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Interview

Michael Allgäuer ist Präsident der Kesb Stadt Zürich. Bild: SB

«Wohl des Betroffenen steht an erster Stelle»

Von: Sacha Beuth

28. Mai 2019

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden werden oft kritisiert. Unter anderem weil sie statt privater Beistände Berufsbeistände bevorzugen würden. Bei einer Medienkonferenz am Montag widersprach Michael Allgäuer, Präsident Kesb Stadt Zürich, diesem Vorwurf und wies darauf hin, dass Privaten oft die fachliche Kompetenz fehle.

In der Stadt Zürich gibt es gemäss Ihren neusten Zahlen 4795 Beistandschaften für Erwachsene. 75 Prozent werden dabei durch Berufsbeistände wahrgenommen und nur 25 Prozent durch Privatpersonen wie etwa Angehörige. Warum?

Michael Allgäuer: Grundsätzlich versuchen wir, wenn immer möglich, die Beistandschaft einer Person aus dem sozialen Umfeld des Betroffenen oder einem Freiwilligen zu übergeben. Allerdings steht das Wohl des Betroffenen an erster Stelle. Das heisst, wir müssen darauf achten, dass ein Beistand auch den Anforderungen nachkommen kann und der Fall überhaupt für eine Privatperson geeignet ist.

Welche Voraussetzungen braucht es denn, damit eine Privatperson die Beistandschaft für einen Angehörigen übernehmen kann?

Vom Gesetz her lautet die Antwort: Ein Beistand muss persönlich und fachlich geeignet sein und genügend Zeit einsetzen können. In der Praxis fehlt Privatpersonen leider aber oft die Kompetenz, um etwa eine psychisch kranke oder süchtige Person richtig betreuen zu können. Auch ein Interessenkonflikt (anstehende Erbschaft, Beistandsbewerber ist mit Betroffenen zerstritten) kann die Übernahme einer Beistandschaft verhin- dern. Oder auch wenn die schutzbedürftige Person den Angehörigen als Beistand ablehnt. Wichtig ist hier anzumerken, dass Beistandsschaften durch Privatpersonen nur für Erwachsene zum Tragen kommen. Kinder und Jugendliche erhalten fast ausnahmslos Berufsbeistände.

Wovor genau soll die Kesb Kinder und Erwachsene schützen?

Bei Erwachsenen geht es vor allem darum, denen Unterstützung zu bieten, die im Alltag überfordert sind, etwa weil sie ihren administrativen Pflichten nicht mehr nachkommen können. Uns stehen mehrere Massnahmen zur Verfügung. Eine könnte sein, einer dementen Person einen Vertretungsbeistand für die Vermögensverwaltung anzuordnen. Bei einem Kind wird eingegriffen, wenn dessen Wohl in wesentlichen Bereichen gefährdet ist – seine Gesundheit leidet, es vernachlässigt oder ihm Gewalt angetan wird. Hier wäre eine mögliche Anordnung die Errichtung einer Erziehungsbeistandschaft.

Wie oft muss die Kesb der Stadt Zürich Massnahmen ergreifen?

Pro Jahr bearbeiten wir rund 3000 Meldungen, wobei nur rund ein Drittel zu Anordnungen, also Massnahmen, führen. Zuerst suchen wir immer im privaten Umfeld des Betroffenen nach Lösungen. Generell können wir feststellen, dass sowohl bei den Erwachsenen wie – mit kleineren Schwankungen – bei Kindern und Jugendlichen die Zahl der Massnahmen pro 10 000 Einwohner tendenziell abnimmt.

Was kann man tun, wenn man als Betroffener oder Angehöriger nicht mit einer Kesb-Beistandschaft einverstanden ist?

Im Kanton Zürich kann man Beschwerde beim Bezirksrat einlegen. Die hat eine aufschiebende Wirkung, sofern sie nicht von der Kesb oder dem Bezirksrat entzogen wird.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch.

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