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Interview

Ab heute die höchste Zürcherin: Gemeinderatspräsidentin Dorothea Frei (SP). Bild: JS

"Zürich ist in Aargauer Frauenhand"

Von: Jan Strobel

06. Mai 2014

Heute Mittwochabend eröffnet der Gemeinderat seine neue Legislaturperiode und wählt die Sozialdemokratin Dorothea Frei zur Gemeinderatspräsidentin. Damit tritt die 54-Jährige die Nachfolge des Grünen Martin Abele auf dem Bock an und wird somit die höchste Zürcherin. Mit dem «Tagblatt» sprach Frei über ihre Aargauer Wurzeln und darüber, was sie im Gemeinderat verändern möchte.

Tagblatt der Stadt Zürich: Dorothea Frei, viele Zürcher glauben, unsere Stadtpräsidentin Corine Mauch sei die höchste Zürcherin. Erklären Sie doch in aller Kürze, was das Amt der Gemeinderatspräsidentin eigentlich ausmacht.

Dorothea Frei: Als höchste Zürcherin lenke ich auf der einen Seite den parlamentarischen Betrieb im Gemeinderat. Auf der anderen Seite hat eine Gemeinderatspräsidentin natürlich auch eine repräsentative Bedeutung. Ich vertrete den Gemeinderat an Generalversammlungen, Vereinsjubiläen oder am Sechseläuten. Während meiner Zeit als Erste Vizepräsidentin des Gemeinderats hatte ich Zeit, in dieses Amt hineinzuwachsen und konnte bereits viele Aufgaben übernehmen. Ich werde also nicht ins kalte Wasser geschmissen.

Sie sind gebürtige Aargauerin und immer noch familiär und beruflich mit dem Kanton verbunden. Wie stark sind Sie in der Stadt verwurzelt?

Ich lebe mit seit neun Jahren in Schwamendingen und politisiere für die SP 12, habe mich auch im Quartierverein engagiert. Das Quartier ist mir also längst zur Heimat geworden, ich habe Wurzeln geschlagen. Natürlich liegt mir auch der Aargau immer noch am Herzen, man sollte seine eigenen Wurzeln ja nie vernachlässigen. Als Bildungsfachfrau übe ich unter anderem auch in Aarau eine Lehr­tätigkeit aus. Jetzt wird eben eine Aargauerin höchste Zürcherin. Aber schliesslich hat auch Stadtpräsidentin Corine Mauch Aargauer Wurzeln. Zürich ist also gewissermassen in Aargauer Frauenhand.

Kommen wir noch einmal auf Schwamendingen zurück, das ja nicht gerade als SP-Hochburg gilt. Haben Sie als Sozialdemokratin nicht einen etwas schweren Stand in Ihrem Quartier?

Die Parteizugehörigkeit spielt in Schwamendingen eine zweitrangige Rolle. Darin unterscheiden wir uns sicherlich von anderen Stadtkreisen. Es herrscht hier eine fast noch dörfliche Solidarität untereinander. Wir halten zusammen, parteiübergreifend, auch im Gemeinderat. Wenn wir etwas wollen, dann bekommen wir das auch. 

Für unseren Interviewtermin haben Sie das Sprüngli am Paradeplatz vorgeschlagen. Das würde man eigentlich eher von einer Liberalen erwarten.

Es ist mir bewusst, dass ich dem Klischee einer klassischen Sozialdemokratin nicht entspreche. Aber so bin ich eben. Es gab tatsächlich schon Angebote aus den Reihen der FDP. Das kam für mich aber nie wirklich infrage.

Wie wurden Sie zur Sozialdemokratin?

Ich war schon mit 15, 16 Jahren politisch sehr interessiert, las zum Beispiel jeden Montag mit Leidenschaft den «Spiegel». Obwohl ich aus einem sehr bürgerlichen Haus stamme, vertrat ich schon früh linke Positionen. Es war mir immer wichtig, für die Schwächeren in der Gesellschaft einzustehen. Das entscheidende Erlebnis war aber 1993 die Nichtwahl von Christiane Brunner in den Bundesrat. Als Frau gab es danach für mich nur noch eine Partei, die infrage kam, das war die SP. 

Gibt es etwas, das Ihnen zurzeit in Zürich Sorgen bereitet?

Wir Zürcher sollten uns wieder etwas bewusster machen, dass unser Wohlstand keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist. Die Gefahr, dass sich eine gewisse Bequemlichkeit breitmacht und unserer Stadt keine Sorge mehr getragen wird, ist gross.  Wenn ich den Abfall sehe, der einfach auf die Strasse geworfen wird oder zugesprayte Züge und Hauswände, dann fällt mir eigentlich nur ein Wort dazu ein: Wohlstandsverwahrlosung. 

Wie möchten Sie den Gemeinderat während Ihrer Amtszeit prägen, oder was möchten Sie verändern?

Grundsätzlich möchte ich betonen, dass mein Vorgänger Martin Abele eine sehr gute Arbeit geleistet hat. Was ich ändern möchte, ist der Umgang der Gemeinderäte untereinander. Ich sitze nun seit 12 Jahren im Gemeinderat und musste immer wieder feststellen, dass sich während dieser Zeit der Umgang unter den Parlamentariern verändert hat. Er ist rauer geworden. Wie da manchmal Personen verbal attackiert werden, ist eindeutig grenzwertig. Das werde ich als Gemeinderatspräsidentin nicht mehr tolerieren. Wir Gemeinderäte haben immerhin den Willen und die Bedürfnisse unserer Wähler zu vertreten, da ist kein Platz für narzisstische Selbstinszenierungen. Ich möchte wieder über Sachargumente streiten, gemeinsam die besten Lösungen finden. Diese Personalisierung der Politik ist eine ungute und relativ neue Entwicklung, die dem Zürcher Gemeinderat eigentlich nicht ansteht.

Wo werden Sie den traditionellen Apéro für die Bevölkerung veran­stalten?

Martin Abele hat ja damals seinen Apéro auf der Rathausbrücke veranstaltet. Ich selbst werde ihn wieder traditionell in meinem Wahlkreis machen, auf dem Schwamendingerplatz. Das Fest ist auch ein Dank dafür, dass mich die Schwamendinger immer unterstützt  und in ihren Reihen aufgenommen haben.           

Die Wahlfeier findet heute Mittwoch ab 18.30 Uhr auf dem Schwamendingerplatz statt.

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