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Interview

«Das grundsätzliche Problem mit Erdbeben ist deren Unvorhersehbarkeit»: Stefan Wiemer, Leiter des Schweizerischen Erdbebendienstes. Bild: ETH

"Tsunamis könnten Teile Zürichs fluten"

Von: Sacha Beuth

27. August 2013

Nebst anderen Risiken wird an der Scientifica auch das Erdbebenrisiko für Zürich und den Rest der Schweiz thematisiert. Und dies ist höher als gemeinhin angenommen.

Denkt man an Erdbeben, fallen einem in erster Linie Regionen wie Japan oder Kalifornien ein. Doch laut Stefan Wiemer (46), dem Leiter des Schweizerischen Erdbebendienstes, bergen seismische Aktivitäten auch bei uns ein hohes Risiko und sind damit auch ein Thema an der Scientifica am Wochen­ende an Uni und ETH. Dem «Tagblatt» steht der Forscher schon vorab Rede und Antwort.

Tagblatt der Stadt Zürich: Stefan Wiemer, wie häufig kommen in Zürich Erdbeben vor?

Stefan Wiemer: Es gibt jedes Jahr kleine Beben in der Region Zürich, die man nicht oder kaum wahrnimmt. Seltener sind spürbare ab einer Magnitude von etwa 2 auf der Richterskala – wie zuletzt jenes vom 11. Februar 2012 bei Zug mit einer Stärke von 4.2, welches auch in Zürich wahrgenommen wurde, aber keine Schäden verursachte. Die, die grosse Schäden anrichten – also ab Stärke 6 auf der Richterskala –, kommen glücklicherweise nur etwa alle 500 bis 1000 Jahre vor.

Dann brauchen wir uns keine grossen Sorgen zu machen. Trotzdem weisen Sie auf ein erhöhtes Risiko bei Erdbeben hin. Wie passt das zusammen?

Wiemer: Auch ein seltenes Ereignis, das aber dann grosse Schäden anrichtet, ist ein Problem. Und: In Zürich ist nicht das Risiko gestiegen, dass Erdbeben per se vorkommen, sondern das Risiko, dass im Falle von Beben Schäden entstehen. Der Grund liegt an der immer stärker werdenden Urbanisierung. In der Stadt hat es sehr viele Gebäude, die zudem teilweise leicht verletzbar und vor allem teuer sind. Auch ein durch starke Beben ausgelöster Tsunami ist nicht auszuschliessen und könnte die am See liegenden Zonen Zürichs fluten. Das grundsätzliche Problem mit Erdbeben ist deren Unvorherseh­barkeit.

Und warum ist das so?

Wiemer: Wir wissen noch zu wenig über die Prozesse, die sich in mehreren Kilometer Tiefe abspielen. Etwa wo ­genau sich die Verwerfungszonen befinden, wie stark die Spannungszonen sind und wie genau sie verlaufen. Erschwerend kommt hinzu, dass Erdbeben ein chaotischer Prozess sind. Kleinste Details können grosse Unterschiede ausmachen.

Neben natürlichen Erdplattenverschiebungen können auch menschliche Aktivitäten wie Geothermie-Bohrungen Erdbeben verursachen. Inwieweit droht Zürich hier Gefahr?

Wiemer: Werden solche Projekte bei uns durchgeführt, ist es möglich, dass dadurch auch in Zürich Erdbeben entstehen, weil uns, wie schon gesagt, die genaue Position und Stärke der Spannungszonen unbekannt sind. Allerdings reden wir hier von Bohrungen in 4000 Meter Tiefe. Normale Erdwärmesonden für ein einzelnes Häuschen gehen nur etwa 50 Meter tief und sind diesbezüglich kein Problem.

Wie verhalte ich mich bei einem Erdbeben?

Wiemer: Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren und sich vor herunterfallenden Gegenständen zu schützen – zum Beispiel indem man unter einen Tisch kriecht. Meist ist der Spuk nach wenigen Sekunden vorbei. Bei starken Beben bleibt nur Hoffen und Beten.

Weitere Infos: www.scientifica.ch

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