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Interview

Pfarrer Sieber: «Mir wurde eine Lektion erteilt»

Von: Andy Fischer

02. August 2012

Pfarrer Sieber ist nach seinem schweren Autounfall wieder auf den Beinen. Im Interview mit dem «Tagblatt» spricht er über Schutzengel, neue Projekte und das Himmelreich.

Tagblatt der Stadt Zürich: Pfarrer Sieber, Ihr Sekretariat konnte mir den Interviewtermin nur provisorisch bestätigen, da Sie noch recht schwach seien. Aber Sie machen mir einen purlimunteren Eindruck und sehen sehr gut aus. Wie geht es Ihnen?

Ernst Sieber : Ja weisch. Ein paar gebrochene Rippli machen ja einen nicht dick (lacht). Aber ernsthaft. Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Man weiss zwar ja nie, ob ein Rückschlag kommt. Bis jetzt gabs jedenfalls keinen. Es ist alles so, wies sein soll. Die Sonne scheint, der Regen bringt Feuchtigkeit, die Menschen sind da.

Nervt es Sie langsam, dass sich alle nach Ihrem Wohlbefinden erkundigen?

Sieber : Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Was will man mehr als erfahren, dass man gemocht wird. Fürsorge ist eine gute Sorge.

Sie haben nach dem schweren Autounfall gesagt, Sie hätten einen Schutzengel gehabt.

Sieber : Schau mein Lieber. Ich war ja noch bescheiden. Ich habe von einem Schutzengel gesprochen. Ein Polizist sagte mir, ich hätte tausend Schutzengel gehabt. Die hab ich dann auch gesehen. Im Spital, all diese weiss gekleideten Frauen und Männer...

Jetzt aber wirklich im Ernst. Gibt es Schutzengel? Glauben Sie daran?

Sieber : Nun, man könnte sagen, der Engel sei eine verdichtete Art von Gottes Hilfe. Mich hindert heute nichts mehr daran zu glauben, dass es diese Art von Unterstützung gibt. Es gibt diese Hilfe vom lieben Gott, es gibt solche Wesen, die im Auftrag von ihm für uns da sind. Absolut. Ich war mal im Maderanertal im Kanton Uri unterwegs. Hielt mit meinem Wagen am Strassenrand an. Setzte mich auf die Kühlerhaube, um zu zeichnen. Dann begann es zu regnen. Ich ging zurück ins Auto. Sekunden später donnerte ein grosser Stein auf die Kühlerhaube. Hätte er mich getroffen, wär ich heute nicht mehr da. Ich habe in meinem Leben eine Reihe solcher Erfahrungen gemacht. Ich glaube, dass ich oft bewahrt wurde. Ich nenn diese Hilfe nicht Zufall. Ich nenn sie Gott. In der Bibel heisst es, dass Gott unsere Hilfe ist.

Gibts für jeden Menschen einen Schutzengel?

Sieber : Da bin ich überfragt. Aber ich gehe davon aus. Gott bevorteilt nicht einzelne Menschen. Aus dieser Überlegung würde ich diese Frage mit Ja beantworten. Die Botschaft Jesu Christi von der Liebe ist total. Sie gilt allen Menschen, und durch ihn dürfen wir wissen: Der Tod wird sterben.

Sie haben nach dem Unfall Ihren Führerausweis abgegeben. Das muss Sie geschmerzt haben.

Sieber : Mir wurde eine bittere Lektion erteilt. Der Unfall war klar ein Fingerzeig Gottes. Dass ich dann den Schlüssel abgab, war ein Akt von Gehorsam. Sonst müsste ich mir dann im Falle eines weiteren Unfalls sagen: Ernscht, warum hesch nöd glosed. Es war eine Warnung. Dafür werde ich jetzt von Freunden herumgefahren. Aus Gewohnheit will ich immer zuerst auf der Fahrerseite einsteigen. Das bringt man einfach nicht weg. Ich bin immer sehr gerne Auto gefahren.

Sie haben gesagt, der Unfall sei ein Fingerzeig Gottes gewesen. Herr Pfarrer, sind Sie sicher? Spricht der liebe Gott mit uns tatsächlich auf eine so unangenehme Art? Ich könnte mir da eine sanftere Form der Kommunikation vorstellen.

Sieber : Ich glaube, man kann nichts ausschliessen, was Gott nicht gebrauchen könnte, um an uns Menschen heranzukommen. Letztlich bleibt sein Handeln ein Rätsel.

Der Unfall hat Ihre Motivation, sich für die Aussenseiter einzusetzen, nicht gebrochen. Gibts neue Pläne?

Sieber : Die Schweiz braucht eine Dorfgemeinschaft für Menschen, die leiden. Diese Idee habe ich bereits 1995 im Nationalrat eingebracht.

Sie planen also ein Dorf für Aussenseiter?

Sieber : Ja, den Plan gibts. Ob ichs noch erreiche, muss der Chef entscheiden.

Wo soll dieses Aussenseiterdorf gebaut werden?

Sieber : Das will ich noch nicht sagen. Aber klar ist: Nur ein Land, das für seine schwächsten Bewohner sorgt, ist ein gutes Land.

Der schwere Autounfall vom 21. Juni hätte für Sie auch tödlich enden können...

Sieber : (unterbricht und lacht): Dann stünde jetzt auf meinem Grabstein: Kämpft weiter, ich habs heiter. Ich wäre dann bei Gott. Aber schön ist ja, dass das Himmelreich bereits auf der Welt beginnt und nicht erst in der Zukunft.

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