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Interview

Strahlende Bronzemedaillengewinnerin: Florence Schelling an ihrem Arbeitsort, dem Sitz des Internationalen Eishockeyverbandes an der Brandschenkestrasse. Bild: Sacha Beuth

«Im Fraueneishockey fehlt die Basis»

Von: Sacha Beuth

04. März 2014

Keine zwei Wochen ist es her, als Eishockeygoalie Florence Schelling zusammen mit ihren Teamkameradinnen überraschend Bronze für die Schweiz an den Olympischen Spielen in Sotschi gewann. Ein Erfolg, der nicht zuletzt den grandiosen Paraden der 24-jährigen Zürcherin, die seit 2013 im Männerteam des EHC Bülach spielt, zu verdanken ist. Doch mit der Wiederaufnahme der NLA ist das mediale Interesse am Fraueneishockey auch wieder verschwunden. Im «Tagblatt» erzählt Schelling, wie sie damit umgeht, wie sie Olympia erlebt hat und wie es ist, im Alltag in einem Männerteam zu spielen.

Tagblatt der Stadt Zürich: Florence Schelling, wie fühlt man sich als Olympia-Medaillengewinnerin?

Florence Schelling: Unbeschreiblich. Ich glaube, ich habe gar noch nicht wirklich realisiert, was da passiert ist. Irgendwie fehlte mir auch die Zeit dazu. Am Tag nach dem Spiel um Platz drei sind wir abgereist, einen Tag darauf stand ich bereits wieder im Einsatz für den EHC Bülach, und nun hat mich auch mein Berufsalltag in der IT-Administration des Internationalen Eishockeyverbandes wieder eingeholt.

Welche Momente in Sotschi werden Ihnen immer in Erinnerung bleiben?

Da gibt es viele. Sicher unser erstes Spiel gegen Kanada, das letzte Drittel gegen Schweden, das Feiern auf dem Eis nach der Schlusssirene, die Medaillenübergabe und nicht zu vergessen das super Wetter. Ich habe es gerne warm und sonnig. So konnte ich auch neben dem Eisfeld richtig aufblühen.

Im Spiel um Bronze lagen Sie und Ihr Team gegen Schweden erst 0:2 hinten. Woher nahmen Sie die Kraft und die Moral, die Partie in ein 4:3 zu drehen?

Durch unser gegenseitiges Motivieren in der Pause nach dem zweiten Drittel. Wir sassen in der Garderobe und sagten uns: «Unser hartes Sommertraining soll nicht umsonst gewesen sein. Jetzt haben wir noch einmal 20 Minuten Zeit, um unsere volle Leistung abzurufen.» Zum Gelück ist dann auch bald der Anschlusstreffer gelungen. Damit war das Momentum auf unserer Seite. Plötzlich lief bei uns alles, während die Schwedinnen nervös wurden und immer mehr Fehler machten.

Im Vorfeld von Olympia war eher vom Schweizer Männerteam eine Medaille erwartet worden. Nun haben es aber die offenbar unterschätzten Frauen geschafft. Eine Genugtuung für Sie?

Nein, gar nicht. Auch uns hat es betrübt, dass unsere Männernati so früh ausgeschieden ist. Natürlich haben wir aber auch bemerkt, wie sich das Interesse der Schweizer Medien dann in unsere Richtung verschoben hat, was für das Fraueneishockey generell sicher nicht schlecht war.

Trotz des Erfolgs der Schweizer Frauen haben sich Medien und Fans schnell wieder der NLA der Männer zugewandt. Was muss geschehen, damit Fraueneishockey in der Schweiz langfristig populär wird?

Ich denke, das hängt von mehreren Faktoren ab, angefangen bei der Anzahl der lizenzierten Spielerinnen. Uns fehlt die Basis. Während in Kanada rund 80 000 Frauen in einem Verein Eishockey spielen, sind es bei uns etwa 1000. Ebenfalls nachteilig wirkt sich das grosse Gefälle beim Spielniveau innerhalb der Liga und auch innerhalb der einzelnen Teams aus. Lugano und die ZSC Lions sind den anderen weit voraus, ebenso die Nationalspielerinnen im Vergleich zu denen, die nicht in der Schweizer Auswahl spielen. Weiter ist der Verband gefordert, indem er mehr und bessere Trainingsmöglichkeiten schafft. Nur wenn alle Faktoren angegangen werden, werden wir dauerhaft auf hohem Niveau spielen und damit mediale Aufmerksamkeit und Popularität erlangen.

Bislang ist Eishockey noch klar eine Männerdomäne. Wie haben Sie die Sportart für sich entdeckt?

Durch meine beiden älteren Brüder. Die haben schon von klein auf Eishockey gespielt und oft in unserer Garage geübt. Ich habe immer gedrängt, sie sollen mich mitspielen lassen, bis sie sich schliesslich erweichen liessen und mich als 4-Jährige ins Tor stellten. Das hat mir solchen Spass gemacht, dass ich die Sportart unbedingt weiterverfolgen wollte. Meine Eltern haben mich dann kurz darauf bei GC angemeldet. Dort war ich das einzige Mädchen im Team, was für meine Kameraden jedoch keine Rolle gespielt hat. Ab 2003 spielte ich im Männerteam der GCK Lions, half aber bei Bedarf zugleich bei den Frauen der ZSC Lions aus, ehe ich 2008 für mein Wirtschaftsstudium in die USA wechselte.

Dort waren Sie vier Saisons in der NCAA, der höchsten Amateurliga im Fraueneishockey, für die Northeastern University Huskies. Anschliessend folgte eine Saison mit Branton Thunder in der Canadian Women’s Hockey League. Warum haben Sie Ihre Karriere nicht in Amerika fortgesetzt?

In der NCAA darf ein Student nicht länger als vier Jahre spielen. Weil mein Studium aber wegen Praktika und anderer Unterbrüche länger dauerte, wechselte ich in die CWHL. Dort bekommen aber nur kanadische und US-amerikanische Spielerinnen finanzielle Unterstützung von ihren jeweiligen Herkunftsländern. Alle anderen müssen selbst schauen, wie sie zurechtkommen. Für mich war darum klar, dass ich in die Schweiz zurückkehren würde, zumal sich mir bei Bülach die Möglichkeit bot, in einem 1.-Liga-Männerteam zu spielen.

Wieso wollen Sie sich mit dem starken Geschlecht messen?

Weil ich so auf einem anderen Level spielen kann und weil ich das sportliche Niveau dafür habe. Allerdings funktioniert dies wegen der unterschiedlichen anatomischen Voraussetzungen nur als Goalie und nicht als Feldspielerin.

Fühlen Sie sich im Team des EHC Bülach voll akzeptiert, oder gibt es Situationen in denen Sie entweder benachteiligt oder bevorteilt werden?

Ich fühle mich voll akzeptiert, und ich geniesse keine Extrabehandlung – abgesehen vom Duschen, wo für mich eine eigene Kabine in der Gemeinschaftsdusche eingebaut wurde.

Welche sportlichen Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?

Mit der Nati an den nächsten Weltmeisterschaften und den nächsten Olympischen Spielen teilzunehmen und weitere Medaillen zu holen. Und einen Schweizer Meistertitel zu gewinnen und noch etwas mehr Eiszeit zu bekommen.

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