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Interview

Regisseurin Tina Lanik hat das Stück «Über Tiere» im Schiffbau inszeniert. Bild: T & T Fotografie

"Prostituierte sind starke Frauen"

Von: Clarissa Rohrbach

25. Februar 2014

Im Stück «Über Tiere» stellt Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek die Zürcher Sexboxen an den Pranger. Regisseurin Tina Lanik kritisiert Zürichs Umgang mit der Prostitution auch.

Tagblatt der Stadt Zürich: Frau Lanik, für die Inszenierung haben Sie sich sicher eine Meinung über die Sexboxen gebildet.

Tina Lanik: Die Boxen laufen schlecht, sagten mir die Mitarbeiterinnen von Flora Dora, der Frauenberatung, welche den Frauen vor Ort hilft. Kein Geschäft würde eine Wand vor das eigene Schaufenster stellen, da ist die Hemmschwelle hinein­zugehen viel grösser.

Ist also ihrer Meinung nach Zürichs Versuch, den Strich zu regeln, gescheitert?

Das Wegschieben und Verstecken der ­Prostitution löst die Probleme nicht, welche diese mit sich bringt. Dieses Geschäft wird es nun einmal für immer geben. ­Härtere Massnahmen oder gar ein Verbot des Gewerbes, wie es zurzeit in Deutschland zur Diskussion steht, würden die Frauen nur in die Illegalität treiben.

Jelinek führt die Verhandlungen zwischen Freier und Prostituierte ad absurdum. Wie viel von sich selbst verkaufen die Frauen?

Zu oft unterstellt man den Prostituierten, dass sie ihre Würde verkaufen. Ich gehe hingegen davon aus, dass die Frauen sich von ihrem Job distanzieren. Sie haben ein professionelles und ein privates Leben wie andere.

Der Text suggeriert aber, die «Huren» seien wie Ware in Schachteln verpackt.

Jelineks Text ist toll, aber natürlich zugespitzt, um zum Denken anzustossen. Es herrscht in der Gesellschaft eine verzerrte Idee von Prostituierten. Natürlich gibt es schreckliche Auswüchse wie Menschenhandel, die angepackt werden müssen. Aber die meisten Frauen sehen es als normalen Job.

Prostituierte sind also keine Opfer?

Nein, sie so darzustellen, würde ­ihnen die Selbstbestimmung wegnehmen. Es sind sehr starke Frauen.

Die Schauspielerinnen werfen imaginäre, tropfende Kondome ins Publikum. Ist das eine Art Vorwurf an die Zuschauer?

Das Stück soll nicht moralisch wirken, wir zeigen nicht mit dem Finger auf die Freier. Davon sitzen sicher einige im Publikum, jeder dritte Mann zahlt für Sex.

«Mit Ohne kostet Aufpreis»: War es schwierig als Frau mit der kruden Sprache der Kunden umzugehen?

Wenn man einen ganzen Tag lang ­«ficken» sagt, graust es einem ob gewisser Abgründe. Aber das würde einem Mann nicht anders gehen.

 

SEXBOXEN

Gemäss dem Sozialdepartement fuhren in den ersten zwei Monaten nach Betriebsbeginn pro Abend 50 bis 100 Autos über den Strichplatz am Depotweg. Das ist die Hälfte der Freier, die am Sihlquai verkehrten. Trotz Abnahme zog die Stadt im Herbst eine positive Bilanz. Fachstellen, die den Sexarbeiterinnen helfen, beklagen hingegen zurzeit eine Abwanderung der Prostituierten in den Untergrund. Thomas Meier, Sprecher des Sozialdepartements, sagt dazu: «Wir haben keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass Sexworkerinnen vom Sihlquai in die Illegalität abgetaucht wären.» 

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