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Interview

Rapper mit Kunst-Bachelor: David Kohler alias Knackeboul (33) hat sein neues Album «Knacktracks» veröffentlicht. Bild: PD

"Gutmenschen macht man mundtot"

Von: Clarissa Rohrbach

19. Januar 2016

Am 5. Februar stelltder Rapper Knackeboul sein neues Album «Knacktracks» im Moods vor. Mit uns redet der Revoluzzer über Armut, Flüchtlinge und den Kapitalismus.

Darf ein Rapper nett sein?
Muss er denn unnett sein?


Ich frage, weil andere Rapper Sie als Clown bezeichneten, der sich ans Fernsehen verkauft und den Hip-Hop verrät.
Rap entstand zwar in der Unterschicht. Doch das Image des krassen Gangsters ist auch Showbusiness. Ich habe mir kein zweites Ich konstruiert, meine Kunstfigur und meine Privatperson stehen sehr nahe beisammen. Am liebsten ist es mir, wenn alles geschmeidig abläuft, ohne Konfrontationen. Ich bin nun mal eher der nette Schwiegersohn-Typ. Und im Grunde einfach nur Mensch.


Sie kommen ja auch nicht aus dem Ghetto.
Das täuscht. Die Ehe meiner Eltern scheiterte, ich wuchs die ersten Jahre in Portugal als Sohn einer alleinerziehenden Mutter mit vier Geschwistern auf. Als ich mit zehn Jahren in die Schweiz zurückkehrte, waren wir auf Sozialhilfe angewiesen. Wir zogen Kleider aus der Sammlung an und mussten das Geld fürs Skilager zusammenkratzen. Wir waren so arm, dass ich in der Schule gehänselt wurde. Das hat mir gezeigt, was es bedeutet, Aussenseiter zu sein.


Der Sound des neuen Albums «Knacktracks» ist angriffiger, die Texte sind expliziter. Ist das ein Versuch, krasser zu sein?
Meine Musik war eigentlich immer schon kompromisslos. Es ist eher meine Fernsehfigur, die sich dem Mainstream anpasst. Das Album ist eine Gegenreaktion auf dieses angepasste Künstlerdasein. Nur weil das SRF in der Musiksendung «Cover me» alle Fluchworte rausschnitt, bedeutet das nicht, dass ich so bin.


Sie haben die Platte im Ausland aufgenommen. Wie war das?
Aufregend. In der Schweiz wird man als Musiker nicht ernst genommen, man ist eingeengt. In Los Angeles hingegen gibt es eine riesige Musikindustrie. Ich habe sechs Wochen lang wie ein Rockstar gelebt.


Im Song «Kinder des Kapitalismus» führen Sie die Kritik am System weiter. Ist eine Welt ohne Kapitalismus realistisch?
Es geht mir um die negativen Folgen eines Systems, das die Menschen nur über ihre Leistung definiert. Das sind: Burn-out, Depressionen, Süchte. Ich rufe nicht dazu auf, den Kapitalismus zu überwinden, sondern ihn ethischer zu leben. Lustig ist, dass bei jeder Chance, etwas zu verändern, genau die Leute dagegen sind, die am meisten unter dem Kapitalismus leiden. Die kleinen Leute haben gegen die 1:12-Initiative gestimmt, weil ihnen die oberen Zehntausend Angst ein­ge­trich­tert haben. Jeder Versuch, die Gesellschaft gerechter zu gestalten, wird im Keim erstickt. Und man schwingt die Kommunismus-Keule gegen diejenigen, die etwas tun wollen.


Trotz Ihrer sozialen Einstellung bestreiten Sie, links zu sein. Wieso?
Klar bin ich eher links, aber pauschale Bezeichnungen wie links und rechts sind gefährlich. So hören einander die Parteien nicht mehr zu. Sobald man etwas zu fairen Löhnen sagt, wird man in die Sozi-Schublade gesteckt. Die Leute grenzen sich heute sehr gerne ab. In der jetzigen Zeit, wo uns täglich Schreckensmeldungen überfluten, wir zu viele Möglichkeiten haben und nichts, woran wir uns festhalten können, stärken die Menschen ihre Identität, indem sie sich von den anderen distanzieren.


Vor einigen Jahren haben Sie mit Youtube-Videos für Furore gesorgt, in denen Sie für eine gerechtere Asylpolitik plädieren. Was denken Sie über die jetzige Flüchtlingskrise?
Es wird immer schlimmer. Schon nur das Wort Flüchtling ist betrügerisch, es reduziert die Menschen und ist negativ besetzt. Die Schweiz lebt in einer Glasglocke, mit ihrer Neutralität windet sie sich immer aus schwierigen geschichtlichen Momenten heraus. Dabei machen wir Geschäfte mit der ganzen Welt. Es ist unsere Pflicht, Verantwortung zu tragen und diesen Menschen zu helfen. Das sind keine «Flüchtlinge», sondern ganz normale Menschen wie ich und Sie.


Sie verteidigen sich mit der Zeile «Du nennsch mi böswillig Gutmensch, figg di!» und schrieben in Ihrer Kolumne in der «Tageswoche»: «Gutmenschen der Schweiz, vereinigt euch.» Gutmenschen wie Sie scheinen es heute nicht leicht zu haben.
«Gutmensch» wurde zum Unwort 2015, weil Rechtspopulisten Leute, die Gutes für die Menschen wollen, mundtot machen. Es stempelt sie als weltfremd und verblendet ab. Wer es aber ernst meint, ist nicht so naiv. Leider gibt es kaum Plattformen für diejenigen, die so denken. Die SP bringt ja nichts auf die Beine. Und es fehlt eine Figur, hinter die sich Gutmenschen scharen könnten. Es ist einfacher, mit Wut und Angst zu mobilisieren, so wie es Blocher tat. Viele wollen das Gute für den Menschen, nur wagen sie es nicht zu sagen, weil sie lächerlich gemacht werden.


Würden Sie einen Flüchtling aufnehmen?
Ja. Das ist aber eigentlich eine fiese Frage, um mir einen Strick daraus zu drehen, wenn ich Nein sagen würde. Es gibt einen Mittelweg zwischen den Hasstiraden der SVP und jemanden bei sich aufzunehmen. Oder nicht?


Die Plattentaufe von Knackebouls «Knacktracks» findet am 5. Februar im Moods statt.

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