkram.
In der Regel nicht. Es gibt aber auch Ausnahmen. So kann das Einholen der Dokumente Monate dauern und zermürbend sein. Es kam schon vor, dass Leute aus Indien oder Afrika für ihre Geburtsurkunde in ihr Heimatland flogen, man ihnen aber dort sagte, es seien keine Papiere vorhanden. Dann mussten sie diese nachträglich ausstellen lassen und sogar ein zweites Mal aufs Flugzeug, um die Akten persönlich abzuholen.


Nur bei einem Drittel der Paare sind beide Partner Schweizer. Sind Ausländer heiratsfreudiger?
Die Stadt hat einen relativ hohen Ausländeranteil. Das führt dazu, dass Zürcher offen sind gegenüber anderen Kulturen und eher eine multikulturelle Ehe eingehen. Es kann aber schon sein, dass Ausländer wegen ihrer Religion einen stärkeren Drang verspüren, heiraten zu müssen.


Wie hoch ist der Stellenwert der Kirche bei Schweizern?
Die kirchlichen Trauungen haben stark abgenommen. Viele Paare kommen bereits mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft ins Stadthaus, um danach privat zu feiern. Das weisse Kleid der Braut hat aber nichts an Aktualität verloren.


Sind auch die eingetragenen Partnerschaften der homosexuellen Paare ein festliches Ereignis?
Jene im Trauzimmer eindeutig ja. 75 Prozent der gleichgeschlechtlichen Paare verzichten jedoch auf eine Zeremonie und unterschreiben die Dokumente gleich am Schalter.


Nur 10 Prozent lassen sich in den anderen Traulokalen der Stadt, also in der Weinschenke des Hotels Hirschen, im Zunfthaus zur Waag oder in der Masoalahalle trauen. Wieso?
Das Trauzimmer im Stadthaus hat halt den Charme der Tradition. Seit Generationen heiraten die Zürcher hier.


Welches sind die gefragtesten Termine?
Freitag um 16 Uhr und Samstag um 11.45 Uhr. Vom Mai bis Oktober sind wir dienstags bis samstags ausgebucht.


Seit eh und je wird die Hochzeit mit ­einem Ritual besiegelt. Wieso?
Wir brauchen Rituale, vor allem in unserer schnelllebigen Gesellschaft. Sie schaffen Verbindlichkeit und lassen uns merken, dass es um etwas Wichtiges geht. Die Ehe ist eine dieser Sachen, die es immer schon gab und die auch so bleiben sollen.


Die Hochzeitsmesse findet am Samstag und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr in der Messe Zürich in Oerlikon statt.

2013 haben 3575 Zürcher geheiratet, davon rund 2300 in der Stadt Zürich. Das Durchschnittsalter der Braut lag bei 31,2 Jahren, das des Bräutigams bei 33, 3 Jahren. Bei einem Drittel der Paare waren beide Partner Schweizer, während es sich bei einem zweiten Drittel um Mischehen handelt. Etwa 1000 Hochzeiten waren zwischen Ausländern.

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