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Interview

Ziehen sich aus der operativen Leitung des ZFF zurück: Geschäftsführerin Nadja Schildknecht und der Künstlerische Direktor Karl Spoerri. Bild: Geri Born/Schweizer Illustrierte

Rückzug in den Hintergrund

Von: Sacha Beuth

10. September 2019

Als Nadja Schildknecht (46) und Karl Spoerri (46) 2005 das Zurich Film Festival (ZFF) gründeten, wurden sie von vielen belächelt. Doch die beiden haben es allen gezeigt, und der Event geniesst längst internationales ­Ansehen. Nun ziehen sich die zwei ZFF-Macher aus dem operativen Geschäft zurück. Vor der Stabübergabe setzten sie aber noch einmal alles daran, damit auch ihr letztes Festival ein Erfolg wird.

Das ZFF ist ein Erfolg, Sie beide noch weit vom Pensionsalter entfernt. Warum ziehen Sie sich aus dem operativen Geschäft zurück?

Karl Spoerri: Nach 15 Jahren hat man auch das Bedürfnis nach Veränderung. Man will sich im Leben immer weiterentwickeln. Abgesehen davon, ist es ja kein vollständiger Rückzug. Wir bleiben beim Festival als VR-Mitglieder weiterhin im Hintergrund mit dabei.
Nadja Schildknecht: Wir haben ein Superteam aufgebaut im Wissen, dass wir irgendwann die operative Führung des Festivals weitergeben möchten. Das Leben bietet viel, und wir freuen uns auf neue Herausforderungen, welche wir in den letzten 15 Jahren nicht angehen konnten, denn das Festival nahm weit mehr als 100 Prozent der Arbeitszeit in Anspruch.

Was steht denn auf Ihrer To-do-Liste für die Zeit nach dem ZFF?

Schildknecht: Ich habe ab dem Jahr 2020 noch keine konkreten Pläne. Mein Interessenfeld ist breit, und erst nach diesem Festival werde ich mir dazu mehr Gedanken machen können.
Spoerri: Ich möchte vermehrt Filme produzieren.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, die operative Leitung abzugeben?

Spoerri: Wenn man das so lange macht wie wir, ist es natürlich ein grosser Schritt. Für eine abschliessende Antwort ist es dafür aber noch zu früh. Wir sind noch mitten in der Arbeit.
Schildknecht: Genau. Wir stecken unsere ganze Energie in das diesjährige ZFF. Als Verwaltungsräte mit Beratungsmandat sind Sie weiterhin strategisch involviert.

Was schwebt Ihnen da vor?

Schildknecht: Wir werden weiter unsere Ideen und unser Wissen einbringen. Aber am Schluss muss die operative Leitung dahinterstehen, und wir möchten ihnen auch diese Freiheit lassen.
Spoerri: An Ideen hat es uns beiden noch nie gemangelt. Die Frage ist, was davon realisierbar ist. Zudem verändert sich die Branche ständig. Da gibt es viele Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Umso wichtiger ist es, richtig zu antizipieren.

Als 2005 das erste ZFF startete, glaubten nur wenige an einen Erfolg. Inzwischen ist es längst eine feste Event-Grösse in Zürich. Erfüllt Sie dies mit Genugtuung?

Schildknecht: Genugtuung ist das falsche Wort. Es ist mehr die Freude, ein Vorurteil widerlegt zu haben. Die kritischen Kommentare waren damals eine zusätzliche Hürde. Dass wir diese genommen haben, hat uns auch stark gemacht. Am meisten freut mich, dass sich einige der schärfsten Kritiker zu unseren Unterstützern gewandelt haben.
Spoerri: Es erfüllt mich vor allem mit Freude, dass sich das ZFF so stark entwickeln konnte und beim Publikum derart gut ankommt. Allein letztes Jahr wurden über 100 000 Tickets verkauft.

Auch unter den Schauspielern hat das Festival an Zugkraft gewonnen. Wie schwer war es, Hollywood für Zürich zu begeistern?

Spoerri: Sehr schwer. Wir hatten und haben neben dem Standortvorteil, dem international positiven Renommee von Zürich, auch gegen einige Nachteile zu kämpfen. Wir waren ein unbekannter Newcomer, der Schweizer Markt ist klein und somit weniger lukrativ, und es gibt vier offizielle Landessprachen. Mit dem starken Aufschwung des asiatischen Markts ist es tendenziell für europäische Festivals sogar noch schwieriger geworden.
Schildknecht: Wir brauchten am Anfang viel Geduld und Überzeugungskunst. In dieser Branche ist es sehr wichtig, Vertrauen aufzubauen. Als wir dann die ersten Hollywoodstars wie zum Beispiel Oliver Stone für uns begeistern konnten, hatten wir Türöffner. Trotzdem bleibt es nach wie vor jedes Jahr eine grosse Herausforderung, denn wir zahlen keine Gage, sondern die Stars kommen, um ihren Film zu präsentieren. So sind wir auf dessen Promotionstour angewiesen.

Trotz des Erfolgs wird Ihnen von öffentlicher Seite nur geringe ­finanzielle Unterstützung zuteil. Ein Dauerärgernis?

Schildknecht: Zumindest ein Dauerthema. Wir mussten seit je bestehen und uns im nationalen und internationalen Markt behaupten, und so hatten wir als Unternehmer wenig Zeit für ­Lobbyarbeit. Und nun denkt man in der Politik, es sei normal, dass wir es schon allein hinkriegen. Ich glaube, einigen Personen ist nicht bewusst, wie schwierig es ist, in der heutigen Zeit ein Budget von fast 8 Millionen Franken zu erreichen. Einerseits können wir als Vorzeigebeispiel gelten, anderseits ist es auch schwierig, sich noch weiterentwickeln zu können, denn wir haben mit rund 200 Verträgen mit Partnern das Maximum erreicht, was für uns vertretbar ist.
Spoerri: Es ist doch erstaunlich, wie bei der Vergabe von Geldern die kulturpolitischen Traditionen wirken. Von einem transparenten Wettbewerb kann man nicht sprechen.

Was war bislang der beste oder zumindest denkwürdigste Moment der ZFF-Geschichte?

Spoerri: 2008 reiste Sylvester Stallone ans ZFF. Er war der erste Superstar, und bei allen Rocky- Fans gingen die Sicherungen durch. Ich dachte, der Balkon im Corso 1 bricht vor lauter Euphorie zusammen. Es war eine unglaubliche Energie und für uns ein schönes Erlebnis.
Schildknecht: Ebenfalls ein sehr emotionaler Moment war, als wir 2014 mit den Feierlichkeiten zum 10. Festivaljahr unser neues Zelt auf dem neuen Sechseläutenplatz eröffnen durften.
Spoerri: Organisatorisch bleibt uns beiden vor allem 2009 in Erinnerung. Wir hatten Regisseur Roman Polanski als Ehrengast eingeladen. Als er dann kurz nach der Landung in Kloten festgenommen wurde (aufgrund eines US-Haftbefehls wegen Vergewaltigung, die Red.), war unser damaliges, noch kleines Team fast überfordert mit der Situation. Gott sei Dank konnten wir es dann doch so meistern, dass uns Branche und Publikum treu blieben.

Welchen Star hätten Sie gern dabeigehabt, konnten dies aber bislang nicht realisieren?

Schildknecht: Es gibt so viele, die ich gern mal bei uns gesehen hätte, da will ich mich nicht auf einen Namen festlegen.
Spoerri: Charlie Chaplin. Aber dafür sind wir leider etwas zu spät.

Die ZFF-Führung im Detail

Das Zurich Film Festival wurde 2005 durch Nadja Schildknecht (geb. 16. 8. 1973 in Zürich) und Karl Spoerri (geb. 24. 7. 1973 in Zürich) gegründet. Als Geschäftsführerin verantwortet Schildknecht die Finanzen, das Marketing, das Sponsoring und die Eventorganisation, während Spoerri dem Festival als Künstlerischer Direktor vorsteht.

Das Zurich Film Festival 2019

Das 15. Zurich Film Festival dauert vom 26. September bis zum 6. Oktober.Insgesamt werden über 160 Werke präsentiert, darunter in der Sektion «ZFF für Kinder» 10, die speziell für Kinder und Jugendliche von 4 bis 16 Jahren ausgerichtet sind. Eröffnet wird der Anlass mit «Bruno Manser – Die Stimme des Regenwalds» von Niklaus Hilber, der sich mit dem Leben und Wirken des verschollenen Schweizer Umweltaktivisten befasst. Wie üblich wartet das Festival auch mit zahlreichen Premieren auf. International erstmalig gezeigt wird Christian Schwochows «Deutschstunde» mit Tobias Moretti. «Marriage Story» mit Scarlett Johansson, Laura Dern und Ray Liotta, «The Report» mit Adam Driver und Annette Bening, «Blackbird» mit Susan Sarandon, Kate Winslet und Sam Neill, «Hors Normes» mit Vincent Cassel, «The Burnt Orange Heresy» mit Donald Sutherland, «Radioactive» mit Rosamund Pike, «Judy» mit Renée Zellweger und «Suicide Tourist» mit Nikolaj Coster-Waldau sind erstmals im deutschsprachigen Raum zu sehen. «Le Mans ’66» mit Matt Damon und Christian Bale feiert ebenso Schweizer Premiere wie «Laundromat» mit Meryl Streep, Gary Oldman und Antonio Banderas, «Joker» mit Joaquin Phoenix und Robert De Niro, «The Lighthouse» mit Willem Dafoe und Robert Pattinson, «Pavarotti» von Ron Howard und «The Invisible Life of Euridice Gusmão» von Karim Aïnouz. Zudem haben zahlreiche Stars ihr Kommen angekündigt – sei es, um wie Donald Sutherland, Claes Bang (beide «The Burnt Orange Heresy»), Nikolaj Coster-­Waldau («Suicide Tourist»), Tobias Moretti («Deutschstunde») oder Javier Bardem (Greenpeace-Dokfilm über die Antarktis) «ihre» Filme zu präsentieren, oder wie Regisseur Roland Emmerich und Schauspielerin Kristen Stewart (präsentiert zudem «Seberg», wo sie als Hauptdarstellerin zu sehen ist), um einen Award zu empfangen, oder – wie Emmerichs Berufskollege Oliver Stone – als Jurypräsident zu amtieren.

Tickets (ab 16. September) und weitere Infos wie das vollständige Programm (ab 12. September) gibts auf: www.zff.com

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