mobile Navigation

Interview

Leitet seit März 2012 als Direktor das EWZ: Marcel Frei. Bild: ZVG

«Die Strompreise dürften sich künftig stabilisieren»

Von: Sacha Beuth

19. September 2017

Seit 125 Jahren liefert das EWZ Strom in die Häuser der Stadt Zürich. Anlässlich des Jubiläums erzählt Direktor Marcel Frei, wie sein Betrieb die Atomenergie ersetzen will und welche Projekte sonst noch in naher Zukunft umgesetzt werden sollen.

Das EWZ feiert heuer sein 125- Jahr-Jubiläum. Welche Bedeutung hat Ihr Betrieb für die Stadt ­Zürich?

Marcel Frei: Wir bieten Energielösungen, unterhalten ein Glasfaser- und Verteilnetz und versorgen die Stadt Zürich zuverlässig mit Strom. Das wird von vielen als selbstverständlich hingenommen. Was alles dahintersteckt, merkt man meist erst, wenn es einmal zu einem Stromausfall kommt.

In den letzten Tagen zogen heftige Winde durch die Strassen Zürichs. Das EWZ hat aber keine Wind­anlagen in der Stadt. Schmerzt es Sie nicht, diese Energie ungenutzt vorüberziehen lassen zu müssen?

Nein. Es handelt sich hierbei nur um eine temporäre Situation. Für die Stromgewinnung benötigen wir konstante Winde, die in der Schweiz selten im gewünschten Umfang vorhanden sind. Deswegen setzen wir auch auf zuverlässige Windstandorte im Ausland.

Zum Beispiel in Deutschland. Dort will das EWZ in neue Windkraftanlagen investieren. Warum unterstützt man nicht noch stärker die heimischen Wasserkraftwerke, die ja auch erneuerbare Energie liefern?

Einerseits, weil das Potenzial für grosse Wasserkraftwerke in der Schweiz ausgeschöpft ist, Kleinwasserkraftwerke ohne finanzielle Unterstützung nicht rentabel sind und es aus Sicht des Landschaftsschutzes nicht sinnvoll ist, in jedes Seitental ein Kraftwerk zu bauen. Andererseits stellen wir mit unterschiedlichen Produktionsanlagen im In- und Ausland sicher, dass wir unseren Strombedarf flexibel und jederzeit selber abdecken können.

Das Geld für die Investition soll das EWZ aus einem 200-Mil­lionen-Rahmenkredit ziehen können, über den am 24. September abgestimmt wird. Zürcher Steuergelder zum Ausbau deutscher ­Infrastruktur?

Halt, da muss ich Ihnen widersprechen! Das sind keine Steuergelder, sondern von uns selbst erwirtschaftete Mittel. Es geht bei der Abstimmung darum, dass wir vom Volk die Erlaubnis erhalten, dieses Geld für Produktionsanlagen, die erneuerbare Energie nutzen, auszugeben. Dies betrachten wir immer unter den Aspekten der 2000-Watt-Gesellschaft und dem Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2034.

Wie realistisch ist dieses Ziel?

Schwer zu sagen, zumal der Bund kein Laufzeitende für die KKW festgelegt hat und dies eine unsichere Komponente im Verkaufsprozess darstellt. Wir haben rund 40 Prozent Kernenergie-Beteiligungen in unserem Portfolio, welche wir möglichst rasch, aber zu einem vernünftigen Preis veräussern wollen.

Welche weiteren Aufgaben kommen in naher Zukunft auf das EWZ zu?

Sicher die Digitalisierung, die künftigen Speichertechnologien und das intelligente Stromnetz (Smart Grid). Dezentrale Solarstrom- oder Windanlagen beanspruchen unser Stromnetz immer stärker und stellen uns vor neue technische Herausforderungen. Weiter dürfte sich auch der Strommarkt als Ganzes verändern, wenn zum Beispiel nicht nur Unternehmen, sondern auch Haushalte ihren Energieversorger einmal frei wählen können.

Wird dann auch für Letztere der Strom günstiger?

Dazu kann ich nur Vermutungen anhand von Indizien anstellen. Der Strom aus Solarstrom- und Windanlagen wird günstiger werden. Somit dürften sich wahrscheinlich zum Zeitpunkt, an dem die Kernkraftwerke abgestellt werden und kein Stromüberschuss mehr herrscht, die Strompreise stabilisieren. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die Schweiz im europäischen Vergleich schon jetzt tiefe Strompreise hat.

Die Stadt will Energie sparen und peilt die 2000-Watt-Gesellschaft an, gleichzeitig erhalten EWZ-Grosskunden Reduktionen auf den Grundpreis. Wie geht das auf?

Bei den Grosskunden, die rund zwei Drittel unserer Strommenge beziehen, herrscht Markt, und wir müssen uns behaupten. Unsere Leistungen hören jedoch nicht bei der Steckdose auf. Wir bieten zusätzlich zum Strom auch Wärme, Kälte und Frischluft an, unter Verwendung von erneuerbaren Energiequellen. Die Kundinnen und Kunden profitieren, weil die Energiekosten gesenkt werden. Die Umwelt profitiert, weil weniger Energie benötigt bzw. Energie effizienter verbraucht wird. Wir profitieren, indem wir unsere Energielösungen verkaufen.

Meilensteine in der Geschichte des EWZ

1890 beschloss die Gemeindeversammlung die Einführung der elektrischen Beleuchtung in der Stadt Zürich und den Bau des Kraftwerks Letten. Zwei Jahre später, am 3. August 1892, erfolgte die erste Stromabgabe an das damalige Hotel Victoria und war somit die Geburtsstunde des EWZ. 1900 wurden die Trams elektrifiziert. 1906 erhielt das EWZ die Genehmigung für den Bau des Albulawerks in Sils im Domleschg. Dieses war das erste Flusswasserkraftwerk vom EWZ im Kanton Graubünden. 1909 floss erstmals EWZ-Strom aus Graubünden durch die rund 140 Kilometer lange Übertragungsleitung bis in die Stadt Zürich. Seit Anfang der 1970er-Jahre bezieht das EWZ Kernenergie aus der Schweiz und Frankreich. Diese Bezugsrechte basieren auf Beteiligungen an der Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG (KKG) und an der Aktiengesellschaft für Kernenergiebeteiligungen Luzern (Akeb). 2008 kaufte das EWZ den ersten Windpark im norddeutschen Crussow. Im gleichen Jahr erfolgte der Spatenstich zum Bau des Glasfasernetzes EWZ-Zürinet. Ausserdem eröffnete sich für Grosskunden (Stromverbrauch ab 100 000 Kilowattstunden je Verbrauchsstätte) die Möglichkeit, ihren Stromlieferanten frei zu wählen. 2015 erfolgte die Installation des grössten Batteriespeichers der Schweiz in Zürich-Affoltern. 2016 wurde das EWZ als bester Energieversorger ausgezeichnet (BFE-Rating).

Weitere Infos: www.ewz.ch

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare