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Interview

Hat seine gute Laune trotz misslungenem Saisonstart nicht verloren: GC-Chefcoach Thorsten Fink nach dem Training im Campus Niederhasli. Bild: SB

«Für Platz zwei zahle ich gern einen Kasten Bier»

Von: Sacha Beuth

31. Juli 2018

Seit dem 23. April ist Thorsten Fink Trainer bei den Grasshoppers. Nach knapp 100 Tagen im Amt und nach dem 0:2 im Derby vom letzten Samstag ist der 50-Jährige nach wie vor überzeugt, am Ende der Saison einen Europa-League-Platz zu erreichen und langfristig aus GC wieder ein Topteam zu formen.

Der Start in die neue Saison ist GC gründlich misslungen. Zwei Spiele, zwei Niederlagen – eine davon ausgerechnet gegen Lokalrivale FCZ. Was ist schiefgelaufen?

Thorsten Fink: Wir haben unsere Chancen nicht genutzt und zu wenig oft den Abschluss gesucht. Die Gegner waren da viel effizienter. Zudem wurde uns gegen YB ein Elfmeter unterschlagen. Aber man darf nicht nur das Negative sehen. Insgesamt hat mein Team guten Fussball gezeigt, besonders gegen Bern, und bewiesen, dass es qualitativ nicht so weit weg von der Konkurrenz ist, wie es manche vielleicht gedacht haben. Das Abwehrverhalten beispielsweise war generell gut. Wenn wir so weiterarbeiten und an uns glauben, dann kommen bald auch die Punkte.

Nach dem Derby forderten Sie, Ruhe zu bewahren. Ist nicht genau das das Problem Ihres Teams, dass es auf dem Platz zu ruhig ist, die gesunde Aggressivität fehlt?

Nein. Wir haben jeweils versucht, die Kontrolle über das Spiel zu bekommen, und auch die Zweikämpfe angenommen. Im Derby hatten wir mehr Standards als der Gegner. Wir waren also durchaus engagiert. Vorne jedoch hätten wir mehr das 1:1 suchen und mehr riskieren müssen. Ein Topteam entwickelt sich nicht von heute auf morgen. Die Mannschaft braucht Zeit, um sich zu finden.

Nun trifft GC am Samstag auf den FC Basel. Wieso wird ausgerechnet gegen die erfolgreichste Mannschaft der letzten zehn Jahre eine Wende erfolgen?

Gleich gegen drei der besten vier der letzten Saison zu beginnen, ist nicht gerade einfach. Trotzdem rechnen wir uns gegen Basel gute Chancen aus. Sie sind ebenfalls nicht gut gestartet, stehen aber viel mehr unter Druck als wir. In Basel erwartet man, dass der FCB immer an der Spitze steht. Das kann blockieren und uns die Riesenchance bieten, Fahrt aufzunehmen.

Sie sind seit rund 100 Tagen Chefcoach bei GC. Was hat sich in dieser Zeit zum Positiven verändert?

Seit ich bei GC angefangen habe, hatte und habe ich das Gefühl, dass alle am gleichen Strick ziehen, gemeinsam etwas Langfristiges aufbauen wollen und die gleiche Philosophie vertreten – nach aussen wie nach innen. Und Interna bleiben Interna. Zuvor hatte ich – von aussen betrachtet – den Eindruck, dass dies in der Vergangenheit nicht immer der Fall war.

Und wo muss – von den Strukturen über das Kader bis zur Fussballphilosophie – noch der Hebel angesetzt werden?

Es gibt immer Dinge zu verbessern. Insgesamt sind die Strukturen gut gesetzt, wir haben eine gemeinsame Philosophie und sind laufend dabei, das Kader zu optimieren. Insbesondere für die Offensive suchen wir noch den einen oder anderen Topspieler, der aber – da wir nicht über die finanziellen Mittel wie andere Clubs verfügen – möglichst wenig kosten sollte. Handkehrum haben wir auch einige Spieler, die mit ihrer gegenwärtigen Situation bei GC nicht glücklich sind und für die ein Wechsel zu einem anderen Verein im gegenseitigen Interesse wäre.

Stichwort Kader. GC hat sich letzte Woche mit Innenverteidiger Nathan, der zuletzt bei Servette Genf spielte, verstärkt. Wann darf er sein Können unter Beweis stellen?

Zwei bis drei Wochen braucht er schon noch. Nathan ist zwar in einer guten Verfassung, ist stark im Spielaufbau, aber noch nicht topfit und kennt auch unser System noch nicht.

Reicht die Qualität insgesamt, um um einen Europa-League-Platz mitzuspielen und nicht wieder gegen den Abstieg kämpfen zu müssen?

Wir werden mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Die Substanz ist gross genug für einen Europa-League-Platz, vorausgesetzt, es fallen nicht vier, fünf Schlüsselspieler gleichzeitig für ein paar Wochen aus.

Sie haben um einen Kasten Bier gewettet, dass GC am Ende der Saison vor dem FCZ liegt. Nicht gerade ein mutiger Einsatz.

Der Einsatz wurde mir vom «Blick» untergejubelt. Klar, im Moment stehen meine Chancen nicht so gut, der FCZ ist gegenwärtig besser, vor allem, weil das Team eingespielt ist. Aber die Saison ist ja noch lang. Und sollte an deren Ende der FCZ Meister und wir dafür Zweiter sein, dann bin ich wahrscheinlich auch zufrieden und zahle dann gern den Kasten Bier.

Was halten Sie von Zürich als Stadt. Fühlen Sie sich bereits zu Hause?

Laut einigen Statistiken ist Zürich die lebenswerteste Stadt der Welt. Dem kann ich – bis auf den Umstand, dass hier alles ziemlich teuer ist – nur zustimmen. Ich fühle mich in Zürich sehr wohl und hätte sicher nichts dagegen, hier eine längere Zeit zu verbringen.

Zur Person

Geboren am 29. Oktober 1967 in Dortmund, begann Thorsten Fink seine Karriere als Aktiver beim SV Roland Marten. Über Wattenscheid (2. Bundesliga) und Karlsruhe landete der defensive Mittelfeldspieler 1997 beim FC Bayern München, mit dem er in der Folge vier Meistertitel, drei Pokalsiege und einmal den Champions-League-Titel errang. Seine ersten Sporen als Coach verdiente sich Fink 2006 bei Red Bull Salzburg (Junioren- und Assistenztrainer), ehe er bei Ingolstadt, dem FC Basel (2× Meister, 1× Cupsieger), HSV, Apoel Nikosia und Austria Wien und im Frühjahr 2018 bei GC das Zepter übernahm.

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