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Interview

Typisches Symptom von Affenpocken: Hautbläschen. Bild: adobestock

Pandemiegefahr ist gering

Von: Sacha Beuth

31. Mai 2022

Die Meldungen von Personen, die sich mit dem Affenpockenvirus infiziert haben, nehmen weiter zu. Nach den Kantonen Genf und Bern ist nun auch im Kanton Zürich ein Fall gemeldet worden. Trotzdem besteht laut Gerhard Eich, Leiter Infektiologie, Spitalhygiene und Arbeitsmedizin am Stadtspital Zürich, nur ein kleines Ansteckungsrisiko und auch die Krankheit selbst verlaufe in den meisten Fällen mild. 

Mit Sorge beobachten Gesundheitsbehörden weltweit die rasante Ausbreitung von Affenpocken. Auch in der Schweiz wurden vom BAG bislang mindestens vier Fälle gemeldet – einer davon betrifft einen 42-jährigen Mann aus dem Kanton Zürich. Wie gross die Gefahr durch Affenpocken für den Menschen ist und wie man sich dagegen wappnen kann, weiss Gerhard Eich, Leiter Infektiologie, Spitalhygiene und Arbeitsmedizin am Stadtspital Zürich.

Auf der ganzen Welt mehren sich Meldungen von Affenpocken-Infektionen. Steuern wir einer neuen Pandemie entgegen?

Gerhard Eich: Das Affenpocken-Virus ist seit mehr als 50 Jahren als Infektionserreger bei Affen bekannt und immer wieder ist es in Afrika zu vereinzelten Infektionen bei Menschen gekommen. Das Besondere an der jetzigen Situation ist, dass Erkrankungsfälle in kurzer Zeit bei mehreren Dutzend Personen aufgetreten sind und dass dies in verschiedenen Ländern ausserhalb Afrikas, in Europa und in Nordamerika geschehen ist. Dennoch erscheint im Moment die Gefahr einer erneuten Pandemie gering. Das Corona-Virus konnte sich so rasch verbreiten und eine Pandemie verursachen, da es sehr leicht über kleinste Tröpfchen übertragen wird und weil infizierte Personen die Infektion schon weitergeben können, bevor sie selbst Symptome haben. Beides scheint auf das Affenpockenvirus nicht zuzutreffen. Für die Übertragung von Mensch zu Mensch braucht es einen engen Kontakt und nur selbst bereits erkrankte Personen sind infektiös.

Was genau sind eigentlich Affenpocken und wie gefährlich sind sie für den Menschen?

Das Affenpockenvirus gehört in dieselbe Gruppe von Viren wie das Pockenvirus, das ein wichtiger und gefährlicher Krankheitserreger beim Menschen war, jedoch seit 1977 ausgerottet ist. Im Gegensatz zum Pockenvirus sind – anders, als es der Name suggeriert – Nagetiere in Afrika die natürlichen Wirte des Affenpockenvirus. Von dort kann das Virus selten auf Affen und noch seltener auf den Menschen überspringen. Beim Menschen verursacht es – im Gegensatz zum Pockenvirus – in der Regel eine milde Erkrankung. Sie beginnt mit Fieber sowie Kopf- und Gliederschmerzen, im Verlauf entwickeln sich Bläschen auf der Haut. Erkrankte erholen sich in der Regel innerhalb von wenigen Wochen ohne Komplikationen.

Wie kann man sich infizieren und wie schützt man sich vor Infektion?

Die Übertragung unter Menschen findet bei einem engen Kontakt statt. Betroffen beim aktuellen Ausbruch in Europa und Amerika sind vor allem Männer, die Sex mit anderen Männern hatten. Grundsätzlich könnte die Infektionsübertragung aber auch bei heterosexuellem oder anderem engen Kontakt übertragen werden.

Was ist zu tun, wenn man Affenpocken-Symptome bei sich feststellt?

Trotz des Auftretens mehrerer Fälle innerhalb kurzer Zeit handelt es sich weiterhin um eine sehr seltene Erkrankung. Wenn jemand bei sich Symptome feststellt und Bedenken hat, dass es sich dabei um eine Affenpocken-Infektion handeln könnte, so ist es sinnvoll, dies von einer Fachperson abklären zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit ist recht gross, dass eine andere Ursache vorliegt. Falls die Diagnose einer Affenpocken-Erkrankung gestellt wird, so ist eine Isolation erforderlich. Da die Krankheit jedoch meist mild verläuft, kann diese auch zuhause erfolgen. Eine spezifische Behandlung ist in den meisten Fällen nicht erforderlich.

Wie lange dauert es, bis die Narben und Verkrustungen auf der Haut wieder verheilt sind?

Die Hautläsionen verheilen nach wenigen Wochen. Man kann den Heilungsprozess am besten mit demjenigen von Wilden Blattern vergleichen. Um die Entstehung von Narben zu verhindern, sollte man wie bei diesen nicht an den Bläschen kratzen.

Fälle von Affenpocken bei Menschen gab es schon in der Vergangenheit immer wieder. Was ist nun anders beziehungsweise gibt es Anzeichen, dass der Virus mutiert ist?

Viren, die Säugetiere befallen, tun dies meist sehr spezifisch nur bei einer Tierart. Nur selten sind sie in der Lage, auch andere Tiere zu befallen, doch sie können sich beim neuen Wirt meist erst nach einer genetischen Mutation effizient weiterverbreiten. Beim Affenpockenvirus gibt es zurzeit keine Hinweise, dass es zu einer solchen Mutation gekommen wäre (die Untersuchung der nachgewiesenen Viren ist jedoch noch nicht abgeschlossen). Das Auftreten einer Mutation ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich, denn bei allen Viren der Gruppe der Pockenviren ist die genetische Information in der DNA festgeschrieben. Solche Viren gelten als genetisch sehr stabil, dies im Gegensatz zu RNA-Viren (wie die Grippe- oder Corona-Viren), bei denen Mutationen sehr häufig auftreten.

Trifft das Stadtspital nun besondere Massnahmen?

Das Stadtspital Zürich hat – wie andere Spitäler auch – eine Reihe von Regeln festgelegt, wie man sich verhalten muss, um die Übertragung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Gerade im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind diese Regeln beim Personal, vor allem auch auf der Notfallstation, sehr präsent. Die Affenpocken sind gegenüber dem Corona-Virus viel weniger gut übertragbar, so dass bei Beachtung der erwähnten Regeln keine besondere Gefahr für andere Patienten oder für das Personal besteht.

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