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Interview

Gehört auch zu den Aufgaben von Ferdinand W. Uehli und seinem Team: Die Überprüfung der Temperatur von Speisen. Bild: SB

Gäste-WC ist kein Indiz für Sauberkeit

Von: Sacha Beuth

15. November 2016

Wie ist es eigentlich um die Hygiene in den Zürcher Gastro- und Lebensmittelbetrieben bestellt? Ferdinand W. Uehli (56), Leiter des Lebensmittelinspektorats, findet sowohl lobende wie kritische Worte.

Wie beurteilen Sie generell die ­hygienischen Zustände in den ­Zürcher Gastro- und Lebensmittel­betrieben?

Ferdinand W. Uehli: Insgesamt als sehr gut. Die lebensmittelrechtlichen Vorgaben werden mit wenigen Ausnahmen erfüllt und Beanstandungen zumeist in der vorgegebenen Frist behoben.

In der kalten Jahreszeit haben Käse- und andere Fondues auch in den Restaurants Hochsaison. Ist dies nicht hygienetechnisch kritisch, wenn alle ihre Gabel in die Flüssigkeit tunken?

Beim Käsefondue ist das kein Problem. Durch die Hitze im Caquelon werden Bakterien, auch vom menschlichen Speichel, abgetötet. Bei Fleischfondues ist Pouletfleisch heikel. Das muss immer komplett und lange eingetaucht, also durchgegart werden. Zudem ist rohes Fleisch generell strikte von übrigen Lebensmitteln zu trennen. Wer nicht darauf achtet, riskiert, sich mit einer Magen-Darm-Krankheit zu infizieren. Diesbezüglich hatten wir letztes Jahr vermehrt Probleme.

Wo besteht generell am meisten Handlungsbedarf?

Die meisten Fälle drehen sich um mangelhafte Sauberkeit sowie Lebensmittel, die überlagert, also zu lange aufbewahrt, wurden.

Was war das Ekelerregendste, das Sie je bei einer Kontrolle gesehen haben?

Da gibt es einiges. Ich erinnere mich noch an ein Restaurant, in dessen Küche am helllichten Tag in praktisch jeder Ecke eine Kakerlake herumkrabbelte. Wenn man weiss, dass die meisten dieser Tiere erst hervorkommen, wenn es dunkel ist, kann man sich vorstellen, wie stark der Befall war. Übel war auch, als wir einmal einen Kühlschrank kontrollierten, der mit verschimmelten und verfaulten Lebensmitteln gefüllt war.

Welche Möglichkeiten hat das ­Lebensmittelinspektorat, um fehlbare Gastrobetriebe zu bestrafen?

Am Anfang steht eine Verfügung ­anhand des Befundes. In der Regel ­bedeutet dies, dass dem fehlbaren Betrieb eine Frist eingeräumt wird, innerhalb dieser er die Mängel behoben haben muss. Je nach Um­ständen kann aber nebst der Ver­fügung eine Verzeigung, eine Beschlagnahmung, ein Benützungsverbot für Räumlichkeiten oder Gerätschaften oder als letzter Schritt eine vorübergehende Betriebsschliessung erfolgen.

Bei Hygieneverstössen werden Lokale selten bis nie beim Namen genannt. Warum gilt der Schutz des Betriebs mehr als die Gesundheit des Gastes?

Dem ist nicht so. Aber eine Veröffentlichung bringt dem Gast kaum einen Nutzen. Etwa wenn es eine einmalige Sache war. Ausserdem kann der Ruf eines Lokals für immer ruiniert sein, selbst wenn später ein neuer Betreiber den Laden führt. Gästen und dem Betreiber ist mehr gedient, wenn die Mängel möglichst schnell behoben werden. Und darauf liegt unser Fokus.

Gibt es auch für den Laien ersichtliche Hinweise, ob ein Lokal die Hygienevorschriften befolgt oder nicht?

Nein. Entgegen einer vielfach gehörten Aussage ist auch der Zustand des Gäste-WC kein verlässliches Indiz. Es gibt Betriebe, die dieses penibel sauber halten und bei denen trotzdem in der Küche üble Hygienemängel herrschen können. Etwas helfen kann einzig das «Hygiene-Testat», das Betriebe bei ihrem Verband beantragen dürfen, wenn sie die gesetzlichen Kriterien erfüllen. Das Anbringen eines solchen Testats ist ­allerdings freiwillig.

Zur Person

Ferdinand W. Uehli, geboren am 29. 10. 1960 in Zürich, begann nach anderen Tätigkeiten 1987 als Lebensmittelkontrolleur zu arbeiten. 2004 wurde er Lebensmittelinspektor des Kantonalen Labors Zürich. Seit 2009 leitet er das Lebensmittelinspektorat beim Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich (UGZ).

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