mobile Navigation

Lifestyle

Anne Rüffer ist Verlegerin und Dokumentarfilmerin.

Darf es noch etwas mehr sein

Von: Anne Rüffer

13. Mai 2014

Erinnern Sie sich an die Standardfrage in der Metzgerei, beim Bäcker oder im Laden mit dem frischen Gemüse und den quasi gerade vom Baum gefallenen Früchten: «Darf es noch ein wenig mehr sein?» Mehr als die ursprünglich geplanten 100 oder 250 Gramm? Und wenn diese Frage, begleitet von einem strahlenden Lächeln – im Wissen der über die Theke gereichten Qualität – erfolgte, nickte man ebenso freudig zurück. Dieses «bizzeli meh» durfte durchaus etwas kosten, denn die Freude, die es auslöste, war ohnehin unbezahlbar. Gab es dazu noch eine feine Scheibe Wurst für die Kleine, war das Leben rundum in ­Ordnung.

Warum tun wir uns dann eigentlich so schwer damit, die schönen Dinge des Lebens adäquat zu entgelten? Warum soll ein Abend im Theater Rigiblick mit fantastischen Musikern und Schauspielern, die mir anregende Gedanken eines grossartigen Autors (Adolf Muschg) über ein Jahrhundertwerk der Musikgeschichte («Die Zauberflöte») klingend nahebringen, maximal 35 Fr. kosten? Bedenkt man, dass beispielsweise 84 Stunden zu Herzen gehender Lektüre pro Stunde 0.37 Fr. kosten (Jojo Mojes, «Ein ganzes halbes Jahr», 544 Seiten – 31.90 Fr. richtiges Buch, Taschenbuch für schlappe 22.90 Fr.) oder dass ich freiwillig etwas Doofes machte, damit ich die Zeit für «Middlesex» von Jeffrey Eugenides künstlich in die Länge ziehen konnte (733 Seiten für ein 7-Tage-Woche-Glückskapitel-Lesen total 35.90 Fr.), dann ist ein Buch wohl das günstigste Medium des 21. Jahrhunderts. Diese Einsicht hat sich noch nicht wirklich breit durchgesetzt, denn – so die vielfältigen Klagen –  Bücher sind zu teuer, Musik gibts schliesslich gratis, und die Sterne am Himmel scheinen auch jede Nacht umsonst! Nichts gegen günstig, aber die Werke der Poesie, Literatur, Kunst und Musik, die begnadete Menschen in Sternstunden für uns kreieren, sollten uns doch etwas wert sein.
Einfach «es bizzeli meh».

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan vom Tagblatt der Stadt Zürich!

zurück zu Lifestyle

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare