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Interview

Der Internet-Community-Polizist Patrick Jean mit Pressesprecher Michael Wirz. Bild: cla

Internet-Polizist Jean: "Ich antworte mit einem Smiley"

Von: Clarissa Rohrbach

08. Dezember 2015

Patrick Jean ist der erste Internet-Community-Polizist im deutschsprachigen Europa. Zusammen mit Pressesprecher Michael Wirz erklärt er, wie er Fälle mit Facebook und Instagram löst.

Herr Jean, Herr Wirz, was macht ein Internet-Community-Polizist (ICoP)?
Patrick Jean: Ich gebe auf Facebook und Instagram Einblicke in meinen Arbeitsalltag und stehe als Ansprechperson zur Verfügung.


Mit welchen Anliegen melden sich die Leute bei Ihnen?
Sie haben Fragen zu meinen Fällen oder zu Begegnungen mit der Polizei, die sie nicht einordnen können. Oft handelt es sich auch um Streitereien oder Mobbing, bei denen die Leute sich nicht sicher sind, ob sie Anzeige erstatten sollen. Sie schreiben mir aus der Emotion heraus, ich höre zu und schaffe Klarheit. Oft ist dann so der Fall gelöst, ohne dass eine strafrechtliche Angelegenheit draus wird. Auf der Strasse rückt ja die Polizei auch sehr häufig aus, ohne jemanden festzunehmen. Unsere Arbeit hat viel mit Schlichten und Vermitteln zu tun. Das tun wir jetzt auch online.


Der Pilotversuch zeigte eine grosse Nachfrage. In sechs Monaten gab es rund 80 Posts, 5000 Freunde und Follower sowie 600 Dialoge mit Usern. Wieso brauchen die Zürcher einen ICoP?
Michael Wirz: Soziale Netzwerke sind zu einem wichtigen Lebensbereich vieler Menschen in der Stadt geworden. Die Polizei ist gefordert, da zu sein, wo die Bevölkerung ist. Auf unserer allgemeinen Facebook-Seite haben wir bald gemerkt, wie wichtig der Dialog im Internet ist. Der ICoP beantwortet jede Nachricht, sodass ein persönlicher Kontakt entsteht. Das Ziel dabei ist, vor allem jüngere Personen zu erreichen. So haben wir es zum Beispiel auf Instagram mit einem Publikum zwischen 12 und 25 Jahren zu tun.


Die Sprache der Jungen ist ganz anders. Wie antwortet man als Polizist auf ein Smiley?
Jean: Die meisten schreiben nicht sofort über ihr Problem. Vielmals beginnt der Kontaktversuch mit einem «Hallo» oder eben einem Smiley. Ich antworte dann ebenfalls mit einem Smiley. Einige fragen dann, ob ich wirklich Polizist sei. Ich bejahe dann und erkläre, dass man mich alles fragen darf und dass es vertraulich bleibt. So trauen sich die Jungen, fast wie bei einem Freund Rat zu suchen.


Sie haben die Idee aus Finnland importiert. Dort ist der ICoP Marko «Fobba» Forss sogar zum Synonym für Polizei geworden. Haben Sie keine Mühe, so exponiert zu sein?
Eigentlich nicht. Aber es ist schon ein anderes Begegnen. Ich fahre Streifen in Oerlikon, und wenn mich da Jugendliche erkennen – was ziemlich häufig vorkommt –, braucht es meinerseits eine klarere Sprache, denn ich trete dann als Polizist auf und nicht als Kumpel. Die Arbeit mit den Jugendlichen wird durch den bestehenden Kontakt aber vereinfacht.


Sie bekommen bis zu 20 persönliche Nachrichten pro Tag. Wie grenzen Sie sich ab?
Obwohl man mir zu jeder Tageszeit schreibt, bin ich keine Notanlaufstelle. Ich musste lernen, dass ich nicht die Kapazität habe, sofort zurückzuschreiben. Es ist wichtig, eine Balance zu finden, damit ich auch noch Freizeit habe. Daher kann es ein paar Tage dauern, bis ich antworte.


Ihr Profil ist öffentlich zugänglich. Werden Sie auch angefeindet?

Es gab zwei, drei öffentliche Kommentare unter der Gürtellinie. Aber da haben mich die anderen User verteidigt. Auch beleidigende private Nachrichten kamen vor. Doch meistens steckt da etwas anderes dahinter, wie zum Beispiel eine andere Begegnung mit der Polizei. Ich nehme das nicht persönlich, der Wut auf die Uniform begegnen wir auch auf der Strasse. Eher versuche ich, die Unzufriedenheit zu verstehen.


Für das Frühjahr 2016 suchen Sie eine Polizistin als zweite ICoP. Wieso eine Frau?
Wirz: Wir haben bei den gemischten Patrouillen festgestellt, dass gewisse Personengruppen wie Kinder und Frauen einen besseren Zugang zu einer Polizistin haben. Ein anderer Blickwinkel als der männliche ist ausserdem bei der Polizeiarbeit oft äusserst konstruktiv. Ferner suchen wir immer neue Polizistinnen und hoffen auf einen gewissen Werbeeffekt.


Mit Selfies geben Sie der Polizei ein Gesicht. Wird abgesprochen, was gezeigt werden darf?
Patrick Jean verwaltet die Posts weitgehend selbstständig. Es ist daher wichtig, dass Community-Polizisten wie er gut ausgebildet werden und sie die normativen  Rahmenbedingungen  und die Kultur der Organisation kennen. Dass ein Polizist an der Front direkt mit der Öffentlichkeit kommuniziert, ist ein Stück weit ein Paradigmenwechsel. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Risiken überblickbar sind und die Chancen überwiegen, wenn die Ausbildung der ICoP stimmt, ein Vertrauensverhältnis besteht und wir als Organisation transparent und authentisch kommunizieren.


Wird die Polizei durch den ICoP cooler?

Jean: Wenn ich einen auf Teenager machen würde, könnte das als anbiedernder PR-Gag verstanden werden. Ich bin 33 Jahre alt und will nicht reden wie ein 15-Jähriger. Mein Angebot ist es, den Jungen zuzuhören und ihnen zu helfen.

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