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Interview

Berichtet von den Brennpunkten des Nahen Ostens: SRF-Korrespondent Pascal Weber. Bild: SRF

SRF-Reporter Pascal Weber: «Ich bin keine ‹Frontsau›»

Von: Sacha Beuth

16. Juli 2013

Seit drei Jahren berichtet Pascal Weber als Korrespondent von SRF von den Brennpunkten aus dem Nahen Osten. Bei einem Stopp in Zürich erzählt der 40-Jährige dem «Tagblatt», mit welchen Problemen und Gefahren er sich im Alltag auseinandersetzen muss und was ihn an seiner Aufgabe reizt.

Tagblatt der Stadt Zürich: Pascal Weber, Sie hatten gerade ein paar Tage Heimaturlaub. Was war das für ein Gefühl, mal wieder in der sicheren Schweiz zu sein?

Pascal Weber: Einerseits ist es jedes Mal schön, wieder heimzukommen. Gleichzeitig brauche ich immer ein paar Tage Anlauf, mich umzugewöhnen. Und je länger ich im Nahen Osten lebe, desto mehr Zeit brauche ich dafür. Ich wohne mit meiner Familie gegenwärtig in Kairo. Da herrscht ständig ein hoher Lärmpegel. Verglichen dazu ist es in der Schweiz beinahe gespenstisch still. Handkehrum funktioniert hier alles, während es in Ägypten schon chaotischer zu und her geht. Das klingt jetzt sehr nach Klischees, ist aber genau so.

Bei Ihrer Arbeit stehen Sie zuweilen mitten im – oder zumindest sehr nahe am – Geschehen. Haben Sie dabei keine Angst?

Weber: Bei der Arbeit selbst hatte ich noch nie Angst. Es gibt aber Momente, in denen man im Nachhinein merkt: Hoppla, das hätte brenzlig werden können. Etwa als einige Tage nach der Absetzung von Ägyptens Präsident Mursi nach der «Tagesschau»-Schaltung vom Tahrir-Platz plötzlich ein wütender bewaffneter Oppositioneller auf uns zukam. Er fuchtelte mit den Händen vor uns herum und glaubte, wir seien von al-Jazeera. Dieser Sender ist bei der Opposition sehr unbeliebt. Unser lokaler Bodyguard konnte den Mann aber zum Glück beruhigen und den Irrtum richtigstellen. An diesem Beispiel kann man erkennen, wie riesig die Wut bei den Leuten ist und wie sehr ihre Nerven blank liegen.

Geschieht es oft, dass man als ausländischer Berichterstatter zum Ziel der einen oder anderen Konfliktpartei wird?

Weber: Von erwähntem Irrtum abgesehen war ich selbst noch nie ein Ziel. Das ist einer der Vorteile, wenn man aus der kleinen und neutralen Schweiz kommt. Kollegen grosser Sender, etwa von CNN, BBC oder al-Jazeera, geraten schneller ins Visier. Andererseits haben Mitarbeiter dieser TV-Stationen auch den Vorteil, dass sie besseren Zugang zu den jeweiligen lokalen Persönlichkeiten und Machthabern haben.

Welches war die bislang gefährlichste Situation, in die Sie als Korrespondent geraten sind?

Weber: Bei SRF gehen wir normalerweise nicht so weit, dass wir in lebensgefährliche Situationen geraten. Das für mich gefährlichste Erlebnis war, als ich vor einem Jahr nach der Wahl von Mursi am Tahrir-Platz in ein panikartiges Gedränge geriet. Sie sehen, ich bin keine «Frontsau».

Gelegentlich bekommen Sie bei Ihren Einsätzen Verwundete oder gar Leichen zu sehen. Können Sie das Ausblenden, oder verfolgen einen diese Bilder noch lange nach dem Ereignis?

Weber: Dinge, die ich nur gesehen habe, kann ich relativ rasch ausblenden, oder zumindest verdrängen. Schwieriger ist es, wenn mir Menschen berichten, was sie Schreckliches erlebt haben. So erzählte mir einmal eine syrische Frau, wie sie mit ihren Kindern flüchten musste und dabei in eine Falle geriet. Wie Soldaten dann ihre beiden ältesten Töchter wegschleiften und wie die Mutter ihre Töchter schreien hörte, bis sie nicht mehr schreien konnten. Die Frau hat ihre Töchter nie wieder gesehen. Solche Storys gehen mir sehr an die Nieren, damit kann ich fast nicht umgehen.

Wie muss man sich Ihren Arbeits- und Familienalltag vorstellen?

Weber: Es gibt Phasen, in denen ich viel Zeit mit der Familie verbringen kann, dann wieder solche, in denen ich sie wochenlang nicht sehe. Mein Job ist nicht ein normaler Bürojob, und die Arbeit und das Leben hier können einen an den Rand der Überforderung bringen. Aber es ist nicht so, dass wir ständig Angst um unser Leben hätten. Unser Bild von Krisengebieten ist sehr einseitig. Ein Bild, an dem die Medien nicht unschuldig sind, weil sie ja meist nur von eben diesen Krisen­situationen berichten. Anschläge, Tumulte und andere Konflikte existieren, keine Frage, aber es ist auch immer so, dass ein paar Hundert Meter entfernt ein «normales» Leben stattfindet.

In Krisengebieten sind lokale Medien meist entweder inexistent oder parteiisch. Wie gelangen Sie zu Ihren Informationen?

Weber: Ich habe in allen Gebieten sehr gute lokale Mitarbeiter mit internationalem Hintergrund. Sie sind die erste und wichtigste Bezugsquelle, auch wenn nicht alle Journalisten sind. Das wichtigste in meiner Position ist, möglichst oft und direkt mit den Menschen vor Ort zu ­reden.

Wird dabei nicht versucht, Sie für eine Seite zu vereinnahmen?

Weber: Durchaus. Alle Parteien versuchen, Einfluss zu nehmen. Aber man findet schnell heraus, auf welcher Seite jemand steht. So ist es kein Problem. Es liegt an mir, die Aussagen zu filtern oder dafür zu sorgen, dass auch die Position der anderen Seite Erwähnung findet.

Welches sind neben den bewaffneten Auseinandersetzungen Probleme, die Ihnen in Ihrem Job am meisten Sorge bereiten?

Weber: Das sind meist banale, organisatorische Schwierigkeiten. Wie reise ich von wo nach wo? Welche Visa brauche ich? Was ist Feindesgebiet, und was ist Freundesgebiet? Wo habe ich Verbindung für Telefon oder Satellit, damit wir Berichte nach Zürich übermitteln können?

Aus welchem Grund sind Sie Auslandskorrespondent geworden?

Weber: Aus Neugier auf unsere Welt. Ich bin schon immer gern gereist, und ich kann mir kein schöneres Privileg vorstellen, als in all diese Gebiete als Auslandskorrespondent einzutauchen. Der Nahe Osten ist schon sehr lange ein Brennpunkt. Hier treffen viele Kulturen aufeinander, und hier wurde und wird Weltgeschichte geschrieben, was mich als Historiker besonders interessiert und fasziniert.

Kick, Ruhm oder Gefahrenzulage spielten keine Rolle?

Weber: Nein, im Gegenteil. Es gibt in unserem Metier zwar Leute, die den Kick suchen, ich bin jedoch eher ein vorsichtiger und ängstlicher Mensch. Andererseits hat meine Arbeit durchaus Suchtpotenzial. Spannend sind für mich allerdings nicht herumschwirrende Raketen oder Gewehrkugeln, sondern die Intensität der Storys und die Möglichkeit, am Puls der Ereignisse zu sein. 

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