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Interview

Littering-Beispiel am Seeufer beim Bellevue - aufgenommen an einem gewöhnlichen Wochentag im November. Bild: SB

«Zigi-Stummel sind Littering-Spitzenreiter»

Von: Sacha Beuth

02. Dezember 2014

Seit das Bundesamt für Umwelt vor zwei Wochen eine landesweite Mindestbusse von 100 Franken für Littering fordert, schlägt das Thema wieder hohe Wellen. Die Leserbriefspalten sind voll mit Reaktionen zu diesem Thema. Wie man in der Stadt Zürich die Problematik angeht, weiss Michael Ultsch, Leiter der Stadtreinigung von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Ultsch, ärgern Sie sich auch über achtlos weggeworfene Gegenstände?

Michael Ultsch: Ja, und zwar dort, wo die Abfallbehälter in Reichweite sind und nicht genutzt werden. Besonders, wenn es sich um eine schöne Parkanlage handelt, die von der Bevölkerung intensiv genutzt wird.

Laut einer Studie der Uni Basel landet auf öffentlichen Plätzen fast ein Drittel des Abfalls auf dem Boden. Inwieweit ist Littering in Zürich ein Problem bzw. ist es in Zürich besser oder schlechter als in anderen Schweizer Städten?

Die Stadt Zürich geniesst national wie international einen sehr guten Ruf, was die Sauberkeit auf Strassen, Plätzen und Parkanlagen betrifft. Nicht zuletzt weil die Mitarbeitenden der Stadtreinigung 365 Tage von morgens früh bis abends spät in Sachen Sauberkeit unterwegs sind. Besondere Herausforderungen, denen sich Zürich in diesem Zusammenhang stellen muss, sind einerseits der Trend hin zur 24-Stunden-Gesellschaft, zum anderen die täglichen Pendler­ströme nach Zürich.

Welche Art von Abfall macht den Hauptteil des auf öffentlichem Grund eingesammelten Abfalls in der Stadt ­Zürich aus?

Die Stadtreinigung sammelt jährlich rund 9100 Tonnen Abfall ein. Der überwiegende Anteil stammt aus den rund 4000 Abfallbehältern, die die Mitarbeitenden der Stadtreinigung bewirtschaften. Der litteringbedingte Anteil am eingesammelten Abfall wird von der Stadtreinigung nicht separat erfasst. Was die Zusammensetzung des eingesammelten Abfalls betrifft, ist zwischen Gewicht und Stückzahl zu unterscheiden. Hinsichtlich Stückzahl sind Zigarettenstummel unangefochtene Spitzenreiter (ca. 60 Prozent aller gelitterten Gegenstände). Im Hinblick auf die gewichtsmässige Zusammensetzung des eingesammelten Abfalls besteht der grösste Anteil, nämlich 32 Prozent, aus Kleinkehricht. Essensverpackungen und Essensreste machen rund 27 und Papier 19 Gewichtsprozente aus.

In Zürich werden gemäss Angaben der Stadtpolizei Litteringsünder nur vereinzelt gebüsst. Setzt man damit nicht ein falsches Signal?

«Bussen verteilen» sagt sich so leicht. Doch dazu müssten die Leute auf dem Bänkli und auf der Wiese überwacht werden. Das ist kaum akzeptabel und sehr teuer. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist somit zweifelhaft.

In Singapur scheint es aber zu funktionieren. Dort zahlt man für Littering im Bus beispielsweise ungerechnet fast 1000 Franken und auf öffentlichem Grund hat es im Vergleich zu Zürich (und trotz höherer Einwohnerzahl) deutlich weniger Müll auf den Strassen.

Singapur hat ein ganz anderes politisches und juristisches System.

In verschiedenen Medien fordern Leserbriefschreiber auch mehr Abfalleimer. Früher hätte es in Zürich auf öffentlichem Grund deutlich mehr gehabt. Heute sind die wenigen oftmals – gerade nach Grossanlässen – nach kurzer Zeit verstopft.

In der Stadt Zürich stehen 3 950 fix installierte Abfallbehälter. Damit nimmt die Stadt Zürich international einen Spitzenplatz ein – nicht nur was die Abfallbehälter-Dichte auf öffentlichem Grund angeht, sondern bezüglich des geleerten Volumens. Zudem stellt die Stadtreinigung in der warmen Jahreszeit bedarfsgerecht zusätzliche, mobile Abfallcontainer auf, damit Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Raums ihren Abfall bequem entsorgen können. Die Entsorgungssituation an Grossveranstaltungen ist eine andere: Neben den fix installierten Abfallbehältern stellt ERZ Entsorgung + Recycling Zürich je nach Standort Container zur Entsorgung des Kehrichts oder zur Entsorgung von Wertstoffen wie Glas, PET oder Aluminium. Aufgrund der grossen Menschenmenge und der engen Platzverhältnisse ist es während Veranstaltungen oft schwierig, die Abfallbehälter zu leeren. Zudem ist der Platz zur Stellung von Abfallbehältern nicht beliebig verfügbar, und es müssen die Vorgaben des Crowd Management und der Blaulicht-Organisation eingehalten werden.

Was ist mit der Prävention. Vor rund 20, 30 Jahren wurde man in der Schule intensiv geschult, den Abfall in entsprechende Behälter zu entsorgen. Und heute?

Abfallunterricht ist auch heute ein Thema, das nichts an seiner Bedeutung eingebüsst hat. Der richtige Umgang mit Abfällen – oder vielleicht besser: Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen – ist aktueller denn je. ERZ Entsorgung + Recycling Zürich bietet in Zusammenarbeit mit der Stiftung Praktischer Umweltschutz Schweiz PUSCH Abfallunterricht für Kindergärten und Schulen in der Stadt Zürich. Dieses Angebot ergänzen kostenlose Führungen durch das Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz an. Zudem führt die Stadtreinigung zusammen mit Schulklassen, Unternehmen sowie anderen Organisationen gemeinsame Putzaktionen durch, bei welchen die Beteiligten für einen eigenverantwortlichen Umgang mit Abfall sensibilisiert werden.

Was also ist zu tun, um das Litteringproblem zu lösen?

Sauberkeit ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Eigenverantwortung der Einzelnen im öffentlichen Raum, Abfallunterricht zur Sensibilisierung der Jungen, passende Infrastruktur am richtigen Ort. Und eine Reinigung, die möglichst lang anhält, zum Beispiel morgens vor dem Verkehrsaufkommen und nach der Heimkehr der Bevölkerung. Auch hierfür verfügt die Stadt leider nur über begrenzte Mittel.

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