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Interview

"Du hast die Wahl: Willst du glücklich sein?"

Von: Clarissa Rohrbach

31. März 2015

Der Lausanner Rapper Stress ist mit seinem neuen Album auf Tournee. Nächste Woche spielt er in Zürich. Wir haben mit ihm über Abfallsammeln, Machos und seine Mutter gesprochen. Und verlosen 2× 2 Tickets.

Er faltet seine Hände über das weisse Tischtuch. Die edel tapezierten Trennwände im Volkshaus schützen Stress vor neugierigen Blicken. Andres Andrekson (37), wie Stress bürgerlich heisst, trägt einen grauen Kapuzenpulli und kommt von seiner 300-Quadratmeter-Villa in Zollikerberg. Er will auf Englisch sprechen.


Sie haben gerade geboxt. Wie fühlen Sie sich?
Gut. Relaxed.


Man wartet auf mehr. Darauf, wie er erklärt, dass er das Boxen durch seine Ex-Frau Melanie Winiger kennen lernte. Dass es ihn zusammen mit Yoga ausgeglichener macht. Aber Stress schaut einen nur mit direktem Blick an, runzelt die Stirn und bleibt ernst.


Welche Songs haben Sie heute gehört?
Heute keine Musik.


Wieso nicht?
Ich höre manchmal gern nur auf meine Gedanken.


An was denken Sie?
Alles – was ich als Nächstes essen soll oder was der Sinn meines Lebens ist. Es ist wichtig, auf die eigenen Gedanken zu hören. Manche Leute tun es nicht und erschrecken dann, wenn sie merken, was in ihnen schlummert.


Die Botschaft Ihres neues Albums scheint die zu sein: «Verändere die Welt durch dein Beispiel.» Wieso ist Ihnen das wichtig?
Viele junge Leute sind heutzutage frustriert, sie finden keinen Platz in der Gesellschaft. Ich will Ihnen zeigen, dass Dinge möglich sind, auch wenn sie unmöglich scheinen. Menschen zu motivieren, ist mein Ziel. Vorbilder wie Puff Daddy haben mir als Jugendlichen geholfen, meinen Weg zu gehen. Man kann vom Nichts kommen und viel erreichen. Das will ich mitteilen.


Ihre Mutter Siiri hat Sie immer sehr unterstützt. Wie ist Ihr Verhältnis?
Sehr eng. Sie hat alles verlassen, was sie in Estland hatte, um mir und meiner Schwester in der Schweiz eine Chance zu geben. Wenn man so viel Hartes zusammen durchgemacht hat, braucht es nicht mehr viele Worte.


Wie haben Sie Ihre ersten zwölf Jahre in der Sowjetunion geprägt?

Meine Eltern arbeiteten viel. Ich wurde schnell «my own boss». Und wenn man als Bub selber entscheidet, was man machen will, ist das sicher nicht, zur Schule zu gehen. Ich spielte mit Freunden Fussball. Oder wir sammelten leere Flaschen und kauften uns mit dem Depotgeld ein Stück Brot oder ein Süssgetränk. Viel mehr gab es nicht zu kaufen. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich traumatisiert wäre. Und doch geniesse ich heute noch einfache Dinge wie einen Teller Pasta. Es muss kein Riesenmenü sein, Hauptsache, ich verbringe Zeit mit den Menschen, die ich liebe.


Haben Sie deswegen für «Stress» mit über zehn anderen Künstlern zusammen gesungen?
Ich kann nicht singen – das hat sich herumgesprochen. Diese jungen Künstler will ich fördern, um zu zeigen, wie viele Talente es in der Schweiz gibt. In diesem Land herrscht eine eher konservative Mentalität: Man geht zur Schule, macht seinen Job, hat Kinder und fristet dann sein Leben bis zum Tod – ungefähr so. Deswegen ist es für Künstler härter, ihr Talent auszuleben. Aber heute wollen die Jungen das tun, was sie glücklich macht, ihr Leben so gestalten, wie es für sie stimmt. Dazu mache ich Ihnen Mut.


Und falls man Angst hat, zu viel zu riskieren?


Stress schweigt. Die enthusiastischen, weit geöffneten Augen machen einer nachdenklichen Miene Platz. Er spricht nun langsam.


Was ich meine, ist: Jeder hat die Wahl. Willst du ein Leben leben, das dich nicht überzeugt, oder willst du glücklich sein?


Den Übernamen Stress haben Sie wegen ihrer Wutausbrüche bekommen. Und im Song «R.A.F.» singen Sie von einem Amoklauf in Zollikerberg. Haben Sie Ihre Aggressivität im Griff?
Ich würde es eher Impulsivität nennen. Jeder hat starke Emotionen. Für die braucht es ein Ventil.


Sonst?
Sonst betrügt man sich selbst.


Sie haben gesagt, Sie seien 100 Prozent Macho. Steht also Ihre Freundin, das Model Ronja Furrer (23), am Herd?
Auf keinen Fall. Ich bin Macho, weil ich 100 Prozent Mann und sehr possessiv bin. Aber ich finde es wichtig, dass Ronja das erreicht, was sie will. Unsere Jobs sind unser Leben, wir kleben nicht aneinander und warten, bis die Zeit vergeht. Wer seinen Traum verwirklicht, ist auch in der Beziehung ein besserer Partner.


Ihre Partnerin wohnt in New York und Sie in Zollikerberg bei Zürich. Was bedeutet Ihnen die Stadt?
Zürich und Lausanne. Das sind die schönsten Städte der Welt.


Wo soll es in Zukunft hingehen?
Vorwärts, ganz klar.


Stress bedankt sich, lächelt kurz und runzelt wieder die Stirn.


Wir verlosen 2×2 Tickets für das Konzert am 11. April um 20 Uhr im Volkshaus: gewinn@tagblattzuerich.ch

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