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Interview

Prof. Dr. Christian Schmid ist Stadtforscher und Professor für Soziologie am Departement Architektur der ETH Zürich. Für ihn ist klar: in verstreuten Reserven zu bauen, genügt nicht, um substanziell mehr Leuten Wohnraum zu bieten. Hier die Neuüberbauung Klee in Affoltern.Bild: Stadt Zürich

Wie viel Platz hat Zürich noch?

Von: Clarissa Rohrbach

04. Februar 2014

Zürich zählt über 400 000 Einwohner. Wächst die Stadt weiter, braucht es mehr Platz. Stadtforscher Christian Schmid weiss, wo Wohnraum entstehen kann.

Herr Schmid, bis 2025 könnte Zürich bis zu 449 600 Einwohner haben. Damit würden wir den Höchststand von 1962 überschreiten.

Christian Schmid: Mit solchen Prognosen wäre ich vorsichtig. Zürich erlebt heute einen Boom, der auch die nächsten Jahre anhalten dürfte. Aber die Stadt­entwicklung ist unberechenbar. Ökonomische Krisen können immer wieder auftreten und werden selten vorhergesehen, und auch andere Faktoren können die Stadt weniger attraktiv machen, etwa, falls sich das Verhältnis der Schweiz zur EU verschlechtern sollte. Auch eine Änderung des Lebensstils kann vieles bewirken. So fand etwa die Abwanderung in den 1960er-Jahren vor allem darum statt, weil die Leute mehr Platz suchten und darum in die Vororte zogen.

Nehmen wir an, die Bevölkerung würde weiter wachsen. Wo könnte mehr Wohnraum entstehen?

Das ist letztlich eine politische Entscheidung. Die geplante neue Bau- und ­Zonenordnung (BZO) sieht eine dezentrale Verdichtung vor. Indem man auf verstreuten Reserven wie zum Beispiel in Schwamendingen, Affoltern oder Altstetten baut, ist ein Wachstum im begrenzten Rahmen möglich. Es gibt allerdings keine grossflächigen Neubau­gebiete mehr, wie es Zürich-West oder Neu-Oerlikon vor einigen Jahren waren.

Die Stadt hat auf eine generelle Aufzonung der innerstädtischen Quartiere verzichtet, um die Preise nicht in die Höhe zu treiben. Wäre eine höhere Ausnutzung der bestehenden Bauten keine Lösung?

Eine Aufzonung führt zwar zu mehr Fläche, aber nicht unbedingt auch zu mehr Leuten. Gerade in den innerstädtischen Kreisen 3, 4 und 5 entstehen bei Um- und Neubauten oft grössere, teure Wohnungen, die von wohlhabenden Einzelpersonen oder Paaren beansprucht werden. So könnte Zürich ein noch teureres Pflaster werden, und die jetzigen Einwohner würden in der Stadt kaum mehr bezahlbaren Wohnraum finden.

Es soll aber noch Platz geben für mindestens 115 000 Zürcher.

Das ist eine theoretische Grösse, die wohl kaum erreicht wird. Wenn wir wirklich substanziell mehr Leuten Wohnungen anbieten möchten, ohne die bestehenden urbanen Qualitäten zu beeinträchtigen, braucht es grossflächige Neubaugebiete, wo neue Stadtquartiere samt Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und urbanen Nutzungen entstehen können. Entweder man nutzt dazu Grünflächen - selbstverständlich keine Naherholungsgebiete - oder baut städtisch in der Agglomeration. Der Flugplatz Dübendorf, auf dem ein Innovationspark entstehen soll, wäre zum Beispiel ideal. Es würde niemandem wehtun, dort einen richtigen gemischten neuen Stadtteil mit Wohnungen zu bauen.

Würden dann dieser neue Stadtteil eingemeindet?

Das ist nicht nötig, Zürich reicht sowieso schon über die Stadtgrenze hinaus. Wir müssen über die Grenzen hinausdenken und einen offenen Dialog zwischen Gemeinden, Kanton und Bund führen. Denn alleine schafft es Zürich nicht, die grosse Nachfrage nach urba­nem Wohnen befriedigen zu können.

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