mobile Navigation

Interview

Der Grüne Martin Abele wird heute zum höchsten Zürcher gewählt. Bild: Nandor Nagy

"Mit Krawatte werden Sie mich nie sehen"

Von: Isabella Seemann

14. Mai 2013

Heute Abend eröffnet der Gemeinderat die neue Legislaturperiode und wählt Martin Abele, der seit 7 Jahren für die Grünen Kreis 3 politisiert, zum Gemeinderatspräsidenten. Als höchster Zürcher darf er während eines Jahres auf dem «Bock», wie der Präsidiumsplatz genannt wird, die Geschicke des Rates lenken.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Abele, die Grünen feiern heuer ihr 30-Jahr-Jubiläum, die höchste Schweizerin ist eine Grüne und nun wird mit Ihnen auch noch ein Grüner zum höchsten Zürcher gewählt. Stehen Sie unter Druck?

Martin Abele: Für mich ist dies ein wunderbarer Zufall. Es ist noch immer ein Ereignis, wenn ein Grüner Präsident eines Parlaments wird. Ich bin erst der zweite Grüne, der zum höchsten Zürcher gewählt wird. Für uns ist dies eine Anerkennung für die langjährige seriöse Arbeit, die wir Grüne auf allen Ebenen in den Parlamenten leisten.

Sie sind für ein Jahr der höchste Zürcher. Wie klingt das in Ihren Ohren als gebürtiger Bieler?

Abele: Ich betrachte es als Auszeichnung, den Gemeinderat präsidieren zu dürfen, und freue mich sehr auf diese Aufgabe. Auf das Amt selbst konnte ich mich zum Glück als Vize­präsident optimal vorbereiten. Mein Einbürgerungsgesuch, um Bürger der Stadt Zürich zu werden, läuft übrigens gerade. Es wäre toll, wenn es auf das Datum meiner Wahl als Gemeinderatspräsident hin klappen würde.

Können Sie uns Ihr Ziel als Gemeinderatspräsident nennen, ohne die Leerformeln «speditive Sitzungs­leitung» zu verwenden?

Abele: Ich kann es vergleichen mit meinem Amt als Volleyball-Schiedsrichter, wo ich dann meinen Job am besten mache, wenn ich die Partie unauffällig und fair, aber konsequent leite. Es erwartet uns ein äusserst intensives Jahr. Die neue BZO steht an, dazu haben die Parteien bereits viele Vorstösse lanciert. Und die Budgetdebatte wird auch dieses Jahr wieder zu grösseren Auseinandersetzungen führen, zumal wir im Wahljahr stehen. Ich rechne damit, dass die verschiedenen Parteien schon jetzt versuchen werden, Themen zu setzen, um sich zu profilieren, was zu grösserem Seilziehen führen wird.

Sie haben in 7 Jahren nur 14 Vorstösse eingereicht. Ist das ein bewusster Entscheid?

Abele: Ich verstehe mich als Politiker, der den Gesamtüberblick hat und in grossen Linien denkt. In der Fraktion nehme ich meinen Einfluss wahr und melde mich auch im Rat zu Wort, wenn es nötig ist. Man erreicht nicht mehr, wenn man zu allem Möglichem Vorstösse einreicht. Es ist wichtiger, sich auf das Wesentliche zu beschränken und die grossen Projekte voranzubringen.

Eines Ihrer Kernthemen ist die Gleichstellung von Homosexuellen. Fixieren Sie sich damit nicht selbst als Politiker für Minderheiten?

Abele: Mit diesen Themen begann ich mich politisch zu engagieren, und zwar zu einer Zeit, als noch manches im Argen lag. Heute ist die gesetzliche Gleichstellung nahezu erreicht, es gibt kaum noch Diskriminierungen gegenüber Lesben und Schwulen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die sexuelle Orientierung bei einem Politiker keine Rolle mehr spielt, es zählt Persönlichkeit und Politik. Das ist ein grosser Gewinn für unsere Gesellschaft.

Sie sind seit 7 Jahren im Rat. Hat das Politisieren Sie verändert?

Abele: Allenfalls meine Art, mich zu kleiden. Früher hab ich einfach irgendwas angezogen. Es ist das Verdienst meines Partners, dass ich mich heute gerne chic kleide und damit auch eine Gattung mache als Repräsentant der Stadt. Ich habe selber gemerkt, dass ich mehr Wirkung erziele und besser zum Ziel komme, wenn ich gut gekleidet bin. Aber mit Krawatte werden Sie mich dennoch nie sehen.

Sie brechen auch mit der Tradition, den Apéro für die Bevölkerung im Wahlkreis zu machen. Damit stossen Sie die Leute vom Kreis 3 vor den Kopf.

Abele: Mein Entscheid hat beim Quartierverein Unmut ausgelöst, wofür ich Verständnis habe. Es war jedoch logistisch die beste Lösung. Ich mache den Apéro auf der Rathausbrücke, dazu ist die ganze Bevölkerung eingeladen, ich bin ja auch Gemeinderatspräsident für alle Zürcher. Die Wahlfeier für die geladenen Gäste findet dafür in der Saalsporthalle im Kreis 3 statt. Als Sportfan und aktiver Sportler freut es mich irrsinnig, dass das Sportamt mir ermöglicht hat, die Feier an diesem symbolträchtigen Ort durch­führen zu können.

Apéro für die Bevölkerung ab 18.30 Uhr auf der Rathausbrücke, bei schlechtem Wetter im Stadthaus.

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare