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Interview

Markus Knauss (52) gilt als Experte der Verkehrspolitik. Bild: PD

"Parkplätze beanspruchen zu viel Raum"

Von: Isabella Seemann

03. Januar 2014

STADTRATSWAHLEN Am 9. Februar finden die Wahlen statt. Das «Tagblatt der Stadt Zürich» stellt in Interviews die Kandidierenden vor. Heute: Markus Knauss, Grüne.

Herr Knauss, wie würden Sie sich in drei Adjektiven beschreiben?

Markus Knauss: Zuverlässig, erfahren und begeisterungsfähig.

Erfahren sind Sie insbesondere in der Verkehrspolitik: Heuer feiern Sie Ihr 20-Jahr-Jubiläum als Co-Geschäftsführer des VCS. Weshalb wollen Sie diese Position für einen Stadtratssitz aufgeben?

Die Stadt hat von der Bevölkerung den Auftrag erhalten, eine ökologische Verkehrspolitik umzusetzen. Viele dieser Ziele habe ich massgeblich mitgeprägt, und es liegt mir daran, sie tatsächlich zu erreichen. Als Stadtrat habe ich dazu mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Wie wollen Sie Zürichs Verkehrsprobleme lösen?

Zürichs Einwohnerzahl wächst, viele Leute pendeln in die Stadt – das Verkehrsproblem ist also in erster Linie ein Platzproblem. Es braucht deshalb eine Verkehrspolitik, die platzsparende Verkehrsmittel fördert wie Velo, ÖV und das Zufussgehen. Schauen Sie, wie viel Raum Parkplätze beanspruchen, wo wir statt dessen breitere Trottoirs, Velowege, Grünanlagen oder Strassencafés schaffen können, die von der Bevölkerung tatsächlich genutzt und viel mehr geschätzt werden.

Legen Sie sich mit solchen Ideen nicht mit dem Gewerbe an?

Im Gegenteil, dem Gewerbe stehen nicht Velofahrer im Wege, sondern andere Autos. Gerade die neue, vom VCS lancierte SBB-Durchmesserlinie bringt Gewerbe und Innenstadt mehr Besucher als ein paar Abstellplätze vor dem Laden. Denn schon heute kommen über 80 Prozent gerne ohne Auto in die Stadt und schätzen die stets grösser werdende Fussgängerzone.

In Ihrem Unterstützungskomitee fehlen Unternehmer fast gänzlich. Warum?

Grossunternehmen und Gewerbeverbände repräsentieren nicht das ganze Gewerbe. Mehrere innovative Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen in Architektur- und Planungsbüros, IT-Unternehmungen oder in der Velobranche, unterstützen meine Kandidatur. Ich habe ja auch keine Berührungsängste mit der Wirtschaft, als Co-Geschäftsführer des VCS habe ich bei zahlreichen Grossprojekten erfolgreich mit Vertretern aus Gewerbe, Investoren und Generalunternehmungen zusammengearbeitet.

Umfassende Führungserfahrung bringen Sie jedoch wenig mit. Wäre eine solche nicht unerlässlich für das Stadtratsamt?

Ich bin in Sachen Projektführung erfahren genug und brachte immer branchenübergreifend verschiedene Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen zusammen, und gemeinsam erzielten wir so beste Lösungen. Zudem sind mir die Zürcher Politik und ihre Abläufe bestens vertraut, als Fraktionspräsident der Grünen habe ich eng und gut mit den Stadträten, zum Beispiel Ruth Genner und Daniel Leupi, zusammengearbeitet.

Der Wahlbarometer zeigt: Den Grünen wird am wenigsten zugetraut, jene Probleme zu lösen, die für die Wahlberechtigten die drängendsten sind, wie Migration und soziale Sicherheit. Das ist verheerend.

Das sind Probleme, die die ganze Schweiz betreffen. Die Stadtzürcher beschäftigen die Themen Wohnen, Verkehr und Kinderbetreuung – und in diesen Bereichen sind wir Grünen sehr präsent und verfügen über eine grosse Problemlösungskompetenz. Wir haben zu jedem dieser Themen eine Volksinitiative mit­initiiert, die von der Bevölkerung angenommen wurde wie die Wohnbauinitiative. Derzeit läuft gerade die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative für mehr Grünraum in der Stadt Zürich – mit grossem Erfolg.

Zürich lebt über ihre Verhältnisse. Wo wollen Sie ansetzen, damit die Finanzen wieder ins Lot kommen?

Wir haben den Auftrag, unserer Bevölkerung, mehr zahlbare Wohnungen und Hortplätze zu schaffen sowie eine ökologische Verkehrspolitik zu verwirklichen, ein gut funktionierendes Gesundheitswesen und eine attraktive Altersbetreuung sicherzustellen. Diese hohe Lebensqualität in der Stadt wollen wir erhalten. Darüber hinaus gibt es kein Tabu, und wir werden alle Ausgaben sorgfältig prüfen.

Wo weichen Sie vom grünen Mainstream ab?

Ich bin nicht, wie vielleicht erwartet, ein Kupferwollebast-Typ, sondern trage gerne ab und zu – immer öfter – Hemd und Jackett oder auch schöne Lederschuhe. In meinem Verhalten bin ich natürlich grün. Ich fliege sehr selten, also zweimal in 25  Jahren, ich nutze das Mobility-Auto quasi nur für Transporte, und wir beanspruchen nicht überdurchschnittlich viel Wohnraum. Ansonsten bin ich ein genussfreudiger Mensch. Ich besuche gerne Restaurants und Cafés und schätze gutes Essen, am liebsten biologisch.

Nächste Woche: Raphael Golta, SP.

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