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Interview

"Zürich mutet fast mediterran an"

Von: Isabella Seemann

07. April 2015

Von ihrem Büro am Limmatquai aus hat Sonja Wollkopf Walt einen herrlichen Panoramablick über den HB, das Central und die Altstadt beidseits der Limmat. Hier vermarktet die Geschäftsführerin der Standortmarketing­organisation Greater Zurich Area AG (GZA) zusammen mit ihrem Team ­einer der stärksten Wirtschaftsräume Europas: Stadt und Kanton Zürich, die Region Winterthur sowie sechs weitere Kantone.

Frau Wollkopf, was macht die Einmaligkeit der Greater Zurich Area aus?
Auf kleinstem Raum eine solche Dichte von erstklassigen Hochschulen, wissenschaftlichen Instituten und Hightechfirmen, die eng miteinander verknüpft sind, gibt es nirgendwo sonst. Dazu kommen Stabilität, Sicherheit, liberales Arbeits- und Gesellschaftsrecht sowie eine hohe Lebensqualität mit herrlichen Seen, Flüssen, Wäldern und Bergen und ein grosses kulturelles Angebot. All das lockt viele kluge Köpfe an, die sich gern hier niederlassen, wo die Lebensumstände besonders gut sind.


Gibt es eine besondere regionale Mentalität?
Im letzten Jahrzehnt hat sich Zürich noch stärker zu einer toleranten, weltoffenen, internationalen Stadt entwickelt und mutet fast mediterran an.


Wozu braucht es Standortmarketing, wenn Zürich so toll ist?
Zürich ist international als Finanzplatz renommiert, doch gilt es, die Greater Zurich Area auch als Wirtschaftstandort und -zentrum bekannt zu machen, von wo aus ganz Europa, der Nahe Osten und Nordafrika erreicht werden können. Wir stehen in Konkurrenz zu anderen Regionen, die viel aggressiver auftreten, mit weitaus höherem Budget und mit Subventionen arbeiten, um Firmen zu gewinnen.


Wie macht man Zürich einem koreanischen oder amerikanischen Investor schmackhaft?
Wir sprechen von der Metropolitanregion Zürich, die eine Region umfasst, die in 60 Minuten oder weniger vom Flughafen zu erreichen ist. Die bereits genannten harten und weichen Faktoren sind für amerikanische wie auch asiatische Investoren wichtige Kriterien. Bei den Amerikanern steht die ­Rekrutierbarkeit von Fachkräften im Vordergrund. Bei den asiatischen Unternehmen ist der Zugang zu Hochschulen wichtig. Unterschiedlich sind die Akquisitionskanäle. In den USA kontaktieren wir Firmen direkt. In China spielen staatliche Institutionen eine wichtige Rolle.


Was sind die K.-o.-Kriterien, wenn sich jemand dagegen entscheidet, sich im Kanton Zürich anzusiedeln?
Unsicherheit ist für Standortmarketing Gift. Zweifel an der grundsätzlichen Wirtschaftsfreundlichkeit der Schweiz werden laut. Volksentscheide wie jene über die Massenein­wanderungsinitiative und die daraus hervorgehende Frage, wie Arbeitsbewilligungen zukünftig gehandhabt werden, aber auch die für den Standort wichtige Unternehmenssteuerreform III werfen viele Fragen auf, denen wir uns stellen müssen. Neu hinzu kommt der durch die Frankenstärke verursachte Kostenanstieg des Standortes Schweiz. Hier braucht es viel Aufklärungsarbeit, die wir auch leisten.


Wirtschaft und Politik setzen auf Wachstum. Die Bevölkerung zeigt sich deswegen besorgt. Was ist Ihre Strategie?
Ohne Wachstum gibt es keine Innovation und ohne Innovation keinen bleibenden Wohlstand. Diese wiederum haben wir wesentlich der Zuwanderung zu verdanken. Standortmarketing ist jedoch kein Treiber der Zuwanderung. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sind unter zwei Prozent darauf zurückzuführen. Wir sprechen ausschliesslich Firmen an, die sich nachhaltig ansiedeln wollen und in den Wirtschaftsraum und in unsere KMU-Landschaft passen. Beispielsweise Präzisionstechnologie-Firmen, die wiederum die lokalen KMU und das Gewerbe zu Höchstleistungen antreiben. Zwischen 2009 und 2013 konnten wir 464 Unternehmen, die mehr als 4000 Arbeitsplätze schafften, in die Greater Zurich Area holen. Der weitaus grösste Teil hat sich langfristig niedergelassen.


Was sollte ein ausländischer Investor unbedingt tun, wenn er sich in ­Zürich ansiedelt?
Ganz einfach: Deutsch lernen und seine Kinder in die Volksschule schicken. Wir stellen fest, dass ausländische Führungspersonen und Firmenmitarbeiter, die hier am Alltagsleben teilnehmen, auch nachhaltigere und grössere Er­folge ausweisen können.


Sie arbeiten seit der Gründung vor 15 Jahren für die Greater Zurich Area und sind seit 5 Jahren deren Geschäftsführerin. Was war der bisherige Höhepunkt Ihrer Tätigkeit?
Dass sich Google für den Standort Zürich entschieden hat, denn dem Branchenleader folgten viele weitere Firmen, auch inländische, die etwas bewirken und bewegen. Es entstand eine neue Tech-Szene mit vielfältigen Start-ups, die eine Fülle von Innovationen entwickelten, die wiederum Dynamik in den Wirtschaftsraum bringen.


Nehmen wir an, eine amerikanische Firma zeigt konkret Interesse, ihren Europa-Hauptsitz in der GZA zu gründen. Wie gehen Sie vor?

Meist hole ich den CEO und sein Team am Flughafen ab und fahre mit der ­S-Bahn in unsere Büros, damit sie gleich sehen, dass man innert zehn Minuten in sauberen und sicheren Zügen in die City kommt. Das gibt es fast nirgends sonst auf der Welt. Es beeindruckt jeden. Dann zeigen wir ihnen, gemeinsam mit unseren lokalen Partnern, die verschiedenen Gegenden, die für die Firma infrage kommen. Manche möchten näher bei Deutschland sein, wieder andere nahe bei den Hochschulen. Zudem laden wir Vertreter von Firmen zu Treffen ein, die sich bereits bei uns niedergelassen haben und im gleichen Segment tätig sind, denn eine zufriedene Firma ist die beste Referenz, und es ermöglicht ihnen, das Netzwerk zu erweitern. Vom ersten Kontakt bis zur Niederlassung dauert es im Schnitt ein Jahr.


Eine gute Partnerschaft geht auch durch den Magen. Wohin führen Sie ausländische Investoren aus?
Wir zeigen unseren Kunden sowohl das traditionelle Zürich mit seinen Zunfthäusern als auch die aufstrebenden, modernen Quartiere wie Zürich-West mit dem Prime Tower, die Europaallee und Oerlikon. Zuweilen gehen wir auch in die hippen Lokale im Kreis 4 und 5, und abends nehmen unsere jüngeren Mitarbeiter auch mal jemanden in die angesagten Bars der Stadt mit. Das kommt sehr gut an.

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