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Interview

Literatur-Jungstar: Der 21-jährige Stefan Bachmann. Bild: Gerry Nitsch

"Ich möchte einfach besser werden"

Von: Isabella Seemann

28. Oktober 2014

Stefan Bachmann gilt als Wunderkind der Literatur. Seinen ersten Roman schrieb er mit zwölf, den ersten Bestseller landete er mit 16. In den USA wird der Fantasy-Autor von der Kritik gar als Nachfolger von J. K. Rowling gehandelt. Eine Schule hat Stefan Bachmann nie besucht. Seine amerikanische Mutter unterrichtete ihn und seine vier Geschwister zu Hause in Adliswil bis zum Highschool-Abschluss. Seit seinem elften Lebensjahr besucht er das Zürcher Konservatorium, an welchem er Orgel und Komposition studiert. Während seine deutschsprachigen Fans sich noch um Band 1 «Die Seltsamen» reissen, hat der Diogenes Verlag eben seinen zweiten Roman «Die Wedernoch» auf Deutsch veröffentlicht.

Tagblatt der Stadt Zürich: Stefan Bachmann, gab es für Ihren Roman «Die Seltsamen» und den Nachfolger «Die Wedernoch» eine Idee, ein Sandkorn in der Auster, aus der sich das Ganze entwickelte?

Stefan Bachmann: Als ich anfing an die «Die Seltsamen» zu arbeiten, wusste ich nur, dass ich ein Buch schreiben wollte, das ich selber gern lesen würde, mit all den Elementen, die mich interessierten: also Viktorianisches Zeitalter, englische Folklore, Steampunk, Mystery.

Haben Sie eine Erklärung für diese Gabe, Geschichten zu erfinden?

Als wir Kinder waren, las meine Mutter mir und meinen Geschwistern immer vor. Ich wuchs auf in einem Haus voller Bücher. Ich war ganz besessen vom Lesen, und vom Lesen habe ich am meisten gelernt, wie man selber Geschichten schreiben kann.

Was ist für Sie der schwierigste Teil auf dem Weg zu einem fertigen Buch?

Die Umsetzung. Versuchen, was man im Kopf hat, in Wörter umzuwandeln und die eigenen Gedanken und Gefühle für andere verständlich zu machen ist immer das, was mich am meisten Zeit kostet. Ideen zu finden ist da nicht halb so schwierig, und Recherche mache ich sehr gern.

Gibt es für Sie einen typischen Schreiballtag?

Mein Alltag ist ein bisschen vermischt mit Uni und üben und Aufgaben. Einen typischen Tag gibt es nicht wirklich. Im Moment schreibe ich vor allem am Wochenende und während der Ferien. Da bin ich wirklich froh um die langen Semester­ferien.

Und was war Ihr bisher bewe­gendstes Erlebnis als neuer Literatur-Jungstar?

Bei einem Schulbesuch in Chicago gab es ein Mädchen, das sich als Tochter eines Weissen und einer Afroamerikanerin mit den halb Fee, halb Menschenkindern aus «Die Seltsamen» stark identifizierte. Sie hat mir erzählt, dass sie von Hetties und Bartholomews langen und oft düsteren Reise Mut schöpfen konnte. Das hat mich sehr berührt und gefreut.

Was grosse, fantastische Werke auszeichnet, ist ihre Doppelsinnigkeit. Der erwachsene Leser entdeckt andere Zusammenhänge als der kindliche. Ist es schwer für Sie, mit diesen unterschiedlichen Lesern im Kopf zu schreiben?

Das tönt vielleicht unlogisch, aber ich versuche nicht nachzudenken über die verschieden Typen von Lesern, die das Buch dann lesen werden. Wenn man krampfhaft versucht, zu viele Menschen gleichzeitig glücklich zu machen, wird man bei niemandem Gefallen finden. Ich konzentriere mich also auf eine sehr kleine Gruppe: auf meine US-Lektorin zum Beispiel, oder meine besten Freunde, oder meine älteren Brüder und die Schwester. Und dann muss auch ich selber zufrieden sein mit dem Produkt. Danach kann ich nur hoffen, dass es anderen auch gefallen wird.

«Die Seltsamen», den sie mit 16 Jahren auf Englisch schrieben, kam diesen Frühling auf Deutsch heraus. Wie stehen Sie heute als 21-Jähriger zu diesem Buch?

Es fühlt sich schon nach einer langen Zeit an, seit ich «Die Seltsamen» und «Die Wedernoch» geschrieben habe. Ich bin froh, habe ich sie fertiggebracht. Ich habe viel gelernt, habe mein Bestes gegeben, das ich als 16- bis 19-Jähriger geben konnte, aber die Bücher sind jetzt fertig und gehören den Lesern. Das heisst, ich versuche zu vermeiden, über sie nachzudenken und schreibe einfach weiter.

Wie möchten Sie als Schriftsteller wahrgenommen werden?

Gern wäre ich nicht zu sehr fest­genagelt. Ich möchte verschiedene Sachen ausprobieren und schreiben, nicht nur Fantasy und nicht unbedingt nur für Jugendliche. Vor allem möchte ich einfach besser werden.

Ist die Musik von gleicher Bedeutung für Sie wie das Schreiben – zumal seit Ihrem Erfolg als Schrift­steller?

Als Kind war ich noch recht ambitioniert in Musik, nahm ständig an Wettbewerben teil und hatte auch dort Erfolg. Jetzt ist das ein bisschen mehr zur Seite gerutscht, obwohl ich zurzeit an der Zürcher Hochschule der Künste Musik studiere. Mir bedeutet es immer noch genau so viel wie vorher, aber leider hat der Tag nur 24 Stunden.

Wird Ihnen manchmal schwindelig, wenn Sie Ihr unglaublich vielfältiges Werk und Ihren Erfolg betrachten?

Danke! Nein. Dass Menschen meine Bücher lesen, freut mich sehr. Ich bin dafür dankbar, aber ich denke nicht darüber nach, denn ich habe eigentlich keine Kontrolle über Erfolg oder Misserfolg. Und der Erfolg kann sich auch ganz schnell abwenden.

Sind Sie dabei auch schon einmal abgestürzt, künstlerisch gesprochen?

Es gab ein oder zwei deutschsprachige Lesungen, von denen ich müde und fixfertig weggegangen bin. Die Leute sassen einfach wie Steine da, reagierten auf nichts. Da will man sich schon zurückziehen und für immer fertig sein mit Promosachen. Aber Schreiben werde ich immer gern. Da sehe ich keinen Grund abzustürzen.

Haben Sie einen Plan für ein neues schönes Buch?

Ich schreibe gerade an meinem dritten Buch für Harper Collins. Es kommt voraussichtlich 2016 heraus und hat keine Zusammenhänge mit den letzten beiden, spielt im Jetzt und ist in einem schärferen Stil geschrieben.

Eine Schlussfrage: Wenn Sie sich in eine Figur in der Literatur verwandeln könnten, welche würden Sie wählen?

Ich weiss es nicht! Buchcharaktere haben oft ein furchtbar gefährliches Leben. Da wäre ich gern jemand in einem sehr fröhlichen, langweiligen Buch.   


Stefan Bachmann: «Die Seltsamen» und «Die Wedernoch», beide 2014 im Diogenes-Verlag erschienen, Fr. 24.90

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