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Interview

Jan Schibli (links) und Stefan Witzig (rechts) sind zwei wie Pech und Schwefel. Gemeinsam führen sie die Zürcher Traditionsfirma Schibli. Bild: PD

Zwei Chefs zum Anfassen

Von: Isabella Seemann

29. September 2020

Wirtschaft: Kann ein elektrotechnisches Unternehmen eine Herzensangelegenheit sein? Das kann nur fragen, wer Jan Schibli nicht kennt. Der engagierte Unternehmer hat die von ihm in dritter Generation geleitete Zürcher Familienfirma, die Schibli-Gruppe, zum Branchenleader geführt und die Belegschaft verdoppelt. Fortan will er sich auf seine Rolle als Delegierter des Verwaltungsrats konzentrieren und hat deshalb seinen bisherigen Stellvertreter Stefan Witzig zum neuen CEO ernannt. Das «Tagblatt» hat die Persönlichkeiten zu einem Gespräch getroffen.

Jan Schibli, als 32-Jähriger haben Sie die Nachfolge Ihres Vaters angetreten. War Ihr Lebensweg vorgezeichnet?

Jan Schibli: Bei einem Familienunternehmen drängt sich die Frage nach der Nachfolge immer wieder auf. Doch zuerst war mein Traumberuf Kameramann bei Sportveranstaltungen, nur brachte ich für die Fotografenlehre zu wenig Kreativität mit. Seit jeher faszinieren mich aber auch grosse Baustellen und die vielen Menschen darin, die zusammen ein Gewerk aufstellen. Und Elektrizität fand ich besonders cool, deshalb machte ich in diesem Bereich meine Ausbildung. Mit 25 ging ich für zwei Jahre als Reiseleiter in die USA. Diese Zeit war die beste Management- und Human-Resources-Schulung, die man haben kann. Als ich zurückkehrte, war mir klar: Ich will Unternehmer werden, ich will dereinst die Firma meines Vaters übernehmen.

Was hat Sie damals angetrieben, die Firma Ihres Vaters zu übernehmen?

Schibli: Ich war jung und wusste zu Beginn nicht, worauf ich mich einliess (lacht). Im Nachhinein kann ich sagen: Das, was ich heute bin, ist das, was ich werden wollte. Ich konnte mit Menschen zusammen etwas bewirken, sie bei ihrer Entwicklung unterstützen, zusammen Erfolge feiern, aber auch Niederlagen einstecken und daraus lernen.

Weshalb geben Sie bereits im Alter von 49 Jahren die operative Führung Ihres Familienunternehmens aus der Hand an ein Nichtfamilienmitglied?

Schibli: Vor zweieinhalb Jahren begannen wir mit einem Transformationsprozess auf Kaderstufe, die sogenannten Könnerschaften jedes Einzelnen zu definieren, auch in der Geschäftsleitung. Ich wollte eine andere Rolle im Unternehmen einnehmen, Visionen entwickeln, kreative Inputs geben, die Strategie vorgeben und Investor in meiner eigenen Firma sein. Das geht nicht in Personalunion als CEO. Dafür braucht es eine klare Rollenverteilung. Stefan Witzig besitzt sämtliche Stärken, die es für die operative Führung braucht, und er hatte diese Funktion bereits zuvor inne, nun auch offiziell. Wir arbeiten jedoch weiterhin eng zusammen.

Stefan Witzig, vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Nichtfamilienmitglied bei der Führung dieses Familienunternehmens?

Stefan Witzig: Wir arbeiten bereits seit fünf Jahren sehr eng zusammen und in die Aufgaben des CEO bin ich in dieser Zeit als bisheriger Stellvertreter hineingewachsen. Für mich war jedoch klar, dass ich diese CEO-Aufgabe nur erfolgreich ausführen kann, wenn Jan Schibli mit an Bord ist. Denn es handelt sich nach wie vor um ein Familienunternehmen, und das ist mir auch wichtig.

Welche unternehmerischen Werte übernehmen Sie vom Familienunternehmen Schibli?

Witzig: Eine Familienfirma ist agil, direkt und persönlich, und die Mitarbeitenden stehen noch mehr im Zentrum als vielleicht anderswo. Jan Schibli ist ein Chef zum Anfassen, und ich will das ebenso sein. Wenn wir heute etwas entscheiden, können wir es morgen leben. Das ist eine Riesenstärke, die uns auch durch die aktuelle Corona-Krise geholfen hat. In dieser ausserordentlichen Zeit hat sich auch manifestiert, welch grosses gegenseitiges Vertrauen innerhalb der Firma herrscht. Wir sind nicht aktiengetrieben. Schibli investiert den Gewinn in die eigene Firma. Das jüngste Beispiel ist der Bereich erneuerbare Energie. Wir haben Mitarbeitende, die brennen für das Thema und besitzen auch das Knowhow dafür. Zusammen entwickelten wir Ideen und Jan Schibli investierte Geld, um diese zu verwirklichen. Heute ist der Bereich der erneuerbaren Energien eine erfolgreiche Abteilung mit grossem Wachstumspotential.

Was haben Sie nun vor?

Witzig: Den laufenden Transformationsprozess weiterführen. Die Schibli-Gruppe ist bereit, das Hierarchiemodell zu verlassen und eine moderne Unternehmensstruktur aufzubauen. Dabei setzen wir vermehrt auf Könnerschaft-basierte Kompetenzteams. Es geht darum, die besten Mitarbeitenden am richtigen Ort zu platzieren.

Was haben Sie, Herr Schibli und Herr Witzig, gemeinsam, worin unterscheiden Sie sich?

Schibli: Uns verbindet die Liebe zum Mannschaftssport und der Humor. Wir sind beide ehrgeizig, wir wollen gewinnen. Wir unterscheiden uns jedoch stark darin, wie wir eine Aufgabe angehen. Sie sehen es hier beim Interview: Ich bin spontan und komme ohne ein Blatt Papier, und er hat sich akribisch vorbereitet.

Witzig: Wenn wir beide gleich wären, würden wir zusammen 100 Prozent bringen. Aber weil wir unterschiedliche Eigenschaften haben, erbringen wir zusammen ein Vielfaches mehr an Leistung. Jan ist der Anreisser, ich bin der Umsetzer.

In den Medien erhielten Sie in den letzten Jahrzehnten mehr Publizität als Hauptsponsor und zeitweiliger Verwaltungsrat des Eishockeyclubs Kloten denn als Unternehmer, Herr Schibli. Hand aufs Herz: Steht Ihnen der Sport näher als die Firma?

Schibli: Nein, die Firma hatte und hat für mich höchste Priorität. Und ich frage zurück: Weshalb berichten Medien nicht mehr über die Leistungen der KMUs? Die enorme Medienpräsenz, die ich damals als Verwaltungsrat des EHC Kloten hatte, hing mit dessen Beinahe-Konkurs zusammen, den wir aber schliesslich abwenden konnten. Ich bin EHC-Kloten-Supporter seit Kindsbeinen an, schon mein Vater unterstützte den Eishockey-Club. Wir sind mit Kloten und der Flughafenregion eng verbunden. Der Sport hat mir immer sehr viel gegeben und ich gebe dem Sport viel zurück. Heute tragen 700 Junioren von Bülach über Rümlang bis Winterthur den Namen Schibli auf der Rückseite ihrer Trikots. Sport ist für uns ein Treiber für die geschäftlichen Leistungen. Und er ist die wichtigste Metapher für unsere Mitarbeitenden. Anhand von Mannschaftssport können wir einfach erklären, wie Teamarbeit funktioniert.

Obgleich die Schibli-Gruppe in der tendenziell konservativen Baubranche tätig ist, haben Sie freiwillig progressive Leistungen für die «Schiblianer» eingeführt, wie Vaterschaftsurlaub oder Sabbaticals. Was bringt das dem Unternehmen?

Witzig: Das wichtigste Gut im Unternehmen sind unsere Mitarbeitenden, und das ist für uns keine Floskel. Wir investieren in die Ausbildung von mehr als 100 Lernenden, wovon wir rund 80 Prozent weiterbeschäftigen. Wenn heute jemand nach jahrelanger Arbeit ein Time-out wünscht, dann möchten wir ihn auch darüber hinaus behalten, denn wir würden sonst einen wichtigen Mitarbeitenden mit ausgewiesenem Knowhow und Erfahrung verlieren. Die Schiblianer setzen sich voll für ihre Firma ein und wir geben ihnen etwas zurück. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel im Sommer allen Mitarbeitenden einen Ferienbatzen geschenkt, auch den Lernenden. Dem Unternehmen bringt das zufriedene Mitarbeitende, die umgekehrt zusätzlich Einsatz zeigen.

Schibli: Für mich ist es eine intrinsische Motivation, etwas zurückzugeben. Unseren Mitarbeitenden, aber auch der ganzen Region, wo wir tätig sind und in der wir deshalb Vereine aller Art unterstützen. Ich will keine kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern kontinuierlich gute Arbeit leisten. Meinen Erfolg messe ich an der Zufriedenheit der Mitarbeitenden.

Welche Bedeutung hat Zürich für Ihr KMU mit Hauptsitz in Hottingen?

Witzig: Zürich ist uns wichtig, das zeigen nur schon unsere im Züriblau lackierten Firmenwagen. Als KMU tun wir uns jedoch oft mit vielen städtischen Entwicklungen schwer. Die Verkehrs- und insbesondere Parkplatzpolitik ist wie für viele andere Gewerbler und Dienstleister in der Stadt auch für uns bisweilen schon enorm herausfordernd.

Schibli: Ich bin Vollblutzürcher und froh, in einer prosperierenden Wirtschaftsregion zu leben. An dieser Stelle möchte ich jedoch etwas Ernstes sagen: Ich persönlich habe Stadtpräsidentin Corine Mauch während des Lockdowns kaum wahrgenommen, im Gegensatz etwa zu den Regierungsrätinnen Rickli und Steiner. Die Stadtregierung kümmert sich meiner Meinung nach zu wenig ums Gewerbe. Es braucht jetzt keine Diskussionen wie aktuell etwa Heizpilze Ja oder Nein. Es braucht jetzt entschlossenes Handeln und eine Stadtregierung, die Zürich aus der Lethargie reisst. Ich appelliere an die Stadtregierung, vermehrt Kontakt mit den KMUs aufzunehmen und ihnen zuzuhören. Ich hätte viel zu erzählen, beispielsweise, dass wir etwa eben keinen Fachkräftemangel haben, weil wir, wie erwähnt, hundert Lehrlinge ausbilden. Steuerlich und verkehrstechnisch wäre ein Wegzug womöglich sinnvoll, aber wir fühlen uns als Zürcher und wir bleiben in Zürich.

Über die Schibli-Gruppe:

Die 1937 gegründete Schibli-Gruppe mit Hauptsitz an der Klosbachstrasse in Hottingen vereint Unternehmen aus den Bereichen Elektrotechnik, Gebäudetechnik, Informatik/Kommunikation, Automatik und erneuerbare Energien. Seit ihren Anfängen mit vier «Stromern» und einem Lehrling entwickelte sie sich zu einer Gesamtanbieterin mit über 550 Mitarbeitenden, davon rund 100 Lernende, an 16 Standorten in der Schweiz und in Deutschland. Jan Schibli führt die Firma seit 2004, als Nachfolger und Sohn des Patrons Hans Jörg Schibli. Seit 2011 ist er Alleininhaber des Zürcher Unternehmens, das von seinem Grossonkel Hans K. Schibli gegründet wurde. Per 1. September 2020 hat er die operative Führung an seinen bisherigen stellvertretenden Geschäftsleiter Stefan Witzig (51) übergeben.

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