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Interview

"Ich bin Anwalt und kein gesteuertes Sprachrohr"

Von: Ginger Hebel

26. November 2013

Der Milieu-Anwalt Valentin Landmann steht oft im Rampenlicht. Aktuell im Zusammenhang mit der Zürcher Polizei­affäre rund um den Sexclub Chilli’s. Der umtriebige 63-Jährige führt seit 1984 seine eigene Kanzlei im Kreis 6 und ist Buchautor.Im Dezember erscheint sein neues Werk «Die verschwiegene Geiselnahme – der Steuerkrieg zwischen den USA und der Schweiz».

Kein Skandal in Zürich ohne Landmann?!

Valentin Landmann: Offenbar ziehe ich ihn an. Ich stelle mich jetzt nicht auf die Strasse und schaue, wo ein Skandal passiert, und stürze mich drauf. Wir erhalten oft Anfragen für heikle Fälle aus dem Rotlicht-, Politiker- und Banker­milieu.

Interessieren Sie sich nur für Fälle, die Publizität versprechen?

Landmann: Das kann man so nicht sagen. Es gibt einen hohen Prozentsatz von Fällen, von denen nie jemand etwas hört. Kürzlich habe ich mich darum bemüht, dass der Klient nirgends in der Presse in Erscheinung tritt, weil es für ihn wirtschaftlich gesehen tödlich ge­wesen wäre.

Sie vertreten einerseits die Sittenpolizei wie in der aktuellen Bestechungsaffäre, aber auch das Milieu. Führt das nicht zum Interessenkonflikt?

Landmann: Gar nicht. Mich interessieren beide Seiten, ich will mich nicht fixieren. Natürlich ist es nicht möglich, sich zusammenhängender Fälle gleichzeitig anzunehmen. Wären wir die Verteidiger des Chilli’s – was wir nicht sind –, hätte das nicht funktioniert. Ich kenne meinen Mandanten seit Jahren und bin froh, dass wir die Vorwürfe entkräften konnten. Ich gebe selten Prognosen ab, aber als ich gehört habe, dass dieser Polizeibeamte verhaftet wurde, konnte ich es mir bei ihm schlicht und einfach nicht vorstellen. Und ich habe mich nicht geirrt.

Der Kreis 4 wird immer mehr zum Vergnügungscenter mit Clubs und Bars, die Stadt will die Prostitution einschränken. Was sagen Sie zu den Veränderungen?

Landmann: Veränderungen passieren in jeder Stadt. Ich finde aber, dass man dem Kreis 4 sein Refugium etwas lassen sollte, es gehört für mich zum Kolorit. Es gibt keine Strichzone mehr, und die Absteigen von früher sind verschwunden. Das ist ein Unglück für die nicht mehr ganz so jungen Prostituierten, die ihre Stammfreier haben und nur schwer einen neuen Ort finden. Es wäre das Verheerendste, wenn man Prostitution verbieten würde, denn dann gerät sie in die Hände der organisierten Kriminalität. Gezielte Erlaubnis ist immer besser als Verbot.

Sie verteidigen vor Gericht auch SVP-­Politiker wie Christoph Mörgeli und Hermann Lei in der Affäre Hildebrand. Oft scheint nicht ganz klar, ob Sie deren Anwalt sind oder der Pressesprecher.

Landmann: Ich bin der Anwalt und kein gesteuertes Sprachrohr. Ich frage meine Klienten, ob ich informieren soll. Wenn ich das Okay habe, stelle ich immer die Bedingung, dass ich spontan ­sagen darf, was ich richtig finde.

Sie sind bekannt für Ihre brillanten ­Plädoyers. Sind diese der Schlüssel zum Erfolg?

Landmann: Es ist ein Stil. Man verteidigt nie die Taten, mich interessieren die Menschen hinter einem Fall. Ich habe diese Woche einen Gerichtsfall im ­Pädophilenbereich. Als Strafverteidiger geht es mir darum, dem Richter plausibel aufzuzeigen und zu erklären, wie so etwas entsteht, nicht zu entschuldigen. Das erlaubt ein sachgerechtes Urteil.

Früher übten sich Anwälte in Zurückhaltung. Braucht es heute Medienpräsenz und Social Media, um die Öffentlichkeit und das Gericht günstig zu stimmen?

Landmann: Mich hat mal jemand gefragt, ob er eine Facebook-Seite machen darf. Ich bin in keinem sozialen Netzwerk selber aktiv. Ich finde aber wichtig, dass sich die Öffentlichkeit mit dem Entstehen von Straftaten und Kriminalität befasst.

Sie sind bekannt geworden als Anwalt der Hells Angels und sind freundschaftlich mit ihnen verbunden. Was fasziniert Sie an Randgruppen?

Landmann: Ich mag Charakterköpfe. Leute, die vielleicht ein martialisches Auftreten haben, aber keine kriminelle Organisation sind. Ich bin seit über 30 Jahren Konsulent der Hells-Angels-Vereinigung, aber ich bin nie ein Mitglied gewesen, obwohl ich Töff fahren kann. Ich gehe aber sehr gerne an ihre Treffen.

Ihr Vater war Philosophieprofessor, Ihre Mutter Schriftstellerin. Sie waren ein Musterschüler, und Ihr Studium der Rechtswissenschaft schlossen Sie nach nur sechs Semestern mit der höchsten Auszeichnung ab. Warum wollten Sie ­Jurist werden?

Landmann: Als Sechsjähriger wollte ich Anwalt oder Physiker werden, beim Anwalt ist es geblieben. Ich habe immer gerne etwas geleistet und mich interessiert. Wenn ich heute der Person von damals begegnen würde, dann hätten wir Krach. Ich würde denken, was ist denn das für ein bornierter Typ, der nicht in der Lage ist, zu kapieren, dass nicht ­alles so einwandfrei läuft.

Sie tragen einen Totenkopf am Gürtel, auf Ihrem Schreibtisch steht auch einer. Was bedeutet das?

Landmann: Nichts Düsteres. Es ist wie mit meiner Leidenschaft für Uhren, mich fasziniert die Lebenszeit-Symbolik. Ein Hells Angel hat an einer Beerdigung zu mir gesagt: «Du musst den Tod nicht fürchten. Fürchten müsste man, im Zeitpunkt des Todes nicht gelebt zu haben.» Seither erinnert mich der Totenkopf ­daran, den Wert von Lebenszeit zu schätzen und zu geniessen.

Wie geniessen Sie denn Ihr Leben?

Landmann: Ich schwimme jeden Tag, das ist für mich die beste Methode, um Stress abzubauen. Privat bin ich eher der ruhige Typ. Man findet mich nie in einer In-Bar, dafür an Orten, wo man gut essen kann. Ich mag auch Bratwurst, sie muss aber gut sein. Das ­Leben ist zu kurz, um eine schlechte zu essen.

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