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Interview

Sah sich gezwungen, die Traditionsbäckerei Gnädinger an die Konkurrenz zu verkaufen: Andy Gnädinger, Co-Geschäftsführer der Bäckerei Konditorei Gnädinger am Schaffhauserplatz. Bild: PD

«Mit dem Verkauf stirbt ein Teil unserer Geschichte»

Von: Sacha Beuth

20. Oktober 2020

Die Meldung vom Wochenende schlug ein wie eine Bombe: Die Traditionsbäckerei Gnädinger am Schaffhauserplatz wird an den Mitbewerber Buchmann verkauft. Der Entscheid sei schweren Herzens, aber wohlüberlegt gefallen, betont Co-Geschäftsführer Andy Gnädinger (46).

Seien es Buttergipfeli, Zopf oder vegane Sandwiches – die Produkte der Bäckerei-Konditorei Gnädinger am Schaffhauserplatz erfreuen sich weit über die Grenzen des Kreises 6 hinaus eines hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades. Damit könnte es bald vorbei sein. Denn das Unternehmen, welches 1936 von Otto und Frieda Gnädinger am Spyri-Platz gegründet wurde und 1942 an seinen heutigen Standort zog, ist inklusive Café Sprössling an die Bäckerei-Kette Walter Buchmann AG verkauft worden. Die Übergabe soll Anfang Februar 2021 stattfinden. Über die Gründe des Verkaufs spricht Andy Gnädinger, der zusammen mit seiner Frau Yasmine das Geschäft führt.

Mit dem Verkauf Ihres Geschäfts an den Mitbewerber Buchmann verschwindet ein weiteres Zürcher Traditionsunternehmen. Sind handgefertigte Backwaren aus lokaler Produktion nicht mehr gefragt?

Andy Gnädinger: Nein. Im Gegenteil. Sie sind sogar sehr gefragt. Aber gute Produkte entscheiden nicht alleine über den Erfolg. Alle KMU-Betriebe haben eine sehr breite Aufgabendichte. Das geht von Einsatzplanung über Technik bis zur Betreuung Sozialer Medien. Diese Aufgaben bleiben allesamt bei der Führung eines Unternehmens in unserer Grösse. Daneben versuchen wir den wichtigsten Job zu machen: an der Front für unser Kunden und Gäste da zu sein und unsere MitarbeiterInnen in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Das ist aber nicht der Grund, warum wir jetzt nicht mehr weiter können.

Sondern?

Das Gebäude, in dem sich das Verkaufslokal und das Café Gnädinger befindet, muss unter anderem wegen Gesetzesänderungen saniert werden. Die Kosten dafür hätten wir aber nur stemmen können, wenn wir den Betrieb im Hauptgebäude während des Umbaus hätten weiterführen können. Das ist aber nicht möglich. Und eine Auslagerung an die Weinbergstrasse kam ebenfalls nicht in Frage, da sich dort unsere Produktion befindet, die wir ja aufrechterhalten mussten. Geeignete Lokalitäten in der näheren Umgebung, die wir vorübergehend hätten mieten können, gab es auch keine. Wir haben auch versucht, Partner zu finden, um weitere Filialen für unser veganes Café-Sprössling-Konzept zu eröffnen und so den Umbau querzufinanzieren. Das war schon vor Corona schwierig und ist zuletzt fast unmöglich geworden, da finanziell alle auf der Bremse stehen.

In den Leserforen der Medien zweifeln viele an der Notwendigkeit des Umbaus. Vermutet wird, dass die Verlockung des vielen Geldes durch den Verkauf ausschlaggebend war.

Das ist schlicht nicht wahr und ausserdem sehr verletzend. Ich glaube, diese Leute haben unsere Mitteilung nicht richtig gelesen. Das Gebäude gehört uns weiterhin – mit Bankkrediten bis unters Dach. Wir ziehen kein Geld heraus, aber wir müssen die Sanierung ja irgendwie bezahlen. Wer nicht selbst als privater Unternehmer in eine solche Lage kommt, weiss oft nicht, welche enormen Kosten für Massnahmen zum Brand-, Lärm- und Erdbebenschutz bei Sanierungen entstehen.

Hätte man nicht das Café Sprössling an der Hotzestrasse für die Umbauphase in eine provisorische Konditorei umbauen bzw. damit ergänzen können?

Das ist ein Weg, den wir natürlich ebenfalls angeschaut haben. Aber auch hier ergab sich das Problem, dass wir zu wenig Eigenkapital vorweisen konnten. Das wäre nur gegangen, wenn wir die Liegenschaft am Schaffhauserplatz komplett verkauft hätten und hernach als Mieter wieder eingezogen wären. Langfristig ist das aber mit enormen Risiken verbunden, die wir vermeiden wollten.

Durch den Verkauf stehen mehrere Dutzend Arbeitsplätze auf der Kippe. Wie viele Angestellte können – Stand heute – von Buchmann übernommen werden?

Die Gespräche zwischen den betroffenen Mitarbeitenden und Vertretern der Walter Buchmann AG sind im Gang. Genaue Angaben kann ich nicht machen. Ich weiss einzig, dass ein Grossteil bei Buchmann weiterbeschäftigt werden soll, nur schon, weil man unser Knowhow integrieren will. Und das funktioniert nicht einfach mit der Übergabe von Rezepten, sondern dafür braucht es Fachpersonen, die zeigen, wie die jeweiligen Produkte hergestellt werden.

Für diverse Backprodukte war Ihre Bäckerei weitum berühmt. Nun befürchten viele, dass künftig nur noch das angeboten wird, was man auch in den übrigen Buchmann-­Filialen erhält?

Ich muss an dieser Stelle eine Lanze für Buchmann brechen. Das Unternehmen ist ebenfalls eine Traditionsbäckerei. Die heutige Führung hat schon vor einigen Jahren erkannt was wir oben festgestellt haben: handgefertigte Backwaren sind sehr gefragt. In der Bäckerei Buchmann wird heute alles von Hand gefertigt und Maschinen kommen vorab unterstützend zum Einsatz. Genauso wie im Gnädinger. Einfach grösser. Abgesehen davon werden auch zahlreiche unserer Produkte wie etwa die Gnädinger-Gipfel und vegane Backwaren übernommen. Da letztere künftig in allen Buchmann-Filialen angeboten werden sollen, profitieren vegan lebende Kunden sogar durch den Geschäfts-Verkauf.

Das war jetzt alles nüchtern betrachtet. Aber was löst der Verkauf in Ihrem Innern aus?

Es schmerzt sehr, schliesslich war der Betrieb drei Generationen lang in Familienbesitz und mit dem Quartier stark verwurzelt. Am Montag standen Leute bei uns an der Theke, die wegen des Verkaufs Tränen in den Augen hatten. Mit dem Verkauf stirbt ein Teil unserer Geschichte. Trotzdem ist der Verkauf kein Schnellschuss, sondern ein wohlüberlegter Schritt und kurz-, mittel- und langfristig für alle Beteiligten die beste Lösung.

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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