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Interview

Immunologe Burkhard Becher zeigt auf dem Bildschirm, wie die durch Immuntherapie aktivierten T-Lymphozyten (weisslich) eine Zelle mit Schwarzem Hautkrebs (rötlich mit schwarzem Rand) angreifen. Bild: SB

Ein lebensrettendes Muster zur Krebsbekämpfung

Von: Sacha Beuth

16. Januar 2018

Am Institut für experimentelle Immunologie der Universität Zürich hat das Team von Burkhard Becher im Kampf gegen Krebs eine wegweisende Entdeckung gemacht. Die Forscher haben Biomarker im Blutbild identifiziert, mit denen sich vorhersagen lässt, ob ein Melanom-Patient auf eine Immuntherapie anspricht oder nicht.

Die Immuntherapie von Krebs hat in den letzten Jahren durchschlagende Erfolge gezeit. Allerdings profitierten nicht alle Patienten davon. Ob Krebspatienten auf eine Immuntherapie positiv ansprechen werden, lässt sich nun bereits vorgängig im Blut nachweisen. Forschende der Universität Zürich haben entsprechende Biomarker im Blutbild von Patienten, die an Schwarzem Hautkrebs (Melanom) leiden, identifiziert. Was zur Entdeckung führte und was sie bedeutet, weiss Burkhard Becher, Leiter des Forscherteams und Professor für Immunologie an der Universität Zürich.

Wie funktioniert eigentlich eine Immuntherapie?

Burkhard Becher: Bei der Immuntherapie handelt es sich um eine noch relativ junge Behandlungsmethode. Die Idee dahinter ist, dass man das körpereigene Immunsystem davon «überzeugt», nicht nur Viren und Bakterien anzugreifen, sondern auch Krebszellen. Leider ist das nicht so einfach, denn anders als bei Viren und Bakterien handelt es sich bei Krebszellen nicht um körperfremde Elemente, sondern um mutiertes, aber körpereigenes Gewebe, welches somit für das Immunsystem schwerer als «zu bekämpfen» erkennbar ist. Trotzdem hat man durch verschiedene Immuntherapien wie etwa der Blockade des Eiweisses PD-1 einen Weg gefunden.

Was bewirkt diese Blockade?

PD-1 sorgt normalerweise dafür, dass unser Immunsystem eine aktive Immunantwort wieder herunterfährt, sobald z. B. Krankheitserreger erfolgreich bekämpft wurden. Durch die Blockade von PD-1 wird diese Bremse gelöst und das Immunsystem aggressiver gemacht, was dazu führt dass auch Krebszellen, welche normalerweise vom Immunsystem ignoriert werden nun als Feind erkannt und angegriffen werden. Das heisst allerdings dass neben den kranken auch gesunde Zellen zerstört werden. Dies führt wieder zu erheblichen Nebenwirkungen wie etwa Übelkeit, Durchfall, Atem- und Hautproblemen. Obwohl die Immuntherapie ein langfristiges Leben nach der Krebsdiagnose erlaubt, zeigen leider nur 50 Prozent der Patienten einen Therapieerfolg.

Inwiefern verbessert nun Ihre Entdeckung der Melanom-Biomarker die Situation? Und was sind überhaupt Biomarker?

Biomarker sind biologische Auffälligkeiten oder Muster. Ist zum Beispiel die Zahl bestimmter weisser Blutkörperchen bei Patient X anders als bei Patient Y? In unserem Fall wurden die molekularen Blutbilder von Melanom-Patienten vor einer Immuntherapie verglichen und dann geschaut ob Unterschiede im Therapievelauf mit dem Blutbild vor dem Therapiebeginn korrelieren. Dabei konnten wir ein Muster identifizieren, das zeigt, bei welchen Patienten die Therapie Erfolg verspricht und bei welchen nicht. Das bedeutet nun, anstatt dass man alle Patienten mit der gleichen Krebsform gleich behandelt – so wie dies bis anhin geschah –, kann man anhand der Biomarker individuell die jeweils beste Behandlungsmethode anwenden. Allerdings basiert auch unsere Entdeckung auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Eine 100-prozentige Garantie für die individuell beste Behandlungsmethode ist es nicht.

Erhöht Ihre Entdeckung auch die Chancen auf eine erfolgreiche Krebsbekämpfung bei Patienten, die gemäss Biomarker nicht für eine Immuntherapie infrage kommen?

Absolut. Die richtige Therapieentscheidung hat grossen Einfluss auf das Überleben der Krebspatienten. Einerseits wird dadurch nicht wertvolle Zeit vergeudet, weil man eine Methode anwendet, die nichts nützt. Andererseits wird dem Patienten zusätzliches Leid wegen der starken Nebenwirkungen erspart, und seine Kräfte werden nicht verschwendet, die er für eine erfolgversprechendere Behandlung benötigt. Hinzu kommt als Nebenaspekt auch, dass auf diese Art Kosten gespart werden können.

Blutbilder kann man schon seit Jahrzehnten analysieren. Wieso erfolgte Ihre Entdeckung erst jetzt?

Weil bislang die Gerätschaften nicht die dafür nötige Qualität und Bildauflösung vorwiesen. Wir konnten die hochdimensionale Zellanalysemethode Cytometry by-time-of-flight (CyTOF) anwenden, die jede Zelle einzeln auf bis zu 50 verschiedene Eiweisse analysiert. Das ist in etwa so, wie wenn ein Foto, das man mit einer Topkamera mit hochauflösenden Bildern und unter besten Lichtbedingungen geschossen hat, mit einem vergleicht, das man mit einem billigen Handy im Dunkeln gemacht hat.

Sind Ihre Biomarker-Erkenntnisse beim Schwarzen Hautkrebs auch auf alle anderen Krebsformen übertragbar?

Leider nein, jedenfalls nicht 1:1. Beim Lungenkrebs wollen wir das gerade herausfinden. Aber viele Krebsarten, wie z. B. der Gehirntumor, sind bislang nicht mit der Immuntherapie erreichbar. Da müssen wir neue Therapieformen entwickeln und testen. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass wir in den nächsten 20 Jahren nahezu alle Krebsarten mit irgendeiner Form von Immuntherapie erfolgreich behandeln werden können.

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