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Interview

«Es ist heute nicht einfach, Europäerin zu sein»

Von: Clarissa Rohrbach

09. Februar 2016

Skunk Anansie kommen mit ihrem neuen Album «Anarchytecture» nach Zürich. Wir sprachen mit Sängerin Skin über ihre Glatze, ihr Liebesleben und Terroristen.

Ihr neues Album wirkt versöhnlicher als die Vorgänger. Sind Sie weiser geworden?
Ich will es hoffen. Denken Sie an Adele, die ihre Alben nach ihrem Alter betitelt: 19, 21, 25. Das liegt daran, dass man als Musiker stets wächst und damit auch die eigene Musik. Ich könnte nicht die gleichen Songs wie in den 90er-Jahren machen. Das würde bedeuten, ich hätte mich nicht weiterentwickelt. Wenn ich so zurückdenke, waren wir damals ziemlich unreif.


1996 erklommen Sie mit «Hedonism» kometenhaft die Charts. Inmitten der Britpop-Welle waren Sie als kahl rasierte, bisexuelle Rocksängerin ein Outsider. Wollten Sie bewusst provozieren?
Eigentlich nicht. Ich war überrascht, dass es für die Leute so eine grosse Sache war. Ich meine, London hat den Punk erlebt, da sollte man nicht so leicht erschütterbar sein. Aber klar, eine schwarze Frau, die Rock macht, war etwas ganz anderes. Schwarze hatten damals nichts mit Rock zu tun. Ich wuchs auch in einem Reggae-Haushalt auf, aber dann entdeckte ich Ska und später den Rock. Meine Stimme passt natürlich zur Rockmusik, da fühlte ich mich zu Hause.


Sie schockierten auch wegen Ihrer Glatze. Wieso rasieren Sie sich den Kopf?

Ich wollte nie dem Schönheitsideal entsprechen. Natürlich habe ich wie die meisten schwarzen Frauen versucht, mein Haar zu strecken. Aber dafür war ich zu faul. Ausserdem liegt es mir nicht, ein Girlie zu sein.


Sie sind eine selbstbewusste Frau, die eine starke feministische Botschaft hat. Ich nehme an, mit Popstars wie Katy Perry können Sie nichts anfangen.
Im Gegenteil, ich bewundere Sängerinnen wie Katy Perry oder Beyoncé. Der Girl-Pop war noch nie so stark wie heute. Diese Frauen haben die Zügel in der Hand und machen eine Menge Geld.


Sie singen oft über unglückliche Liebe. Ist Ihr Liebesleben schwierig?
Sie fragen mich etwas unglaublich Privates. Die Antwort finden Sie in meiner Musik. Das ist unser Los als Künstler: Man gibt viel zu viele persönliche Sachen an Leute preis, die man nie gesehen hat.


Ihre Musik ist eher dunkel. Ist die Welt für Sie ein düsterer Ort?
Viel von dem, was heutzutage passiert, ist furchteinflössend. Ich denke, die Welt geht in die falsche Richtung. Menschen reagieren häufig mit Ignoranz, wenn einem etwas nicht gefällt, zerbombt man es. Wir haben noch keinen vernünftigen Weg gefunden, um mit Terroristen umzugehen. Wenn wir nicht aufpassen, endet das in einem Dritten Weltkrieg.


Sie hätten heute im Bataclan in Paris auftreten sollen, wo die Anschläge passierten. Wie fühlten Sie sich bei dem Gedanken?
Angespannt.


Ist der Titel des neuen Albums «Anarchytecture» auch ein Kommentar zur heutigen Zeit?
Ja. Wir brauchen Strukturen, um unseren normalen Alltag zu bewältigen, um vorwärtszukommen. Doch jeden Moment könnte Anarchie ausbrechen und alles zerstören. So fühlt sich die jetzige Gesellschaft an: Es gibt zwar Infrastruktur und Ordnung, doch gleichzeitig herrscht das Chaos. Es ist nicht einfach, heutzutage Europäerin zu sein.


Sie wuchsen im Brixton der 80er-Jahre auf, wo Schwarze gegen die Polizei randalierten. Wie prägten Sie diese Aufstände?
Ich war damals ein Teenager aus der Arbeiterklasse. Die Aufstände haben mich stark beeinflusst. Ich sah, wie die Leute in Brixton von der Regierung ignoriert wurden, dass sie keine Chance bekamen. Daher entwickelte ich meine politische Seite. Ich entdeckte die Musik, um der Ungerechtigkeit eine Stimme zu geben. So wurde ich Sängerin.

Zur Person:

Skin, als Deborah Anna Dyer 1967 in Brixton ( London) geboren, gründete 1994 Skunk Anansie. Das erste Album «Paranoid & Sunburnt» eroberte die Charts. Danach folgte der Hit «Hedonism». Die Band löste sich 2001 auf und kam 2009 wieder zusammen. Seither tritt Dyer auch als DJane auf. «Anarchytecture» ist ihr sechstes Album.


Skunk Anansie präsentieren ihr neues Album «Anarchytecture» am nächsten Dienstag im X-tra.
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