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Interview

Lotet nicht nur am Hochseil, sondern auch in der Motorradkugel seine Grenzen aus: Artist und Extremsportler Freddy Nock. Bild: PD

«Ich spürte, wie mich mein Schutzengel auffing»

Von: Sacha Beuth

18. Februar 2014

Als Hochseilartist und Extremsportler hat sich Freddy Nock über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Zahlreiche Weltrekorde – unter anderem für den längsten Lauf in einem Todesrad (24 Stunden) – und Auszeichnungen wie etwa die Silbermedaille am Internationalen Zirkusfestival von Monte Carlo 1995 schmücken seinen Palmarès. Bei seinem Auftritt an der Swiss Moto im Hallenstadion in der Motorradkugel will der 49-jährige ­Gränicher im Rahmen seiner Show «Globe of Speed» wieder einen Welt­rekord schaffen.

Tagblatt der Stadt Zürich: Freddy Nock, mit sechs weiteren Motorradfahrern wollen Sie an der Swiss Moto in einer Stahlkugel von 4,90 Meter Durchmesser für einen Weltrekord sorgen. Was sind dabei die grössten Schwierigkeiten?

Freddy Nock: Dass jeder zum andern 40 bis 50 Zentimeter Abstand hält. Und dass alle mit dem gleichen Tempo fahren, vor allem die, welche im oberen Bereich der Kugel sind. Wenn einer ­einen Fehler macht, dann knallts mit hoher Wahrscheinlichkeit. Volle Konzentration und Koordination sind hier das A und O.

Statt mit Ihrer eingespielten Truppe wagen Sie sich mit Amateuren, die sich über ein Casting qualifiziert haben, in die Kugel. Ist das nicht fahrlässig?

Nein. Einerseits war der Auswahlprozess sehr streng. Von ursprünglich 105 Interessenten sind nun noch 10 übrig, die für einen Auftritt an der Swiss Moto infrage kommen. Ausserdem haben wir jetzt unter meiner Anleitung rund drei Monate intensiv zusammen trainiert. Natürlich gab es dabei den einen oder anderen Zusammenstoss. Aber ich denke, dass nun alle physisch wie psychisch so weit sind, dass unser Vorhaben gelingt.

Kennen Sie keine Angst? Oder ist die Sucht nach Rekorden einfach stärker?

Ich mache das nicht wegen der Rekorde, jedenfalls nicht nur. Im Vordergrund steht ganz klar der Spass an der Sache. Angst hatte ich früher mal. Als ich mit 11 das erste Mal auf dem Hochseil lief, war mir ziemlich mulmig zumute. Inzwischen ist diese Angst einer gesunden Portion Respekt gewichen. Am wichtigsten ist es in meinem Job, die jeweilige Situation richtig einzuschätzen. Dazu gehört auch, im Zweifelsfall eine Aktion abzubrechen.

Bei den meisten Aktionen verzichten Sie auf eine Sicherung. Warum?

Bis ich 14 war, durfte ich auf Geheiss meiner Eltern nur mit einer Sicherung im Zirkus auftreten. Danach habe ich in der Regel darauf verzichtet, weil sie mich bei der Arbeit vielfach behindert und manchmal dadurch erst gefährliche Situationen ausgelöst werden. Aus­serdem muss man sich dabei meist auf andere verlassen. Ich verlasse mich jedoch lieber auf mich allein, auf mein Können und meine Reaktionsfähigkeit. Zudem ist eine Sicherung keine Garantie. Ich habe in einem amerikanischen Zirkus Akrobaten gesehen, die ins Netz gesprungen sind und sich das Genick gebrochen haben.

Sie sind fünffacher Vater. Was halten Ihre Frau und Ihre Kinder von Ihrer Tätigkeit?

Sie stehen voll hinter mir, und das ist mir auch sehr wichtig. ­Natürlich haben sie manchmal Angst um mich, sagen aber auch: Wir wissen, du kannst das. Auch hat eine meiner Töchter selbst Gefallen an meiner Tätigkeit gefunden und gehört inzwischen meinem Motorradteam an.

Ihre ersten artistischen Erfahrungen haben Sie im Circus Nock, dem Zirkus Ihres Grossvaters, gesammelt und danach in anderen Zirkusunternehmen grosse Erfolge feiern können. Warum haben Sie die Zirkuswelt verlassen?

Hauptsächlich weil ich meinen Kindern eine gute Schulbildung ermöglichen wollte. Wohl haben einige Zirkusse auch Schulen für die Kinder ihrer Angestellten. Doch was dort an Bildung vermittelt wird, ist in der Regel unzureichend. Ich habe mich also ab 1999 auf Galas und Events spezialisiert. Nur 2010 bin ich für eine Saison zum Zirkus zurückgekehrt, und zwar zum Circus Knie. Dort aufzutreten, war schon immer mein Traum. Und das Engagement hat mir in der Folge sicher viele Türen geöffnet.

Wie viele Stunden pro Tag verwenden Sie für Vorbereitung und Training?

Auf dem Hochseil können das 30 Minuten bis zu fünf Stunden am Tag sein. Es kommt immer darauf an, was ansteht und wie ich mich gerade fühle. Ich gehe auch praktisch jeden Tag joggen, trainiere auf der Powerplate, achte auf meine Ernährung und mache Atemtechnikübungen. Mein Fitness­level ist mit dem eines Spitzensportlers vergleichbar. Schliesslich muss ich beim Hochseilakt manchmal stundenlang meine 30 kg schwere Balancierstange halten und enorme Steigungen bewältigen können.

Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Art und Ort eines Weltrekordversuchs aus?

Die sind so zahlreich wie meine Ideen. Grundsätzlich will ich das Unmögliche möglich machen, bevorzugt in der Natur, vor einer Bergkulisse und am liebsten in der Schweiz. Ein Traum von mir ist, am Züri-Fäscht auf dem Seil den See zu überqueren. Anfragen von den Veranstaltern gab es schon, aber bislang sind wir uns noch nicht einig geworden.

Was war die gefährlichste Situation, die Sie bei Ihrer Artistentätigkeit erlebt haben?

Gefährliche Situationen gab es viele. Die schlimmste erlebte ich 2011 in Moskau. Ich sollte bei Nacht auf dem Seil einen Fluss überqueren, das zwischen zwei Kränen gespannt war. Weil nicht genügend Licht vorhanden war, musste das Seil tiefer gehängt werden. Ich stand auf einem der Kräne und beobachtete deren Manöver, als plötzlich das Seil riss und ich durch die dadurch verursachte Vibration fast vom Kran geschleudert worden wäre. Man mag vielleicht darüber schmunzeln, aber in diesem Moment spürte ich, wie mich mein Schutzengel auffing und mir etwas zum Festhalten in die Hände schob.

Swiss-Moto

Die Swiss Moto findet vom 20. bis zum 23. Februar 2014 in der Messe Zürich in Oerlikon statt. Mehrmals täglich ist Freddy Nocks Show «Globe of Speed» zu sehen. Der Weltrekordversuch ist für Donnerstag (11 bis 11.30 Uhr) geplant. Eine Kostprobe sehen Sie hier.

www.swiss-moto.ch

Letzte News: Weltrekord geknackt!

Freddy Nock und sein Team haben es geschafft. Am Donnerstag, um 11.36 Uhr, drehten sie zu siebt in der Motorradkugel an der Swiss-Moto ihre Runden - Weltrekord.

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