mobile Navigation

Interview

Sensoriker Patrick Zbinden führt in den Film «Zimt und Koriander» ein. Bilder: PD/ Pia Grimbühler

"Wir sind zugedröhnt von Kunstdüften"

Von: Clarissa Rohrbach

07. Oktober 2014

Sensoriker Patrick Zbinden eröffnet am Montag das EWZ Stattkino, die Filmreihe für alle Sinne. Im Interview erklärt er, wieso Aromen und Düfte in uns die stärksten Gefühle auslösen.

Während des Eröffnungsfilms lassen Sie und Meisterchocolatier Fabian Rimann die Zuschauer Pralinés essen. Wieso?


Patrick Zbinden: «Zimt und Koriander» handelt von einem Grossvater, der seinen Enkel durch Gewürzaromen an die verlorene Heimat erinnert. Wir haben Pralinés entwickelt, welche die Aromen der Schlüsselszenen enthalten, um auch in den Zuschauern Gefühle zu wecken. Dies funktioniert, weil jeder Geschmack, Aromen und Düfte mit ganz persönlichen Erinnerungen assoziiert.


Hätte dazu nicht einfach ein wenig Zimt oder Koriander genügt?


Das Erlebnis wäre weniger sinnlich gewesen. Für den Film hat Fabian Rimann Pralinés entwickelt, welche ein vielschichtiges Aromaspektrum preisgeben. Ein Tipp: Um Pralinés als Gesamtkunstwerk zu geniessen, sollten sie nie abgebissen werden, sondern als Ganzes gegessen werden.


Welche Funktion haben Riechen und Schmecken?


In erster Linie dient unsere Sinneswahrnehmung dem Genuss. Jeder weiss, wie es ist, erkältet zu essen: freudlos. Um unser Genussempfinden zu manipulieren werden immer häufiger Lebensmittel mit Aromen angereichert. Beispielsweise gaukeln künstliche Aromen im Erdbeerjoghurt unserem Körper vor, dass er eine Riesenportion Erdbeeren bekommt. Mit dem Ergebnis, dass für deren Verdauung Speichel und Magensaft auf Vorrat produziert werden. Schliesslich kommt im Magen nicht die vorangekündigte Menge an Erdbeeren an, und wir essen zur Befriedigung mehr als uns lieb ist.


Wir sind heute umgeben von künstlichen Düften. Wie gut ist unser Geruchssinn?


Unsere Nase kann Millionen von Düften unterscheiden. Doch sie wird von künstlichen Gerüchen zugedröhnt: im Auto der Wunderbaum, im Geschäft der Raumduft, am Körper das Parfüm. Mit dem Ergebnis, dass es uns immer schwerer fällt, natürliche Düfte zuzuordnen. Aber das kann man trainieren. Ich rate, bereits Kinder zu fragen, wie ein nasser Stein riecht. Nur so ist dieser Duft in einem Lebensmittel wie zum Beispiel in einem Käse wieder abrufbar.


Für Asiaten schmeckt Käse nach schlechter Milch. Ist Geschmack subjektiv?


Vorlieben hängen von Gewohnheiten und Kultur ab. Was wir bis zum zehnten Lebensjahr essen, wird zur Lieblingsspeise. Deshalb haben Europäer und Asiaten eine andere Vorstellung von guten oder schlechten Speisen. Durch das Reisen wird das Geschmacksspektrum aber breiter. Denken Sie an die Thai-Küche: Herr und Frau Schweizer lieben sie, weil sie daran Ferienerinnerungen knüpfen.


Essen wir in Zukunft anders?
Die grosse Mehrheit wird energieeffizient und kostengünstig produzierte Industrieprodukte essen. Nur eine Elite wird sich natürlich und artisanal hergestellte Nahrung leisten können.


Das EWZ-Stattkino dauert bis 26. Oktober. Im EWZ-Unterwerk Selnau und im Art­house Le Paris werden Filmklassiker mit Live-Unterhaltung gezeigt.
www.ewz.stattkino.com

Sind Sie auf Facebook? Dann werden Sie Fan vom Tagblatt der Stadt Zürich!

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare