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Interview

«Es ist schön, wieder einmal den Bösewicht zu spielen»: Christoph Wettstein als Parranoh in Kriegsbemalung. Bild: PD

«Ein echter Indianer kennt keinen Schmerz»

Von: Sacha Beuth

26. Juni 2018

«Winnetou II – Ribanna und das Kriegsbeil der Poncas» heisst die diesjährige Aufführung an den Karl-May-Festspielen in Engelberg OW vom 6. Juli bis zum 12. August. Eine der Hauptrollen hat der Zürcher Sänger und Schauspieler Christoph Wettstein als Oberschurke Parranoh inne – obwohl sein Jugendidol Winnetou ist.

Wie viele Karl-May-Romane haben Sie in Ihrer Jugend gelesen und welcher war Ihr Lieblingsheld?

Christoph Wettstein: Weil wir in unserer Schulbibliothek die gesamte Karl-May-Sammlung zur Verfügung hatten, waren es ziemlich viele. Ich schätze so an die 30. Und einige davon habe ich sogar heimlich während des Unterrichts gelesen. Mein Lieblingsheld war natürlich Winnetou. Als Primarschüler schlüpfte ich beim «Indianerli»-Spielen immer in die Rolle des Apachenhäuptlings. Das ging sogar so weit, dass ich als 10-Jähriger auf die Frage, was ich einmal werden wolle, antwortete: Winnetou. In gewisser Weise hat sich mein Kindheitstraum erfüllt – nur dass ich statt Winnetou einen Feind Winnetous spiele.

Hätten Sie nicht lieber einen anderen positiven Charakter dargestellt als den vom bösen Indianerhäuptling Parranoh?

Nicht unbedingt. Für einen Schauspieler ist die Rolle eines Schurken meist interessanter, weil sie oftmals vielschichtiger und facettenreicher daherkommt als die zumeist eher flachen und simpel-braven Heldenrollen. Parranoh ist ein gutes Beispiel dafür. Er ist ja eigentlich ein Weisser, der aus Europa stammt, dort aber scheiterte und nach Amerika immigrierte, wo er anfangs auch nicht Fuss fassen konnte. Erst bei einigen Indianern kann er sich Respekt verschaffen und zum brutalen Anführer aufschwingen. Er fühlt sich ungerecht behandelt und lässt sich von Frust und Hass treiben. Das ist eine spannende Figur. Nach den zuletzt mehrheitlich positiven Charakteren ist es jedenfalls schön, in Engelberg wieder einen Bösewicht zu spielen.

Was sind die Besonderheiten, die diese Rolle mit sich bringt?

Es sind vor allem solche, die das Äussere der Figur betreffen. Angefangen bei der Kriegsbemalung, also der Schminke. Diese muss Schweiss und Regen standhalten und haftet darum so fest, dass man sie hinterher kaum wieder abbekommt. Weiter musste der Bart ab, und der Kopf wurde mir komplett kahl rasiert, damit man die Perücke mit der Irokesenfrisur besser festkleben konnte.

Sie haben schon auf diversen Freilichtbühnen gespielt. Was zeichnet diejenige von Engelberg aus?

Der grösste Reiz ist wohl die wunderbare Natur rund um das Festspielgelände. Die Berge, der Wald, der Wasserfall, die Sonnenuntergänge – das kann man mit keiner künstlichen Kulisse ersetzen. Das vermittelt nicht nur dem Zuschauer, sondern auch mir als Schauspieler ein erhabenes Gefühl. Mit ein Grund, warum ich mich schon jetzt enorm auf meinen Auftritt freue.

Gegenwärtig laufen die Proben auf Hochtouren.Schildern Sie uns doch bitte Ihre Eindrücke.

Es ist ganz anders, als ich es von anderen Produktionen kenne. Normalerweise probt man für Open-Air-Stücke die ersten drei Wochen in geschlossenen Räumen. Erst wenn das Stück steht, geht es nach draussen. In Engelberg arbeitet man vom ersten Tag an an der frischen Luft auf der Originalbühne. Das war ziemlich anstrengend, weil wir anfangs noch keine Mikros trugen und uns den Text zubrüllen mussten, damit wir uns hörten. Auch logistisch ist die Inszenierung anspruchsvoll. Man muss etwa berücksichtigen, dass viele Nebendarsteller tagsüber einem herkömmlichen Beruf nachgehen und erst abends zum Team stossen können. Und dass die Pferde eingeritten und an bestimmte Geräusche gewöhnt werden müssen.

Stichwort reiten. Wie sind diesbezüglich Ihre Fähigkeiten?

Ich kann zwar reiten, aber auf diesem Level betrat auch ich Neuland. Ich hätte nicht gedacht, dass Pferde derart sensible Wesen sind und dass eine Verbindung zwischen Tier und Reiter gefunden werden muss, damit bei den Aufführungen alles glattgeht. Seit Februar bin ich darum regelmässig ausgeritten und habe mit den Stuntleuten geübt. Übrigens auch die Handhabung von Waffen. Etwa mit Tomahawk und Speer so zu agieren, dass sich niemand verletzt.

Dann gab es keine Blessuren?

Einer hat sich die Rippen angeknackst. Und auch ich habe mir eine Quetschung am rechten Ringfinger zugezogen, weil einmal mein Pferd plötzlich am Zügel zog, ich nicht darauf gefasst war und mir den Finger einklemmte. Aber solche Kleinigkeiten gehören dazu. Ausserdem kennt ein echter Indianer keinen Schmerz.

Die Aufführung in Engelberg weicht doch ein gutes Stück von Mays Originalfassung ab. Stört Sie dies nicht?

Überhaupt nicht. Einerseits finde ich als Theatermensch, dass jener, der etwas auf die Bühne bringt, auch seine eigenen Ideen sollte miteinbringen können. Andererseits ist es nun mal so, dass die Dramaturgie in Film und Theater anders funktioniert als in einem Buch. Und wenn es gut gemacht ist, stört es die meisten Zuschauer auch nicht. Bester Beweis sind die Winnetou-Filme aus den 60er-Jahren, die teilweise ebenfalls stark vom Original abweichen.

Überhaupt scheinen die Geschichten von Karl May zeitlos. Wie erklären Sie sich diesen Umstand?

Weil seine Romane Themen behandeln, die uns seit Urzeiten faszinieren. Gemeinsam Abenteuer bestehen, für das Gute kämpfen, sich aufeinander verlassen können und zusammen etwas erreichen. Das sitzt tief im Menschen, und jeder will das erleben.

Zur Person

Christoph Wettstein ist nicht zuletzt dank seinen Engagements bei «Ewigi Liebi», wo er 847-mal den Dänu spielte, bei den Produktionen der Walenseebühne (u. a. «Heidi – das Musical») und bei der deutschen TV-Serie «Sturm der Liebe» einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Geboren am 12. 4. 1961 in Zürich, wuchs Wettstein in Höngg auf und zeigte schon früh Interesse an der Schauspielerei. Im ambitionierten Schultheater des Gymnasiums Immensee schnupperte er schliesslich erste Bühnenluft. Nach seiner Wirtschaftsmatura 1981 und diversen Gelegenheitsjobs gelang ihm die Aufnahme in die Schauspielakademie Zürich. 1987 führte ihn sein erstes Theaterengagement ans Schillertheater in Berlin. Zuletzt war Wettstein, der in München lebt, in «Io senza te» im Theater 11 auf der Bühne zu sehen.

Winnetou II – Story und Ticketverlosung

Nach dem Erfolg von «Winnetou I» im letzten Jahr wird nun an den Karl-May- Freilichtspielen in Engelberg vom 6. Juli bis zum 12. August «Winnetou II – Ribanna und das Kriegsbeil der Poncas» gezeigt. Im Stück geraten der Apachenhäuptling und sein Blutsbruder Old Shatterhand sowie Sam Hawkins, Dick Stone und Will Parker in einen Kampf zwischen den Assiniboins und den Poncas. Dabei gelingt es Winnetou, Ribanna, die Häuptlingstochter der Assiniboins, zu retten und ihr Herz zu gewinnen. Im weiteren Verlauf treffen die Helden auf Winnetous alten Freund Old Firehand, der sich ebenfalls in Ribanna verliebt. Und auch der finstere Ponca-Häuptling Parranoh begehrt Ribanna zur Frau.
Weitere Infos und Tickets: www.winnetou.ch

Das «Tagblatt» verlost 10 × 2 Tickets zur Premiere von «Winnetou II» am 6. Juli. Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefon, E-Mail- Adresse und Betreff Winnetou an: gewinn@tagblattzuerich.ch

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